Feuilleton

Pillen oder Pinsel?

(diz). 1976 übernahm Rudolf Kley mit 30 Jahren die Leitung der Löwen-Apotheke in Duisburg-Meiderich. 1977 gründete er in Meiderich die Galerie 77 und 1978 die Kulturwerkstatt Meiderich. Pharmazie, Gesundheit und Kunst sah er immer ganzheitlich. Inspiriert durch den Umgang mit Künstlern, begann er wieder zu malen. 1982 wurden Werke von Rudolf Kley auf der Art 13 in Basel gezeigt. 1985 kam Rudolf Kley mit der längsten abstrakten Bildfolge ins Guinnessbuch der Rekorde. Am 22. Dezember 2011 wird Kley 65 – und die Malerei hat ihn noch immer fest im Griff. Von seinem Beruf kann sich der Apotheker aber auch nach 35 Jahren Selbstständigkeit noch nicht trennen. Wie hat er doch vor zwei Jahren in einem Interview gesagt: "Ich arbeite, solange ich kann, kriege keine Rente. Ich habe viel Phantasie, aber unter nix tun kann ich mir nix vorstellen."
Fotos: privat
Rudolf Kley fand bereits in den 70er Jahren zur Kunst.

DAZ:

Apotheker, Maler, Aktionskünstler. So beschreiben Sie sich in der ersten Zeile auf Ihrer Hompage www.deapo.de. Wofür schlägt Ihr Herz am meisten?

Kley: Das ist situationsbedingt. Der Apothekenberuf lässt einem ja nicht mehr viele Möglichkeiten. Was da passiert, erhöht höchstens den Puls und führt zu Rhythmusstörungen. AMNOG, die Retaxationswelle. Das ist alles nicht mehr normal. Da werden bei der Apothekenbetriebsordnung von der ABDA Klimmzüge gemacht, um dem Berufsstand eine Existenzberechtigung zu geben, statt sich am Normalbetrieb zu orientieren. Der hat doch in der Vergangenheit die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ganz gut gewährleistet. Wie die Sintflut kommt der Bürokratismus über uns. Immer wieder habe ich mich dafür stark gemacht, die untauglichen Dinge, die dem Patienten nur Sand in die Augen streuen, aus dem Apothekensortiment ersatzlos zu entfernen. Bach-Blüten, was soll das? Die Ärzteschaft wird aufgefordert, mehr Placebo zu verordnen. Eine Stellungnahme unserer Standesvertretung dazu vermisse ich. Da kann man ja gleich den "Scheiß des Monats" wieder auspacken.

Bei der Malerei sind die künstlerischen Pausen länger geworden. Dafür prüfe ich einmal öfter, ob ich das wirklich machen will. Mit 65 Jahren ist Zeit kostbar geworden.


DAZ:

Sie hatten auch einige Aktionen gemacht …

Kley: Aktionen habe ich oft im Zusammenhang mit meiner Malerei gemacht. Mein Guinness rekord 1985, die 1100 Meter lange Bildfolge. Den Anfang des Guinnessrekordwerkes habe ich ja 1982 im Rahmen meiner Ausstellung auf dem Apothekertag in Düsseldorf gezeigt. Das war pure Malerei und drum herum die Aktionen, die das Werk bekannt gemacht haben. Da haben Genscher und Möllemann unter meiner Regie noch für einen Platz an der Sonne gemalt.


DAZ:

Ins Gespräch kamen Sie auch mit den Luftpumpen. Gibt es irgendwann ein Luftpumpenfeld?

Kley: Froh bin ich darüber, dass es mit meinem gelben Luftpumpenfeld zur Loveparade in Duisburg nicht geklappt hat. 30.000 Luftpumpen wären sicher der Hammer gewesen. Die für den Aufbau erforderlichen 5000 Sinalco-Kästen waren mir zugesichert worden. Die Aktion konnte vom Veranstalter aber organisatorisch nicht eingebunden werden. Was wäre der Erfolg aber verglichen mit den Toten gewesen? Langsam greife ich die Idee wieder auf. Was mich ein Vierteljahrhundert getragen hat, kann einfach nicht schlecht sein.


DAZ:

Der "Scheiß des Monats". Sie haben sich seinerzeit für den Marburger Kollegen Gregor Huesmann engagiert, der "Haifit"-Haifischknorpelpulver an den Pranger gestellt hatte und vom Hersteller mit einer Schadensersatzklage überzogen wurde. Würden Sie dies heute wieder tun?

Kley: Kommt drauf an. Mich regen immer noch die Dreistigkeit und lügenbehafteten Heilversprechen auf, mit denen völlig überflüssige und nutzlose Dinge an den Mann oder an die Frau gebracht werden. Dafür sollten sich Apotheken zu schade sein. Das ist keine Sache von QMS, sondern Einstellungssache. Der Eifer, mit dem ich seinerzeit die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker mit solchen Ausreißern beschäftigt habe, ist allerdings dahin. Engagement wird im Gesundheitswesen nicht besonders belohnt. Aber man tut es ja auch, um sich weiter in die Augen sehen zu können. Immerhin habe ich vor dem Kollegen Huesmann mit meiner Ausstellung "Nur Arzneimittel sind Arzneimittel" diese Problematik aufgegriffen. Das Fernsehen hat darüber berichtet. Hat sich was geändert? Deshalb Resignation? Keine Ahnung. Vielleicht doch ein gewisser Frust darüber, dass der Gesetzgeber die Apotheker ausbluten lässt, anstatt die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu senken, was drastische Einsparungen nach sich zöge, ohne dass Apotheker in Not geraten würden. Wer kann denn mit der Existenzangst im Nacken noch frei beraten? Ketten sollen es regeln, wenn es nach der SPD geht. Das ist doch alles glatter Wahnsinn. Das ist aber auch das Resultat mangelhafter politischer Betätigung.


DAZ:

Sie betätigen sich auch als eifriger Leserbriefschreiber. Welche Themen haben Sie in der Vergangenheit bewegt? Wie sind die Reaktionen der Kollegen? Wäre diese Zeit nicht besser fürs Malen geeignet?

Kley: Mit den Leserbriefen schreibe ich gegen meine Ohnmacht an. Die schicksalhafte Auslieferung einer Standesvertretung gegenüber, die in der Mehrzahl sicher über eigene, ganz anders strukturierte Apotheken verfügt, deren Existenzkampf damit auch ganz anders aussieht, würde mich sonst krank machen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere Berufspolitik so abgehoben ist, dass es in der Sache um zwei ganz verschiedene Berufe geht. Wie soll sich denn da erst ein Politiker zurechtfinden? Als die ersten "Bitteren Pillen" erschienen, habe ich einsam gefordert, dass wir, die Apotheker, so ein Buch hätten schreiben müssen. Da gab es eine positive Resonanz darauf, eine Zuschrift. Die habe ich heute noch.


DAZ:

Meines Wissens forderten Sie vor einigen Jahren die Aufhebung der Trennung von Arzt und Apotheker. Warum?

Kley: Selbstmedikation in der Apotheke wird nur durch einen Arzt sicherer. Wichtige Fragen zur "Selbstdiagnose" darf nur er stellen. Folglich habe ich die Aufhebung der Trennung zwischen Arzt und Apotheker in der Offizin gefordert. Fachapotheker für Medizin gleich Facharzt für Pharmazie. Laborapotheker in Zentrallabors sollten für mehrere Apotheken flächendeckend die vorgeschriebenen Untersuchungen durchführen. Gesundheitsberatung in der Apotheke sollte es auf Krankenschein geben und zu den Arzneimitteln in der Selbstmedikation Zuschüsse der Krankenkassen. Die Betriebserlaubnis wollte ich an Leistungs nachweise im Rahmen der Fortbildung binden. Das war 1982. Da sah die wirtschaftliche Basis noch anders aus. Wer heute etwas Ähnliches fordert – Approbierte für den Botendienst, krass gesagt – , der will in Wirklichkeit Dreiviertel der Apotheken schließen oder ist unfähig, sich die Folgen auszumalen. Womit wir wieder bei der Malerei wären.


DAZ:

Eines Ihrer letzten Werke nennen Sie "Roter Indianer" und möchte den roten Indianer im Schaufenster jeder Apotheke hängen sehen. Was haben die Kolleginnen und Kollegen denn davon?

Kley: "Roter Indianer" habe ich eine Grafik genannt, zu der mich die BtM-Retaxationen der Novitas BKK animiert haben. Nach meiner Ansicht reicht es nicht, der Novitas die Rote Karte zu zeigen. Die Grafik übernimmt natürlich auch diese Funktion, vor allen Dingen dann, wenn sie überall hängt. Das 70 cm × 100 cm große Plakat lässt sich bei einer Auflage von 5000 Stück für 15 Cent drucken. Die Grafik ist sogar als Zugabe geeignet. Da kann man die Kunden gleich fragen, ob sie in der richtigen Krankenkasse sind. Mehr dazu erfährt man auf meiner Homepage www.deapo.de. Vielleicht ist dieser "Rote Indianer" ein Scout, der neue Wege aufzeigt, oder ein Schamane, der die Novitas an den Verhandlungs tisch zurückbringt. Dann würde jeder, der den "Roten Indianer" an seine Schaufensterscheibe hängt, dazu beitragen, dass wir mit der Novitas die Friedenspfeife rauchen können. Natürlich ist es ein Gerücht, dass der "Rote Indianer" die Novitas an den Marterpfahl binden will. Aber wer weiß: Indianer waren immer auch wilde Gesellen. Wenn es denn vielleicht doch sein muss? Wäre jedenfalls das schönste Geschenk zu meinem 65-jährigen Geburtstag, wenn mir dieser "Rote Indianer" öfter auf der Straße begegnen würde. Jeder Kollege, jede Kollegin kann sich die Datei für das Format 60 cm mal 80 cm direkt von www.deapo.de für einen entsprechenden Ausdruck herunterladen.


DAZ:

Herr Kley, vielen Dank für das Gespräch und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!



DAZ 2011, Nr. 51-52, S. 46

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