Fortbildungskongress

Die Rolle der Inkretine bei Typ-2-Diabetes

Die Insulinausschüttung wird nicht nur über den Anstieg des Blutzuckerspiegels reguliert, sondern auch auf neuronalem und hormonellem Weg. Dabei spielen zwei intestinale Hormone, das gastric inhibitory polypeptide (GIP) und das Glucagon like peptide (GLP-1) eine wichtige Rolle. Sie werden auch als Inkretine bezeichnet. Bei Typ-2-Diabetes werden sie vermindert gebildet. Mit GLP-1-Analoga und DDP-4-Inhibitoren kann an dieser Stelle therapeutisch eingegriffen werden. Wie, das erläuterte Dr. Eric Martin, Markheidenfeld.
Dr. Eric Martin Foto: DAZ/du

Wird Glucose auf oralem Weg aufgenommen, führt dies zu einer wesentlich schnelleren Insulinausschüttung als nach parenteraler Gabe. Verantwortlich dafür ist der sogenannte Inkretin-Effekt. Die intestinalen Hormone GIP und GLP-1 steigen nach Nahrungsaufnahme an und stimulieren die glucoseinduzierte Insulinfreisetzung der pankreatischen Betazellen (Abb.).

Eingang in die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 hat die Beeinflussung der GLP-1-Wirkung gefunden. Dabei ist von besonderem Interesse, dass GLP-1 nicht nur insulinotrop und betazellprotektiv wirkt, sondern auch die Glucagon-Sekretion und damit die Gluconeogenese in der Leber inhibiert. Darüber hinaus hemmt es die Magenentleerung, was eine verzögerte Glucose-, aber auch eine verzögerte freie Fett- und Aminosäurenresorption zur Folge hat. Von besonderem Interesse für die Therapie des Typ-2-Diabetes ist eine zentrale Hemmung des Appetits durch GLP-1.


Abb.: Freisetzung von Insulin Unter Nahrungsaufnahme stimulieren Glucose und Inkretin-Hormone des Verdauungstraktes (z. B. GLP-1) in der Beta-Zelle die Bildung von ATP bzw. die Aktivität der Proteinkinase A (PKA), welche den Kalium-Kanal verschließen (AC = Adenylatcyclase). Die Zelle depolarisiert (Generierung von Aktionspotenzialen, roter Blitz) und Insulin wird ausgeschüttet. Insulinotrope Wirkstoffe verschließen entweder den Kalium-Kanal (Sulfonylharnstoffe und Glinide) oder stimulieren den GLP-Rezeptor (GLP-1--Analoga wie Exenatid) oder erhöhen die Konzentration von endogenem GLP-1 (DPP-4-Hemmstoffe wie Sitagliptin). [Quelle: Herdegen T: Pharmakologisch – Diabetes mellitus Typ 2. DAZ 2009, Nr. 5, S. 46 – 65]

Subkutane Injektion von GLP-1-Analoga

GLP-1 selbst ist für die Therapie ungeeignet, da es sehr schnell durch die körpereigene Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4) abgebaut wirkt. Daher werden DPP-4-resistentere Analoga eingesetzt. Zugelassen sind Exenatid (Byetta®) und Liraglutid (Victoza®). Sie sind indiziert in Kombination mit Metformin oder einem Sulfonylharnstoffderivat, wenn eine entsprechende Monotherapie mit einem oralen Antidiabetikum nicht den erwünschten Erfolg bringt. Beide GLP-1-Analoga müssen subkutan injiziert werden: Exenatid aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von 2 bis 3 h zweimal täglich, Liraglutid mit einer Halbwertszeit von 13 h nur einmal täglich. Ein Depotpräparat von Exenatid, das nur einmal wöchentlich gegeben werden muss, befindet sich in klinischer Prüfung.

Orale Therapie mit DPP-4-Inhibitoren

Eine weitere Möglichkeit, in das Inkretinsystem einzugreifen, ist die Hemmung des GIP- und GLP-1-abbauenden Enzyms DPP-4. Dadurch kann die Halbwertszeit der körpereigenen Inkretine verlängert werden. Für die Therapie des Typ-2-Diabetes stehen die auch als Gliptine bezeichneten DPP-4-Hemmstoffe Sitagliptin (Januvia®), Vildagliptin (Galvus®, Jalra®) und Saxagliptin (Onglyza®) in oraler Form zur Verfügung. Im Gegensatz zu den GLP-1-Analoga sind sie jedoch schwächer wirksam, was sich in einer geringeren durchschnittlichen Senkung des HbA1c-Wertes zeigt. Sie liegt bei GLP-1-Analoga zwischen 0,8 und 1,1%, bei Gliptinen zwischen 0,5 und 0,8%. Die schwächere Wirksamkeit spiegelt sich auch in der Gewichtsneutralität der Gliptine wider, während GLP-1-Analoga zu einer Gewichtsreduktion von 2 bis 3 kg nach sechs Monaten und über 5 kg nach 3 Jahren führen. Dafür muss unter GLP-1-Analoga bei nahezu jedem zweiten mit gastrointestinalen Störungen wie Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen gerechnet werden. Diese Nebenwirkungen sind unter Exenatid stärker ausgeprägt als unter Liraglutid. Den Patienten wird geraten, langsam kleinere Portionen zu essen. Unter Liraglutid und Exenatid sind Fälle von Pankreatitis aufgetreten. Daher muss bei abdominellen Schmerzen unter der Therapie mit den GLP-1-Analoga an diese Möglichkeit gedacht werden. Pankreatitis und Risikofaktoren für eine Pankreatitis sind Kontraindikationen für eine GLP-1-Analoga-Therapie.

Bei DPP-4-Inhibitoren stehen Kopfschmerzen, eine erhöhte Inzidenz von Harnweginfekten und Nasopharyngitis auf der Nebenwirkungsliste. Unter Vildagliptin sind in sehr seltenen Fällen Leberfunktionsstörungen verzeichnet worden. DPP-4-Inhibitoren sind bei mäßiger bis schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert. Mit einer Hypoglykämie ist bei Vertretern beider Gruppen nur in Kombination mit Sulfonylharnstoffen zu rechnen. Nachteile sowohl der GLP-1-Analoga-Therapie als auch einer Therapie mit DPP-4-Hemmern sind die fehlenden Langzeiterfahrungen und der hohe Preis.


du


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DAZ 2011, Nr. 7, S. 90

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