Fortbildungskongress

"Laufen Sie der Zuckerkrankheit einfach davon"

Die pharmazeutische Betreuung bei Diabetes war das Thema von Prof. Dr. Kurt Hersberger, Basel. Sie beruht auf vier Säulen: Screening und – vor allem beim Diabetes Typ 2 – Früherkennung, die Erstinstruktion bei neuen oder geänderten Therapieregimes, die Prävention und Lösung arzneimittelbezogener Probleme sowie die Complianceförderung und Sicherstellung des Therapieerfolges.
Prof. Dr. Kurt Hersberger Foto: DAZ/ck

Ein Screening sei besonders deshalb notwendig, da die Diabetikerkarriere schon Jahrzehnte vor einer definierten Diagnose beginnt. Der wichtigste Schrittmacher ist – neben dem Rauchen – das Übergewicht. Das manifestiert sich sehr früh, vor der Problematik der Insulinresistenz. Zwar treten auch beim Diabetiker Komorbiditäten auf, doch sie kommen in der Regel etwas später. Vor allem sind dies kardiovaskuläre Erkrankungen, die auch schon vor der Diagnose Diabetes beginnen. Wichtig sei es, sich auf die Phase zu konzentrieren, bevor die Krankheit beginnt, denn Hersberger ist sich sicher, dass der Apotheker auch hier schon präventiv vieles leisten kann. Beim Screening kann das Konzept "metabolisches Syndrom" sehr hilfreich sein, denn es erlaubt ein systematisches Erfassen aller kardiometabolischer Risikofaktoren. Dazu gehört ein Prä-Screening, bei dem das individuelle Risikoprofil des Patienten aufgezeichnet wird: Messung des Bauchumfangs, Aufnehmen der Familienanamnese und des Bewegungsstatus, Rauchgewohnheiten erfragen. Neben einem Blutglucosescreening sollte auch über die Bestimmung von Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceride nach einer Dyslipidämie gescreent werden.

Screenen Sie die Jüngeren!

Das Hauptaugenmerk müsse man dabei in der Apotheke auf die Jüngeren richten. Wenn bei Älteren ein Diabetes gescreent wird, so ist die Zeit, die diese mit der Krankheit noch leben, kürzer. "Das lohnt sich kaum", so Hersberger. Wichtiger sei es, junge Menschen zu motivieren, ihren Lebensstil zu ändern, "sie in Bewegung zu bringen". Es gibt Evidenz dafür, dass eine Lebensstiländerung erfolgreich das Diabetesrisiko reduzieren kann. Nachgewiesen sind signifikante und klinisch relevante Auswirkungen von Rauchstopp und Sport auf den HbA1c-Wert und das kardiovaskuläre Risikoprofil. Als Diabetesprävention wird zu 150 Minuten körperlicher Aktivität pro Woche geraten, in Einheiten von mindestens 30 Minuten. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass regelmäßiges Laufen, drei- bis viermal in der Woche mit maximal zwei Tagen Pause dazwischen, optimal ist. Man könne dem Diabetes regelrecht davon laufen, so Hersberger. Neu nachgewiesen wurde auch, dass Krafttraining unter Anleitung wirkt. Dem Patienten müsse ein Monitoring angeboten werden, mit dem ihm über geänderte Ernährung und sportliche Aktivitäten die Dynamik der Krankheitsgeschehens nahegebracht wird.

Polymedikationscheck: auf Compliance fokussieren

Vor allem bei der Erstinstruktion werden die Grundlagen für den zukünftigen Therapieerfolg geschaffen. Der Patient muss verstehen, was Diabetes ist und wie Insulin wirkt. Nur so kann er sensibilisiert werden für die Therapieziele, die Blutzuckerselbstkontrolle und die medikamentöse Therapie. Er sollte in der Apotheke geschult werden im Erkennen der Alarmsymptome für Hypo- und Hyperglykämie und auch entsprechende Notfallmaßnahmen kennenlernen.

Hersberger stellte als ein Instrument der Schweizer Apotheken den Polymedikationscheck vor. Es handelt sich dabei um ein klar strukturiertes Protokoll, in das der Apotheker gemeinsam mit dem Patienten alle Medikationsdaten (Dosierungsregime der verordneten Arzneimittel, Präparate der Selbstmedikation usw.) einträgt. Vermerkt wird z. B. auch, ob der Apotheker ausführlich zu Neben- und Wechselwirkungen beraten hat. Dieses schriftliche Fixieren kann als eine Art von Kontrolle durch den Apotheker helfen, die Compliance des Patienten positiv zu beeinflussen. In regelmäßigen Abständen können zudem mit vier einfachen Fragen arzneimittelbezogene Probleme erkannt, die Compliance gefördert und der Therapieerfolg sichergestellt werden:

1 Wissen Sie, wie Sie dieses Medikament nehmen müssen?

2. Wissen Sie, weshalb Sie dieses Medikament nehmen müssen?

3. Haben Sie Probleme mit der Handhabung?

4. Vergessen Sie manchmal Ihre Tabletten zu nehmen?

In der Schweiz können die Kosten für diese Leistung im Zusammenhang mit der Abgabe verschriebener Medikamente, wie auch der Einsatz eines Wochen-Dosiersystems für jeweils drei Monate, mit Einverständnis des Patienten – maximal zweimal jährlich – zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden.


ck



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DAZ 2011, Nr. 7, S. 92

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