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Arzneimittel und Therapie
Heidelberger Wissenschaftler entdecken neues Krankheitsbild
In einer jetzt veröffentlichten Studie der Neurologen Dr. Jörn Pomper und Prof. Dr. Thomas Haarmeier vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung des Tübinger Universitätsklinikums werden die spezifischen Symptome eines neuen Krankheitsbildes beschrieben. Der Patient hatte sich zunächst mit Schmerzen aufgrund häufiger Blasenentzündungen vorgestellt. Die ausführliche Untersuchung offenbarte nicht nur eine schwere Blasenentleerungsstörung. Extrem weite, auf Licht und Nähe nicht reagierende Pupillen legten eine Systemerkrankung des vegetativen Nervensystems nahe. Die augenärztliche Untersuchung wies eine Störung der Informationsübertragung vom Nerven auf den die Pupillenweite steuernden Muskel nach. Neben der gestörten Blasenentleerung und Pupillenmotorik wurden bei einer umfangreichen Untersuchung des vegetativen Nervensystems eine verminderte Schweißsekretion und ein leichtes Untergewicht festgestellt. Diese Symptomkombination ließ auf einen Defekt des muskarinergen Rezeptors Subtyp 3 schließen. Muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren sind membranständige Rezeptoren des parasympathischen Nervensystems, die den Neurotransmitter Acetylcholin binden, aber auch von Muskarin aktiviert werden können. Diese Rezeptoren mit fünf Subtypen (M1 bis M5) gehören zur Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren.
Die Folgerung, dass ein Defekt des muskarinergen Rezeptors Subtyp 3 ursächlich sein könnte, wurde unterstützt durch eine Übereinstimmung des Krankheitsbildes mit den Merkmalen genveränderter Mäuse, die über diesen Rezeptor nicht verfügen. Mit molekularbiologischen Methoden gelang der Nachweis einer erheblich verminderten Konzentration des Rezeptors bei dem Patienten. Funktion und medizinische Bedeutung des Muskarin-Rezeptors Subtyp 3 betreffen sowohl den Kreislauf, Schweißsekretion und die Genitalien als auch Bronchien und Belegzellen des Magens. Die Autoren sind von einer weitreichenden Konsequenz ihrer Befunde für die pharmakologische Forschung überzeugt: Der Rezeptor sei bei verschiedenen Erkrankungen wie Glaukom, Blasenentleerungsstörungen und Übergewicht als therapeutischer Angriffspunkt geeignet. Zudem könnten Nebenwirkungen von Psychopharmaka, die auch auf den Rezeptor Einfluss nehmen, besser abgeschätzt werden.
Quelle
Pomper, J.; et al.: A novel clinical syndrome revealing a deficiency of the muscarinic M3 receptor. Neurol. (2011) 76(5): 451 – 455.
Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hertie-Institut für klinische Hirnforschung: Neues Krankheitsbild entdeckt. Mitteilung vom 3. Februar 2011.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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