Arzneimittel und Therapie

Hypertonietherapie mit nur einer Tablette täglich

Der organ- und gefäßprotektive Nutzen einer Blutdrucksenkung bei Hypertonikern ist unumstritten. Obwohl eine Vielzahl antihypertensiv wirksamer Medikamente zur Verfügung steht, erreichen sehr viele Patienten nach wie vor nicht den angestrebten Zielblutdruck. Zu den wichtigsten Gründen für das Therapieversagen zählt die mangelnde Adhärenz seitens der Patienten, die mit steigender Tablettenzahl immer mehr zum Problem wird. Während Fixkombinationen aus zwei antihypertensiven Wirkstoffen mittlerweile zur Routine gehören, sollen in Zukunft Dreifach-Fixkombinationen einen Ausweg aus dem Dilemma verschaffen.
Weniger Tabletten Obwohl viele antihypertensive Wirkstoffe verschiedener Substanzklassen zur Verfügung stehen, erreichen Patienten oft nicht den Zielblutdruckwert. Eine Dreierfixkombination soll dazu beitragen, die Therapietreue zu fördern. Foto: somenski - Fotolia.com

Die breite Palette blutdrucksenkender Substanzen ermöglicht heute eine individualisierte Hypertonietherapie. Je nach Grund-, Begleit- und Folgeerkrankungen sollte dabei aus den verschiedenen Substanzklassen ausgewählt und soweit nötig auch kombiniert werden. Hierbei spielen organ- und gefäßprotektive Effekte der Wirkstoffe ebenso eine wichtige Rolle wie deren Verträglichkeit. Die geeignete Zusammensetzung der antihypertensiven Therapie und die Dosierung der einzelnen Komponenten richtet sich insbesondere auch nach der Höhe des Ausgangsblutdruckes, dem individuellen Risikoprofil und dem Alter des Patienten. So ist man heute von der pauschalisierenden Vorstellung abgerückt, der Blutdruck sei um so besser eingestellt, je niedriger er liege. Bereits in der HOT-Studie (Hypertension Optimal Treatment) konnte gezeigt werden, dass ein Blutdruck von 134/83 mmHg als optimal einzuschätzen ist. Für ein allgemein gültiges Therapieziel unter 130/80 mmHg oder gar 120/80 mmHg gibt es hingegen keine Evidenz. Bei derart intensiv behandelten Patienten wurde in jüngsten Studien wie der ACCORD-Studie (ACtion to COntrol cardiovascular Risk in Diabetes) sogar ein Anstieg der Mortalität gesehen. Dies betraf in erster Linie die Gruppe von Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die zuvor nicht revaskularisiert worden waren. In der HYVET-Studie (HYpertension in the Very Elderly Trial) stellte sich bei hochbetagten Hypertonikern über 80 Jahren ein systolischer Blutdruck von 146 mmHg als optimal heraus.

Aggressive Blutdrucksenkung schützt Hirn und Niere

Auf der anderen Seite gibt es aus Studien zahlreiche Hinweise auf organprotektive Effekte einer sehr aggressiven Blutdrucksenkung, wenn eine chronische Niereninsuffizienz und/oder ein erhöhtes Schlaganfallrisiko im Vordergrund stehen. Insbesondere bei Vorliegen einer ausgeprägten Proteinurie erscheint eine Absenkung der Blutdruckwerte unter 130/80 mmHg bzw. sogar unter 125/75 mmHg geeignet zu sein, die Nierenfunktion zu stabilisieren. Bei isolierter Betrachtung des Apoplexierisikos profitieren gefährdete Patienten ebenfalls von einer sehr starken Blutdrucksenkung. Für eine Absenkung der systolischen Werte unter 120 mmHg konnten protektive Effekte auf das Gehirn auch durch aktuelle Untersuchungen bestätigt werden, die einen linearen Zusammenhang zwischen der Blutdruckhöhe und dem Nachlassen der kognitiven Funktion aufgezeigt hatten.

Organprotektion bei guter Verträglichkeit

Als Kombinationspartner in der Hypertonietherapie kommen in erster Linie Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS), Calciumantagonisten vom Dihydropyridintyp und Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid (HCT) infrage.

  • Von einer Angiotensin-II-Hemmung erwartet man eine positive Beeinflussung der Atherosklerose-Entstehung in mehrfacher Hinsicht. So sollen oxidativer Stress und inflammatorische Aktivität im Gefäßendothel vermindert und der endothelialen Dysfunktion sowie der Umgestaltung des Gewebes entgegengewirkt werden. Der Angiotensin-II-Inhibitor Olmesartan ist bezüglich dieser Aspekte gut dokumentiert. Neueren Daten zufolge gelang es mit diesem Sartan, das Atheromvolumen in geschädigten Gefäßen zu reduzieren. Ferner zeigte sich im Gegensatz zur Behandlung mit dem Betablocker Atenolol ein Rückgang des Remodellings in Arteriolen. Insgesamt wird so einer Gefäßsteifigkeit entgegengewirkt, die mit forschreitendem Alter im Sinne eines Circulus vitiosus zur Progression der Hochdruckkrankheit und der Atherosklerose beiträgt.

  • Für Calciumantagonisten vom Dihydropyridintyp sind ebenfalls neben potenter Blutdrucksenkung gefäßprotektive Eigenschaften dokumentiert. Mit einem anderen Wirkmechanismus als dem der Sartane beeinflussen auch sie Entwicklung und Ausmaß bereits bestehender koronarer Plaques. Dabei steht die Minderung des oxidativen Stresses im Vordergrund der positiven Effekte. Nachgewiesen ist ferner eine Verbesserung der endothelabhängigen Vasodilatation bei Hypertonikern.

  • Wird der angestrebte Zielblutdruck trotz kombinierter Gabe von zwei Antihypertensiva nicht erreicht, hat die weitere Blutdrucksenkung absolute Priorität. Hierbei ist der Einsatz eines HCT-Diuretikums unverzichtbar.

Alle drei Komponenten haben sich bereits in Zweifach-Kombinationen jeweils als gute Partner erwiesen. Für Olmesartan gilt dies insbesondere vor dem Hintergrund seiner starken blutdrucksenkenden Wirksamkeit und seiner hohen Responderrate sowie seiner guten Verträglichkeit auf Placeboniveau und der Tatsache, dass klinisch relevante Arzneimittelinteraktionen praktisch nicht vorkommen. Amlodipin als am umfangreichsten dokumentierter Calciumantagonist hat sich ebenfalls als potenter Blutdrucksenker bewährt. Auch in Kombination mit einem Sartan bewahrt es seine gute Verträglichkeit. Knöchelödeme als am häufigsten auftretende unerwünschte Ereignisse treten unter gemeinsamer Gabe mit einem RAS-Hemmstoff sogar seltener bzw. geringer ausgeprägt auf.

Tripel-Kombination erhöht die Erfolgsquote

In Deutschland erreichen zwei Drittel der behandelten Hypertoniker ihre Zielwerte nicht. In großen Hypertoniestudien hat sich ferner herausgestellt, dass es eher die Regel als die Ausnahme ist, wenn zwei, drei oder sogar vier Antihypertensiva notwendig werden, um in den Zielbereich zu gelangen. So benötigen einer Datamonitor-Erhebung zufolge etwa zwei Drittel aller Hypertoniker in Deutschland mehr als ein Medikament. Ein Drittel der Patienten mit Hypertonie erreicht auch mit einer Zweifach-Kombination nicht den Zielwert. Für diese Patienten und nicht nur erst für sogenannte therapieresistente Hypertoniker stellt eine Tripel-Kombination eine sinnvolle Alternative dar (siehe unten stehendes Interview). In der zwölfarmigen COACH-Studie konnte bereits eine dosisabhängige Überlegenheit der kombinierten Gabe von Olmesartan und Amlodipin gegenüber den Einzelsubstanzen belegt werden. Die TRINITY-Studie zeigte indes die Überlegenheit der Triple-Kombination (Vocado® HCT bzw. Sevicar® HCT) gegenüber allen Zweifach-Kombinationen. Nach zwölf Wochen ließ sich der Blutdruck um 37,1/21,8 mmHg verringern. Dabei konnte der Anteil der Patienten, die ihren systolischen Zielblutdruck unter 140 mmHg erreicht hatten, von 51 bis 59 auf 74% gesteigert werden. Nach 20 Wochen konnten in der BP-Crush-Studie selbst schwer einstellbare Hypertoniker in 85% der Fälle kombinierte Blutdruck-Zielwerte unter 140/90 mmHg erreichen.

Fixkombinationen können Therapiesicherheit bieten

Einer der Hauptgründe für das häufige Therapieversagen besteht in der problematischen Adhärenz der Patienten, die mit der Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten kontinuierlich sinkt. Daneben untergraben häufig notwendig werdende Therapieumstellungen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Nachlässigkeit insbesondere gegenüber schwer einzustellenden Hypertonikern ist nicht selten die Folge. Fixkombinationen bieten demgegenüber eine größere Therapiesicherheit durch Evidenz basierte Zusammensetzung der einzelnen Komponenten und reduzieren die notwendigen Schritte bei der Therapieeskalation. Einer aktuellen Erhebung zufolge lassen sich darüber hinaus die Adhärenzraten durch Fixkombinationen gegenüber einer freien Kombination schon bei zwei Einzelsubstanzen um 21% steigern. Dies korrespondiert im Übrigen nachweislich mit einer verringerten Hospitalisierungsrate. In der Praxis lässt sich eine notwendige Therapieeskalation von einer Zweifach- auf eine Dreifach-Kombination nunmehr durch Umstellung von einer Tablette auf eine andere einmal täglich einfach und übersichtlich darstellen.


Quelle

Dr. Roger Limberg, Berlin; Prof. Dr. Rainer Kolloch, Bielefeld; Prof. Dr. Günter Linß, Oranienburg; Prof. Dr. Danilo Fliser, Homburg/Saar: Pressekonferenz "Zweifach stark, dreifach stärker – Die neue Dreifach-Fixkombination Vocado® HCT", Berlin, 26 Januar 2011, veranstaltet von der Berlin-Chemie AG, Berlin.

Prof. Dr. Hermann Haller, Hannover; Prof. Dr. Jürgen Scholze, Berlin; Prof. Dr. Roland Schmieder, Erlangen: Pressekonferenz "Drei Substanzen für ein Ziel!", München, 24. Februar 2011, veranstaltet von Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München.


Medizinjournalist Martin Wiehl



Prof. Dr. Hermann Haller Foto: M. Wiehl

DAZ-INTERVIEW

Der Zusatznutzen einer Tripeltherapie besteht in der verbesserten Adhärenz


Über Sinn und Stellenwert einer fixen Dreifachkombination in der Hochdrucktherapie sprachen wir mit Prof. Dr. Hermann Haller, Leiter der Abteilung Nephrologie an der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

DAZ: Fixe Kombinationen aus zwei Antihypertensiva gehören schon lange zum festen Bestandteil des Arsenals in der Hochdruckbehandlung. Die pharmazeutische Industrie hat nun auch Tripeltherapien als Fixkombinationen eingeführt. Sehen Sie darin eine echte Innovation oder vielmehr eine Strategie zur Vermarktung herkömmlicher Wirkstoffe, die ebenso gut als Einzelsubstanzen verabreicht werden könnten?

Haller: Die Zusammenstellung von drei Wirkstoffen in einer Tablette halte ich für durchaus sinnvoll und angemessen, wenn sie an der richtigen Stelle der Therapieeskalation zur Anwendung kommt. Die Idee dazu ist übrigens nicht ganz neu. Bereits in den 80er Jahren hatten wir insbesondere in Deutschland Zweifach- und auch Dreifachkombinationen sehr häufig in der Hochdrucktherapie eingesetzt. Auch damals hatten wir schon mit Kombinationspräparaten mit verschiedenen Anteilen niedrig dosierter Antihypertensiva gearbeitet. Zum Einstieg in die Hochdrucktherapie sind die Tripelkombinationen mit den heutigen, wesentlich potenteren Wirkstoffen aber sicherlich nicht geeignet.


DAZ: Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Einsatz einer Dreifach-Fixkombination?

Haller: Patienten, die unter einer Zweifachkombination ihren Zielblutdruck nicht erreichen, nach Hinzugabe einer dritten Komponente aber schließlich erfolgreich und stabil eingestellt werden können, sollten aus Gründen der Therapieadhärenz eine entsprechende Fixkombination erhalten.


DAZ: Den Zusatznutzen der Tripelkombination sehen Sie also ausschließlich in der verbesserten Mitarbeit des Patienten am Therapieerfolg?

Haller: Nicht ausschließlich, aber es ist der wichtigste Punkt. Entscheidend ist die richtige Platzierung der fixen Kombination in der Behandlungsstrategie. In der ROADMAP-Studie konnten wir zeigen, dass von rund 5000 Patienten die meisten zwei bis drei Tabletten brauchten, um ihren Zielblutdruck zu erreichen. Das ist unter Studienbedingungen mit einer Erfolgsquote von etwa 80% dann auch gut gelungen. Im Praxisalltag mit einer nicht derart engmaschigen Kontrolle lässt sich solch ein Ergebnis erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten. Hilfreich ist hier alles, was zur Vereinfachung des Einnahmeschemas beiträgt. Und dazu gehört eben auch eine fixe Kombination von drei Wirkstoffen in einer Tablette. Daneben spielt natürlich auch die unterschiedliche Beeinflussung der pathogenetischen Mechanismen der Hypertonie beim Erfolg der Tripeltherapie eine Rolle.


DAZ Für welche Patienten kommt eine Tripeltherapie besonders in Frage?

Haller: Je niedriger der Blutdruck gesenkt werden sollte, desto häufiger wird eine Gabe von drei Wirkstoffkomponenten notwendig sein. Aufgrund der aktuellen Studienlage müssen wir hier stratifizieren. Bei Patienten, bei denen die koronare Herzkrankheit im Vordergrund steht, sollten Werte um 130/80 mmHg angestrebt werden. Zur Verhütung von Schlaganfall und Progression der Nierenerkrankung liegen die Zielwerte unterhalb dieser Schwelle.


DAZ: Welche Komponenten sollten Ihrer Auffassung nach in einer fixen Dreifachkombination enthalten sein?

Haller: Gute Erfahrungen konnten wir bislang sammeln mit Hemmstoffen des Renin-Angiotensin-Systems, insbesondere den Sartanen, mit Calciumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ und mit Diuretika. Für manche Patienten könnte man argumentieren, dass als dritte Komponente ein Betarezeptorenblocker sinnvoll wäre. Für die Zukunft fände ich es sehr spannend, mit Aldosteronantagonisten zu arbeiten. Das erscheint in Kombination mit Sartanen zwar nicht ganz unproblematisch zu sein, von den zusätzlichen Wirkungen auf das Gefäßsystem her gesehen würden sich aber ganz neue Perspektiven eröffnen.


DAZ Herr Professor Haller, vielen Dank für dieses Gespräch!



DAZ 2011, Nr. 9, S. 30

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