Aus Kammern und Verbänden

Enttäuschung und Entschlossenheit

Tiefe Enttäuschung über die politische Entwicklung im Jahr 2011, aber zugleich große Entschlossenheit zur Durchführung neuer Projekte für die Arzneimittelversorgung waren die Hauptgedanken, die Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am 12. November in Kiel ansprach. Froese kritisierte insbesondere die jüngsten und geplanten Eingriffe in die Arzneimittelpreisverordnung. Obwohl Froese viele Probleme der Apotheken mit großer Deutlichkeit ansprach, zeigte sich der Verbandsvorsitzende kämpferisch. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir uns komplett wiedersehen", sagte Froese mit Blick auf die Mitgliederversammlung des nächsten Jahres.
Fotos: DAZ/tmb
Geschäftsführender Vorstand und Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein (von links): Dr. Kai Christiansen (2. stellvertretender Vorsitzender), Dr. Peter Froese (Vorsitzender), Klaus Rabe (1. stellvertretender Vorsitzender), Dr. Thomas Friedrich (Geschäftsführer).

Das Jahr 2011 werde als "Jahr der Enttäuschung, der Verbitterung und der Wut" in seine persönliche Historie als Verbandsvorsitzender eingehen, erklärte Froese. Noch nie in den zehn Jahren seiner Amtszeit habe er "eine solche Häufung von unverständlichen, maßlosen und wirtschaftlich dramatischen politischen Entscheidungen" erlebt wie 2011. Besonders kritisierte Froese, dass ein bürgerlicher Gesetzgeber "offenbar ohne Verständnis für Zusammenhänge" in das eingespielte und gut funktionierende System der Arzneimittelversorgung durch Apotheken eingreife. Das System werde strukturell so verändert, dass den Apotheken und auch dem Großhandel die Luft zum Atmen fehle.

Probleme mit der neuen Preisbildung

Die zum 1. Januar 2012 vorgesehene Änderung der Preisbildung sei insbesondere deshalb unlogisch, weil sie die Apotheke beim Direktbezug zwinge, ein Honorar von 70 Cent an den Hersteller zu zahlen, obwohl die Apotheke das Risiko für Preisänderung, Verfall und Finanzierung trage. Was soll dies bewirken, außer das eingespielte Gleichgewicht zwischen der Apotheke und ihren Vorlieferanten zu zerstören, fragte Froese. Die neue Preisbildung werde zu einer komplett neuen Struktur der Großhandelskonditionen führen. Für die anstehenden Verhandlungen wies Froese auf das Wesen einer verbindlich vorgeschriebenen Preisverordnung hin. Diese müsse in beiden Richtungen gelten. Daher dürfe es auch keine Zusatzentgelte geben. Außerdem sei angesichts der vielfältigen Eingriffe des Gesetzgebers eine Anpassung des Apothekenhonorars dringend erforderlich, erklärte Froese und verwies auf entsprechende Forderungen der Apotheker auf Bundesebene.


Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein

Probleme mit Krankenkassen

Froese hob die Bedeutung von Kollektivverträgen hervor, die nicht ausgehöhlt werden sollten. Diese seien wichtig für die Patienten, weil sie damit die Leistung in der Apotheke ihrer Wahl erhalten könnten. Selektiv verträge würden die Versorgung nicht verbessern.

Für den Hilfsmittelbereich forderte Froese, zu Festzuschüssen zurückzukehren. Diese seien "die einzig sinnvolle Alternative zu Vertragswillkür und bürokratischem Wahnsinn", so Froese. Im Zusammenhang mit Retaxationen beklagte Froese die Vorgehensweise externer Dienst leister für die Rezeptprüfung. Diese seien im Sozialgesetzbuch nicht vorgesehen. Die Rezeptprüfung sei Aufgabe der Krankenkassen. Daher sprach Froese den externen Dienstleistern die Legitimation für ihre Tätigkeit ab. Außerdem forderte er die Politik auf, das auf dem Rücken der Patienten ausgetragene System der Rabattverträge zu beenden und stattdessen Festbeträge als einfaches, transparentes und wettbewerbsneutrales Instrument zu nutzen.

Zur Apothekenbetriebsordnung erklärte Froese, es wäre nicht gut, wenn es zwei Apothekentypen gäbe und später vielleicht drei, fünf oder neun. "Die Arzneimittelversorgung ist unteilbar und muss von Vollapotheken durchgeführt werden", so Froese.

"Wirkliche" Probleme

Angesichts der politischen Entwicklung sei es schwer, den Blick nach vorne zu richten, erklärte Froese. Doch die wirklichen Probleme der Arzneimittelversorgung lägen im demografischen Umfeld, bei der Versorgung multimorbider Patienten und bei den 40 Prozent der Arzneimittel, die nicht in der vorgesehenen Weise eingenommen werden. Der Verband habe das Thema in Schleswig-Holstein in die Parteigremien getragen und stehe mit der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes in Vertragsverhandlungen über ein Modell zum Arzneimittelmanagement für das Land, das in einer Region erprobt werden solle. Damit werde die gesetzlich vorgesehene Regelung ausgestaltet. Froese appellierte an die Krankenkassen, sich nicht gegen diese zukunftsweisende Initiative der Ärzte und Apotheker zu sperren. Als weitere Zukunftsperspektive wurde die Arzneimittelauswahl auf der Grundlage genetischer Untersuchungen ausführlich thematisiert (siehe Bericht auf S. 97).


Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein

Aktivitäten des Verbandes

Verbandsgeschäftsführer Dr. Thomas Friedrich wies in seinem Geschäftsbericht auf die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Hamburger Apothekerverein hin, für den er inzwischen auch als Geschäftsführer tätig ist. Die elektronische Vernetzung, Verbindungen auf der Arbeitsebene und die künftig gemeinsame Nutzung der Hilfsmittelstelle "HilmA" würden zu Synergien führen. Friedrich beklagte, dass die Bürokratie im Vertragsmanagement immer weiter zunehme. Er verwies auf die erfolgreiche Arbeit des Verbandes bei der Bearbeitung von Retaxationen, doch hätten diese im laufenden Jahr gegenüber 2010 um mehr als die Hälfte zugenommen.

Wie Froese beklagte auch Friedrich die Arbeit von externen Rezeptprüfungsunternehmen. Diese seien keine Vertragspartner der Apotheken und würden daher auch nicht partnerschaftlich arbeiten. So würden die Krankenkassen ihre Verantwortung auslagern, doch "Vertragspartnerschaft bezieht sich auch auf die Bezahlung der Leistung", so Friedrich.

In der Mitgliederversammlung wurde der Vorstand einstimmig entlastet. Zu den Regularien gehörte auch eine Änderung der Verbandssatzung. Dabei wurden eine Datenschutzklausel eingefügt und die Regeln zur Besetzung der Ausschüsse vereinfacht.


tmb



DAZ 2011, Nr. 46, S. 92

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