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Rösler will pflegenden Angehörigen helfen

BERLIN (dpa). Angehörige pflegebedürftiger Menschen entlasten die öffentlichen Kassen um Milliarden – nun will Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ihnen etwas zurückgeben. Zu große Erwartungen sind allerdings nicht angebracht: Dazu fehlt schlicht das Geld. Der Minister brachte Kuren, Seelsorge und Zuschläge für die Rente der Pflegenden ins Gespräch. Experten reagierten enttäuscht und warnten vor einer Krise in der Altenbetreuung, weil immer weniger Familienmitglieder angesichts der oft kräftezehrenden Aufgabe zur Pflege in der Familie bereit seien.

"Nicht all das, was wünschenswert ist, ist auch finanziell machbar. Unser Ziel ist es, dass Pflege menschenwürdiger wird, als wir sie bisher wahrnehmen", sagte Rösler nach dem zweiten Spitzentreffen mit rund 25 Vertretern der Pflegebranche am Montag in Berlin. Einen Entwurf für die geplante Pflegereform kündigte der Minister bis zur Jahresmitte an. Über die Finanzierung will der FDP-Politiker erst nach weiteren Treffen verhandeln, die in den kommenden Monaten stattfinden sollen. Strittig ist in der Koalition, ob den Bürgern Zusatzbeiträge für einen Kapitalstock für die Zukunft auferlegt werden sollen.

Die bis zu vier Millionen pflegenden Angehörigen sollen laut Rösler zeitlich, organisatorisch, seelisch und finanziell entlastet werden. "Das sind die größten Dienstleister für das gesamte System", lobte er. "Es ist ein Rund-um-die-Uhr-Job." Viele gäben ihren Beruf auf. So sollten die Betroffenen mit ihren Eltern einen Tapetenwechsel durch eine Auszeit nach dem Vorbild von Mütter-Kind-Kuren auf Kassenkosten bekommen können. Wichtig sei "enge räumliche Nähe". Die Kurzzeitpflege mit bis zu vier Wochen im Heim werde nur selten in Anspruch genommen, weil die Pflegenden ihre Angehörigen nicht allein lassen wollten. Zuletzt wurde das Angebot 16.500 Mal im Jahr in Anspruch genommen, was die Kassen 310 Millionen Euro kostete.

Sämtliche Angebote sollten zusammengeführt und bekannt gemacht werden. Bürokratie etwa bei Anträgen müsse abgebaut werden. Sachbearbeiter sollten flexibler über die Bewilligung etwa von Rollstühlen entscheiden können. Gegen seelische Lasten und Konflikte zwischen Pflegenden und den kranken, dementen oder gebrechlichen Menschen solle etwa ein Notfalltelefon zur Seelsorge helfen. Die Pflegekassen sollten zudem einen bestimmten Cent-Betrag pro Versicherten zur Unterstützung von Selbsthilfeorganisationen aufwenden müssen. Rösler deutete an, dass Pflegegeld und Sachleistungen künftig verstärkt zusammen gewährt werden könnten. Pflegezeiten sollten zudem besser bei der Rente angerechnet werden. Mit Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) und anderen Zuständigen werde er über diese Punkte verhandeln.

Pflege-Experte Claus Fussek zeigte sich ernüchtert. "Natürlich reicht das nicht", sagte er. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse die Pflege zur Schicksalsfrage erklären. "Die pflegenden Angehörigen bräuchten eigentlich einen nationalen Rettungsschirm." Zumindest müsse mehr Tagespflege und nächtliche Entlastung kommen. Der Präsident des Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, sagte der dpa: "Wir brauchen bald Greifbares." So müsse geklärt werden, wer im Fall neuer Kuren konkret die Menschen pflegt. Gernot Kiefer, Vorstand des Kassen-Spitzenverbands, mahnte, ob die angedachten Kuren der richtige Weg seien, müsse erst noch geprüft werden. Der Sozialverband VdK forderte, das Pflegegeld sofort anzuheben und regelmäßig steigen zu lassen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte eine Grundsicherung im Alter.

Die Deutsche Hospiz Stiftung mahnte einen Kurswechsel an. "In 20 Jahren gibt es nicht mehr die Töchter, die pflegen, die Partner, die pflegen", sagte Geschäftsführer Eugen Brysch der dpa. Schon heute funktioniere das Pflegesystem nur wegen der Leidensfähigkeit der Angehörigen. Bei Zweifeln an der Einsortierung in eine Pflegestufe riet Brysch zur Klage: "Bohrt das System an – es ist auf Sand gebaut!"



DAZ 2011, Nr. 7, S. 28

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