- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 7/2011
- Jährlich fast 60.000 neu...
Arzneimittel und Therapie
Jährlich fast 60.000 neu erworbene Infektionen
Zu den häufigsten Komplikationen eines Krankenhausaufenthaltes gehören Infektionen. Sie erhöhen sowohl die Komplikations- als auch die Sterberate. 1996 wurde daher vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ) ein Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) entwickelt, mit der Stationen und Abteilungen in die Lage versetzt werden sollten, nach einer einheitlichen Methode eine Überwachung nosokomialer Infektionen durchzuführen, die die wichtigsten Einfluss- und Risikofaktoren berücksichtigt und somit orientierende Vergleiche ermöglicht. An diesem Instrument für die Qualitätssicherung in Krankenhäusern beteiligen sich mehr als 800 Krankenhäuser und 586 Intensivstationen in Deutschland. Sie liefern Daten zur Häufigkeit von nosokomialen Infektionen und deren Erregern sowie zum Auftreten von Erregern mit besonderer epidemiologischer Relevanz.
ESBL-Keime als zunehmendes ProblemESBL ist die Abkürzung für Extended-Spectrum Betalactamase und steht für eine erweiterte Resistenz gegenüber bestimmten Antibiotika. Bakterien, die eine ESBL bilden, können nahezu alle β-Lactam-Antibiotika inaktivieren. Hierzu gehören Penicilline, Cephalosporine (einschließlich Drittgenerations-Cephalosporine; z. B. Cefotaxim, Ceftriaxon und Ceftazidim) sowie Aztreonam. Diese Resistenz tritt bei gramnegativen Bakterien aus der Gruppe der Enterobacteriaceae auf, insbesondere bei E. coli und Klebsiella pneumoniae, aber auch bei anderen Keime aus dieser Gruppe wie Enterobacter, Citrobacter und Proteus. Die für ESBL kodierenden Gene sind nicht selten zusammen mit weiteren Resistenzgenen auf Plasmiden lokalisiert, die wiederum auch auf andere gramnegative Bakterien übertragen werden können. Bis heute sind mehr als 150 verschiedene ESBL-Varianten bekannt und durch neue Mutationen kommt es zu einer stetigen Zunahme. Bei ESBL-Bildnern kommt es zu einer Verlängerung der Liegedauer, erhöhter Letalität bei septischen Patienten und in mehr als 50% der Fälle zu einem Therapieversagen bei deren Behandlung. Typische Infektionen, die durch ESBL-Bildner verursacht sein können, sind Harnwegsinfektionen, intraabdominale Infektionen, nosokomiale Pneumonien und Katheter-assoziierte Infektionen. |
Verändertes Erregerspektrum
Eine aktuelle Zusammenfassung zu Infektionen in deutschen Krankenhäusern zeigt veränderte Tendenzen für die letzten Jahre auf. Von Januar 2005 bis Dezember 2009 sind insgesamt Meldungen von mehr als 1,6 Millionen Intensivpatienten in die Referenzdaten eingegangen. Hochrechnungen auf der Basis der KISS-Daten zu nosokomialen Infektionen ergeben eine Häufigkeit von jährlich 57.900 neu erworbenen Infektionen auf Intensivstationen in Deutschland. Der Anteil der Intensivpatienten mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) ist dabei seit Jahren konstant. Zur Resistenzsituation von Staphylococcus aureus liegen ebenfalls Daten der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) vor. Feststellbar ist in beiden Systemen, dass MRSA inzwischen sowohl als Resistenzrate in den PEG-Daten als auch populationsbezogen in KISS ein stabiles Niveau erreicht zu haben scheinen. Die Häufigkeit von Patienten mit VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) und ESBL (Extended-Spectrum Betalactamase)-bildenden Bakterien wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae hingegen steigt demgegenüber stark an. Auch ist das Risiko für einen Neuerwerb einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö (CDAD) im Krankenhaus mittlerweile höher als das für den eines MRSA.
Die Autoren folgern, dass sich hier Problembereiche abzeichnen, deren Entwicklung besonders aufmerksam verfolgt werden sollte. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, werden die Möglichkeiten einer Erreger-Surveillance im KISS ab dem Jahr 2012 erweitert.
Quelle
Geffers, C. u. Gastmeier, P.: Nosokomiale Infektionen und multiresistente Erreger in Deutschland: Epidemiologische Daten aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System. Dtsch. Aerztebl. Int. 2011; 108(6): 87 – 93.
Dr. Hans-Peter Hanssen
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.