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Arzneimittel und Therapie
Zweifelhafter Nutzen und Komplikationen unter Bevacizumab
Bevacizumab (Avastin®) ist ein monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der Immunglobuline (IgG1), der gegen den Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) gerichtet ist und der in der Krebsimmuntherapie eingesetzt wird. Er wirkt als Angiogenese-Hemmer, der die Gefäßneubildung (Angiogenese) hemmt. Seit Januar 2005 ist Bevacizumab in Kombination mit einer intravenösen Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarm- und Enddarmkrebs zugelassen.
Erhöhte Gefahr von tödlichen Nebenwirkungen
Bei der Einführung von Bevacizumab wurde das Medikament noch geradezu euphorisch als "Meilenstein in der gezielten Krebstherapie" bezeichnet. Die durchschnittliche Überlebensdauer bei Darmkrebs konnte unter der Bevacizumab-Therapie um fast fünf Monate (von 15,6 auf 20,3 Monate) verlängert werden. Das mediane progressionsfreie Überleben verbesserte sich hochsignifikant um 4,4 Monate, was einer Steigerung von 71% entspricht.
In der Folgezeit blieb das Medikament jedoch hinter den Erwartungen vieler Onkologen zurück. Obwohl Bevacizumab in den ersten klinischen Studien die Tumoren deutlich verkleinerte, waren die Auswirkungen auf das Gesamtüberleben gering. Für das Nierenzellkarzinom und das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom waren die Vorteile gering, und das Gesamtüberleben beim Mammakarzinom war gegenüber einer alleinigen Chemotherapie gar nicht verlängert.
Eine Erklärung könnten tödliche Nebenwirkungen (fatal adverse events, FAE) sein, deren Häufigkeit jetzt in einer Metaanalyse neu berechnet wurde. Insgesamt wurden 16 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 10.217 Patienten ausgewertet, die eine Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab erhalten hatten. Danach steigerte das Medikament die Rate der schweren Nebenwirkungen von 1,7 auf 2,5%. Das Risiko war bei allen Krebserkrankungen gleich, hing aber von der Art der Chemotherapie ab. Bei Taxanen stieg die Zahl von 1,0 auf 3,3%, für alle anderen Chemotherapeutika konnte kein signifikanter Anstieg festgestellt werden.
Die häufigsten tödlichen Nebenwirkungen waren Blutungen (23,5%), Neutropenien (Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut) mit tödlichen Infektionen (12,2%), gastrointestinale Perforationen (7,1%), Lungenembolien (5,1%) und zerebrovaskuläre Ereignisse (5,1%). Der Anstieg von schweren Nebenwirkungen stellt den jetzigen Einsatz bei metastasierenden Erkrankungen jedoch nicht infrage. Ausschlaggebend ist hier die Aussicht auf eine Verlängerung der Lebenszeit. In der adjuvanten Chemotherapie, wo bisher in Studien kein Nutzen (gynäkologische Tumoren) oder eher eine negative Wirkung (Darmkrebs) aufgetreten sind, müsste Bevacizumab vermutlich längerfristig eingesetzt werden. Damit würden dann allerdings wohl auch die Behandlungsrisiken steigen.
Quelle
[1] Ranpura, V.; et al.: Treatment-Related Mortality With Bevacizumab in Cancer Patients: A Meta-analysis. JAMA (2011) 305(5): 487 – 494.
[2] Hayes, D.F.: Bevacizumab Treatment for Solid Tumors: Boon or Bust? JAMA (2011) 305(5): 506 – 508.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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