DAZ aktuell

Praxistauglich oder ein bürokratisches Monster?

STUTTGART (diz). Seit 1. Januar ist mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) die Mehrkostenregelung in Kraft getreten. Wir fragten auf DAZ.online, wie diese Regelung bei den Patienten ankommt und in den Apotheken gehandhabt wird.
Wie soll man das erklären? Unsere DAZ.online-Umfrage hat gezeigt: Die meisten Kolleginnen und Kollegen finden die Mehrkostenregelung umständlich, für den Versicherten zu teuer und ihm nicht vermittelbar. Foto: DAZ/Schelbert

Seit 1. Januar können GKV-Versicherte gegen Kostenerstattung ein anderes Arzneimittel als das verordnete rabattbegünstigte Arzneimittel oder das nach den Aut-idem-Regeln auszuwählende Arzneimittel erhalten. Sie können also ihr "Wunsch-Arzneimittel" kaufen und sich den Preis durch die Krankenkasse erstatten lassen – abzüglich des Apothekenabschlags und den der Kasse entgangenen Rabatten/Preisvorteilen sowie einer Verwaltungspauschale.

Zum Procedere der Mehrkostenregelung haben die Verbände die Apotheken bereits informiert. Die AOK Baden-Württemberg hat die Apotheken zudem darüber informiert, wie sie den Erstattungsbetrag, den die Kassen ihren Versicherten bezahlen, berechnen können. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hält diese Berechnungsweise allerdings für gesetzeswidrig. Und der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Thomas Ballast, warnt die Versicherten davor, sich in der Apotheke zu einem teureren Medikament überreden zu lassen.

Procedere der Kostenerstattung noch immer offen

Einen Monat nach Inkrafttreten der Regelung ist das genaue Procedere der Kostenerstattung allerdings immer noch offen. Die Einzelheiten müssen der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung vereinbaren. Auch für den Patienten ist noch unklar, welche Rückerstattung er von seiner Krankenkasse bekommt. Rückmeldungen von Apotheken bestätigen: Kaum ein Patient macht derzeit von der neuen Regelung Gebrauch. Was Apotheken generell von dieser Mehrkostenregelung halten, zeigt unsere Umfrage.

73% finden Mehrkostenregelung schlecht

Der Meinung, dass die Mehrkostenregelung umständlich ist, für den Versicherten zu teuer und ihm schlecht bzw. nicht zu vermitteln ist, schlossen sich 73% an. 24% erklären dem Versicherten gerne die Vorgehensweise, wenn er sein "Wunsch-Arzneimittel" möchte. Und nur rund 3% machen den Versicherten aktiv darauf aufmerksam, dass er nun auch gegen Kostenübernahme sein "Wunsch-Arzneimittel" erhalten kann.

Unpraktikabel, nicht vermittelbar, Schwachsinn

Hier einige Kommentare aus der Umfrage, die stellvertretend für viele stehen:

  • "Diese unpraktikable Lösung gehört genauso auf den Müll wie die neue Packungsverordnung und die kommende Reichweitenverordnung!"

  • "Ich schicke die Patienten zur Krankenkasse. Sollen die dort doch mal den Schwachsinn erklären."

  • "Wird in meiner Apotheke nicht forciert und von meinen Kunden auch nicht verlangt."

  • "Habe bisher noch keinen Patienten gehabt, der nach Aufklärung über das Procedere fragte."

  • "Ich werde mir überlegen, in welcher Höhe mein Verwaltungskostenzuschuss ausfallen muss ... und das wird mit Sicherheit in der Höhe des Kassenrabattes liegen müssen!"

  • "In dieser Form wird die Mehrkostenregelung niemals dazu führen, dass Patienten tatsächlich davon Gebrauch machen werden. Die bisher zur Verfügung stehenden Mittel haben bereits ausgereicht, um in begründeten Ausnahmefällen das gewünschte Arzneimittel auch ohne Mehrkosten zu erhalten.

  • "Die Mehrkostenregelung wird künstlich hochgespielt – ich glaube, dass kaum jemand dieses Modell in Anspruch nehmen wird."



DAZ 2011, Nr. 5, S. 20

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