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Wichtiger Schritt für mehr Patientensicherheit
Gefälschte Arzneimittel sind seit einigen Jahren auch in der Europäischen Union (EU) ein ernst zu nehmendes Problem. Um Arzneimittelfälschungen einzudämmen und Patienten besser zu schützen, hat das Europäische Parlament am 16. Februar 2011 die EU-Direktive 2001/83/EG umfangreich erweitert. Diese Erweiterungen, die von den Mitgliedstaaten innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umzusetzen sind, beinhalten vor allem
- die Harmonisierung von GMP (Gute Herstellungspraxis)-Inspektionen
- eine verbesserte Kontrolle der Vertriebskette
- die risikobasierte Einführung von Sicherheitsmerkmalen für verschreibungspflichtige Arzneimittel
- die Regeln für den Internet-Handel mit Arzneimitteln
die Einführung eines europaweiten Frühwarnsystems bei Entdeckung einer Arzneimittelfälschung
Die EU-Kommission hat lange Zeit die Gefahren des Internets als unkontrollierten Umschlagsort für gefälschte Arzneimittel verkannt. Jetzt endlich hat das Europäische Parlament seine Verantwortung für den Patientenschutz wahrgenommen. Arzneimittel dürfen künftig nur noch über genehmigte Internetapotheken bestellt werden, die ein bestimmtes einheitliches Logo tragen und mit einer zentralen europäischen Webseite verlinkt sind. Aus Sicht des ZL und der DPhG stellt diese Vorschrift eine erste Grundlage zur Verbesserung der Patientensicherheit beim Versandhandel dar. Allerdings müssen die Verbraucher darüber informiert werden und sich bewusst machen, wie leicht sich Logos auf Internetseiten nachmachen lassen. Ein falsches Gefühl von Sicherheit könnte fatale Folgen für die Gesundheit haben.
Die Verbraucher müssen daher mit Aufklärungskampagnen auf die Risiken hingewiesen werden, die beim Kauf von Arzneimitteln aus dubiosen Internetquellen drohen. Die DPhG hat schon 2009 gemeinsam mit der ABDA den damaligen "Tag der Pharmazie" dafür genutzt, um die Bevölkerung auf die Gefahren aus dem "Netz" hinzuweisen. Dass solche Initiativen heute wichtiger denn je sind, zeigt die jährlich steigende Zahl an gefälschten Arzneimitteln, die über das Internet vertrieben werden. Leider sind sich die Verbraucher viel zu selten der Risiken bewusst, die sie beim Kauf von Arzneimitteln über das Internet eingehen. Das muss sich ändern, denn nur informierte und sensibilisierte Verbraucher werden dubiose Internetangebote meiden und sich vor gefälschten Arzneimitteln schützen können.
Um Arzneimittelfälschern, oftmals international agierende kriminelle Organisationen, das Handwerk zu legen, bedarf es einer verstärkten europaweiten und internationalen Kooperation. Das auf Vorschlag der deutschen Apothekerschaft in die EU-Direktive aufgenommene Frühwarnsystem könnte sich als sehr effizient erweisen. Sobald ein gefälschtes Arzneimittel in einem EU-Mitgliedstaat entdeckt wird, sollen künftig alle EU-Mitgliedstaaten und alle Akteure in der Lieferkette von der zuständigen Behörde durch eine "Schnellwarnmeldung" unterrichtet werden. Innerhalb von 24 Stunden soll dann die Bevölkerung durch "öffentliche Bekanntmachungen" vor der Arzneimittelfälschung gewarnt und damit vor gesundheitlichen Risiken geschützt werden.
Deutschland nimmt in der legalen Vertriebskette mit seinem strengen Kontrollsystem sicher eine Vorreiterrolle in Sachen Arzneimittelsicherheit ein. Aufgrund der unterschiedlichen innereuropäischen Qualitäts- und Kontrollstandards sind gefälschte Arzneimittel aber in der europäischen Lieferkette ein ernst zu nehmendes Problem. ZL und DPhG unterstützen daher ausdrücklich die risikobasierte Einführung von Sicherheitsmerkmalen für verschreibungspflichtige Arzneimittel, um das Einschleusen gefälschter Arzneimittel in die legale Vertriebskette zu verhindern. ZL und DPhG begrüßen zudem die beschlossene verstärkte Kontrolle der gesamten Vertriebskette inklusive Großhändler und aller im Arzneimittelsektor tätigen Akteure. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Überwachungsbehörden der Länder und die amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstellen (OMCL) genug Personal haben, um eine engmaschige, von der Industrie unabhängige Kontrolle zu gewährleisten.
Im Zeitalter der Globalisierung ist die Sicherheit von Arzneimittelwirkstoffen hinsichtlich Herkunft, Herstellung und Qualität wichtiger denn je. Aus Sicht des ZL und der DPhG sind strengere und falls erforderlich auch unangekündigte Stichprobenkontrollen bei den Produktionsstätten und den Lieferanten von Arzneimittelwirkstoffen unerlässlich, um die Einhaltung der Regeln der Guten Herstellungspraxis (GMP) zu gewährleisten. Die Harmonisierung der GMP-Inspektionen wird wesentlich dazu beitragen, den Zeit- und Kostenaufwand zu reduzieren, und ist daher ausdrücklich zu unterstützen.
Das Europäische Parlament hat mit den beschlossenen Erweiterungen der EU-Direktive den Schutz der Bevölkerung vor gefälschten Arzneimitteln in den Mittelpunkt gestellt. ZL und DPhG fordern, dass die Mitgliederstaaten jetzt zügig handeln und die nationalen Gesetze unbürokratisch anpassen. Dies ist ein wichtiger Schritt für mehr Patientensicherheit, der keinen Aufschub duldet.
Dr. Mona Tawab, Stellvertretende wissenschaftliche Leitung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker
Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, DPhG-Altpräsidentin und Vorsitzende der DPhG-Arbeitsgruppe Arzneimittelsicherheit/Arzneimittelfälschungen
Dr. Michael Stein, DPhG-Geschäftsführer Erika Fink, Präsidentin der Bundesapothekerkammer und Landesapothekerkammer Hessen
Dr. Richard Klämbt, Vorstandsvorsitzender des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker und Präsident der Apothekerkammer Bremen
Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, DPhG-Präsident und Wissenschaftlicher Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker
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