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Management
"Kuschel-Calls" – Kundenbindung in der Apotheke
Vertrauen durch überraschende Anrufe aufbauen
Folgende Szenarien: Die Kundin, die im Frei- und Sichtwahlbereich nach längerer Beratung doch noch das teure Duschgel gekauft hat, erhält am nächsten Tag einen Anruf der PTA. Sie fragt nach, ob sie das Duschgel schon ausprobiert habe, ob es ihr gefalle.
Oder: Der Kunde hat für seine Frau hochwertige Kosmetika eingekauft, und zwar als Geburtstagsgeschenk. Er war sich jedoch sehr unsicher, ob das Geschenk tatsächlich das Gefallen der Gattin erregen würde. Kurz nach der Geburtstagsfeier klingelt auch bei ihm das Telefon – wieder erfolgt ein Anruf der Apothekenmitarbeiterin, die sich erkundigt, ob der Kunde mit den Kosmetika sein Ziel erreicht hat.
Letztes Beispiel: Eine allein erziehende und berufstätige Mutter benötigt für den kranken Sohn ein Medikament und hat es sich per Kurier nach Hause bringen lassen. Doch leider ist das falsche Medikament angeliefert worden. Also hetzt sie kurz vor Arbeitsbeginn in die Apotheke und beschwert sich vehement und lautstark. Der Apotheker bekommt die heikle Gesprächssituation in den Griff, beruhigt die aufgeregte Kundin und händigt ihr natürlich das richtige Medikament aus. Ein paar Tage später ruft er die Kundin an, entschuldigt sich nochmals und fragt nach dem Gesundheitszustand des Sohnes.
Die Beispiele belegen die hohe Kunden- und Serviceorientierung der drei Apotheken. In allen Fällen ist ein Instrument eingesetzt worden, das nach dem Verkaufstrainer Klaus-J. Fink aus Bad Honnef "Kuschel-Calls" genannt wird. Bei diesen Anrufen geht es vor allem darum, die Kundenbeziehung zu vertiefen und Vertrauen aufzubauen. Worum es nicht geht, ist das Verkaufen an sich: Der Apotheker will also keinesfalls die Geschäftsbeziehung zum Kunden mit dem Ziel stärken, etwas zu verkaufen. Seine Intention ist es vielmehr, die Kunden- und Serviceorientierung der Apotheke unter Beweis zu stellen.
Effektiv vorgehen
Natürlich sind solche serviceorientierten Anrufe sehr zeitaufwendig. Darum sollten diese Anrufe die Ausnahme bleiben und sehr zielorientiert eingesetzt werden – so wie in den beschriebenen Szenarien, in denen spezielle Kundensituationen im Vordergrund stehen. Hinzu kommt: Wenn ein Kunde bereits in der Apotheke ein außergewöhnliches Verhalten an den Tag gelegt hat und sich zum Beispiel vor der Einnahme eines Medikaments ängstigt, ist es ebenfalls sinnvoll, einen Serviceanruf durchzuführen.
Um das telefonische Kundenbindungsinstrument zielorientiert, mithin effizient und effektiv einzusetzen, kann der Apotheker eine "Kuschel-Call-Skala" erarbeiten, also festlegen, in welchen Fällen welcher Kunde angerufen werden sollte. Während dann Anrufe bei Reklamationen und Kundenunzufriedenheit wohl ganz oben auf der Skala angesiedelt sein werden, mag der Kuschel-Call bei Stammkunden, die Geburtstag haben, eher einen unteren Rang einnehmen. Aber ein Apotheker mag durchaus auch Gründe haben, bestimmte Kunden zum jeweiligen Ehrentag zu kontaktieren.
Anruf sorgfältig vorbereiten
Was ist bei einem Kuschel-Call zu beachten? Zum einen rückt der Apotheker strikt die Kundenperspektive in den Mittelpunkt und nutzt im Fall der reklamierenden Kundin Formulierungen wie etwa: "Es ist nur natürlich, wenn Sie mit der Situation unzufrieden sind. Wie geht es Ihnen denn heute, einen Tag, nachdem Sie bei uns waren? Können Sie schildern, wie Sie sich heute fühlen?" Ähnliches gilt, wenn der Apotheker mithilfe solch eines Anrufes ein Missverständnis aus dem Weg räumen will: " ... Ich rufe Sie an, weil wir wegen des fraglichen Punktes gestern Erkundigungen eingeholt haben ..."
Allgemein ist festzuhalten: In den Apotheken wird das Telefon viel zu selten eingesetzt, um die Kundenloyalität zu erhöhen. Wenn der Apotheker dies aber möchte, sollten die Anrufe möglichst professionell und am Interesse des Kunden orientiert durchgeführt werden, damit die gewünschte Wirkung und Glaubwürdigkeit auch tatsächlich erreicht wird. In der Wirtschaft gibt es Verkäufer und Berater, die dabei zuweilen so weit gehen, dass sie ihre Stimme in Weiterbildungskursen schulen lassen, um so mit einem Kuschel-Call eine noch größere Wirkung zu erzielen.
Begrüßen – vorstellen – kuscheln
Wichtig ist überdies, dem Kunden die Möglichkeit zu geben, sich auf den Anruf, den Anrufer und den Grund des Telefonats einzustellen. Denn gewiss wird der eine oder andere Kunde zunächst überrascht sein, einen Anruf des Apothekers oder einer Apothekenmitarbeiterin zu erhalten. Wenn er jetzt nicht klar und unmissverständlich darüber aufgeklärt wird, warum das Telefonat erfolgt, kann der Anruf im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv wirken, weil sich der Kunde erschreckt oder gar ängstigt: "Warum rufen die mich denn zu Hause an, ist etwas Schlimmes passiert, habe ich ein Medikament eingenommen, das ich nicht einnehmen sollte?"
Darum ist es von eminenter Bedeutung, den Kunden zunächst einmal zu begrüßen, sich dann vorzustellen und schließlich den Grund des Anrufs deutlich zum Ausdruck zu bringen: "Guten Tag, Frau Kundin, Sie sprechen mit Frau Silke Müller von der Adler-Apotheke. Sie waren ja gestern bei uns, und wir möchten uns gerne bei Ihnen erkundigen, ob ..."
Bei dieser Ansprache hat der Kunde Zeit, sich an die Stimme der Apothekerin zu gewöhnen und sich auf den Menschen auf der anderen Seite der Leitung einzustellen. Denn das menschliche Gehirn benötigt einen Moment, bis "die Leitung steht" – darum darf zu Beginn nicht die wichtigste Information genannt werden.
Verständlich sprechen
Wie bei jedem Gespräch mit einem Kunden sollte auch beim Kuschel-Call eine abstrakte und wenig anschauliche pharmazeutische Fachsprache vermieden werden. Auch dadurch würde die Intention des Anrufs konterkariert werden – Vertrauensaufbau und Beziehungspflege müssen in einer dem Kunden angemessenen Sprache erfolgen.
Entscheidend ist überdies, dass der Kunde nicht den Eindruck hat, hier erledige etwa eine Apothekenmitarbeiterin eine lästige Pflichtaufgabe. Darum muss die Mitarbeiterin sich etwas Zeit für den Anruf nehmen, den Gesprächspartner so oft wie möglich mit angenehmer Stimme namentlich ansprechen – und vor allem zuhören. Wenn der Kunde berichtet, er habe sich wegen der Reklamation immer noch nicht so recht beruhigen können, sollte die Mitarbeiterin nachfragen und den Kunden nochmals ausführlich zu Wort kommen lassen.
Es geht nicht darum, ein Pensum herunterzuspulen. Nur wenn sich die Mitarbeiterin verstehend auf das Gespräch einlässt und der angerufene Kunde dabei im Fokus steht, entwickelt sich ein vertrauensfördernder Dialog.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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