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- DAZ 48/2011
- Husten – eine Bagatelle
Praxis
Husten – eine Bagatelle?
Die Antwort gebenApothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Arbeitsgruppe "Arzneimittelan wendungsforschung", Zentrum für Sozialpolitik, Bremen |
Grundlage für diese Entscheidung des Arztes ist § 13 der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL, siehe Kasten), der die sogenannten "Bagatellarzneimittel" regelt. Damit sind verschreibungspflichtige Arzneimittel gemeint, die im Falle gering fügiger Gesundheitsstörungen nicht zulasten der Krankenkasse verordnet werden dürfen. Zielgruppe dieser Regelung sind Versicherte über 18 Jahre, also Erwachsene. Die Regelung umfasst vier Gruppen:
- Arzneimittel bei Erkältungskrankheiten,
- Mund- und Rachentherapeutika,
- Abführmittel und
- Arzneimittel gegen Reisekrankheit
sowie die entsprechenden Abgrenzungen, ab wann solche Arzneimittel auch für Erwachsene verordnungsfähig sind.
Erkältungskrankheiten und grippale Infekte
Für Erwachsene dürfen keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten verordnet werden. Dies gilt für Schnupfenmittel, Schmerzmittel und Hustenmittel, aber nur dann, wenn es sich um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt. Für eine banale Erkältung, die Kopfschmerzen verursacht, dürfte also kein Ibuprofen 600 oder verschreibungspflichtiges Ibuprofen 400 auf einem Kassenrezept verordnet werden; der Patient müsste vom Arzt auf das freiverkäufliche Ibuprofen 400 verwiesen werden.
Das Gleiche gilt für Codeintropfen oder -kapseln. Handelt es sich um eine einfache Erkältung oder einen grippalen Infekt, der mit einem trockenen Reizhusten einhergeht, ist die Verordnung von Codein für einen Erwachsenen zulasten der Krankenkasse nicht möglich. Verordnungsfähig ist Codein nur dann, wenn der Husten über eine Bagatellerkrankung hinausgeht, wenn etwa aufgrund einer Operation ein ständiges Husten unterdrückt werden muss, um die OP-Narbe nicht zu belasten, bei Rippenfrakturen oder bei einem Lungenkarzinom. Bei Lungenentzündung ist Codein kontraindiziert. In der Praxis wird Codein auch zur Dauertherapie für ältere COPD-Patienten verordnet, obwohl eine relative Kontraindikation besteht. Eine Verordnung zulasten der GKV ist nicht möglich, da es sich um einen Gebrauch außerhalb der Zulassung (Off-label-use) handelt.
Für Jugendliche sind Codeinpräparate verordnungsfähig, da sich § 13 nur auf Erwachsene bezieht.
Im oben beschriebenen Fall wird es sich vermutlich um eine "geringfügige Gesundheitsstörung" gehandelt haben, auch wenn die von nächtlichen Hustenattacken geplagte Mutter, deren Schlaf erheblich gestört ist, die "Geringfügigkeit" wahrscheinlich nicht wirklich zu würdigen weiß.
Mund- und Rachentherapeutika
Auch hier dürfen keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel für Erwachsene verordnet werden, außer in folgenden Fällen:
- Pilzinfektionen (dafür dürfen z. B. Ampho-Moronal® Lutschtabletten verordnet werden).
Geschwürige Erkrankungen der Mundhöhle (z. B. als Nebenwirkung einer Chemotherapie).
- Nach chirurgischen Eingriffen im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich.
Liegt keiner dieser Fälle vor, sind entsprechende Präparate wie Tantum® Verde, das zugelassen ist zur symptomatischen Behandlung von Schmerzen und Reizungen im Mund- und Rachenraum, nicht verordnungsfähig.
Abführmittel
Nur wenige Abführmittel sind überhaupt verschreibungspflichtig, so etwa Movicol® Junior (das hier aber nicht betroffen ist, da es nur für Kinder zugelassen ist) sowie Movicol® V. Dieses wird als Abführmittel sowohl bei banaler Obstipation als auch bei Koprostase (hartnäckige Obstipation mit Kotstau im Rektum und/oder Kolon) eingesetzt. Verordnungsfähig ist Movicol® V aber nur bei den Erkrankungen, die in § 13 AM-RL aufgeführt sind (siehe Kasten).
Verordnungsausschluss verschreibungspflichtiger Arzneimittel§ 13 Verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V (1) Folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel sind nach § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, von der Versorgung ausgeschlossen: 1. Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfen den und hustenlösenden Mittel, sofern es sich um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt. 2. Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen, geschwürigen Erkrankungen der Mundhöhle und nach chirurgischen Eingriffen im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich. 3. Abführmittel außer zur Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Tumorleiden, Megacolon, Divertikulose, Divertikulitis, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Eingriffen, bei phosphatbindender Medikation, bei chronischer Niereninsuffizienz, bei der Opiat- sowie Opioid therapie und in der Terminalphase. 4. Arzneimittel gegen Reisekrankheit (unberührt bleibt die Anwendung gegen Erbrechen bei Tumortherapie und anderen Erkrankungen z. B. Menièrescher Symptomkomplex). |
Ein weiteres verschreibungspflichtiges Abführmittel ist Relistor®, das nur für Palliativpatienten mit Opioidtherapie in der Terminalphase zugelassen ist. Dies ist von der Richtlinie abgedeckt und Relistor® somit in diesen Fällen verordnungsfähig.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit
Einziger verschreibungspflichtiger Vertreter ist hier das Scopoderm®-Pflaster aus der Gruppe der Antiemetika. Dies darf für Erwachsene nicht zulasten der Krankenkasse verordnet werden. Grund für die Verschreibungspflicht ist die Toxizität des Inhaltsstoffes Scopolamin, der insbesondere kleineren Kindern durchaus gefährlich werden kann.
Die anderen Mittel gegen Reisekrankheit sind aus der Gruppe der systemischen Antihistaminika (z. B. Dimenhydrinat), die aber alle nicht verschreibungspflichtig sind. Weitere Antiemetika, die z. B. bei Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika und/oder Bestrahlung eingesetzt werden, oder andere Erkrankungen wie der Menière-Schwindel, sind hier ausdrücklich nicht gemeint. Auch Metoclopramid ist nicht für Reisekrankheit zugelassen und von dieser Vorschrift nicht betroffen.
Die Antwort kurz gefasst
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Autorinnen
Insa Heyde, Stanislava Dicheva, Heike Peters, Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe "Arzneimittelanwendungsforschung", Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen
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