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Wille: "Zukunft bringt Chancen und Risiken für Apotheken"

QUEDLINBURG (lk). Angesichts des demografischen Wandels sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Apotheken in Deutschland "insgesamt günstig" entwickeln. Allerdings stecken in den anstehenden Veränderungen der Versorgungslandschaft für die Apotheken nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Risiken. Zu diesem Schluss kam Prof. Dr. Eberhard Wille von der Universität Mannheim in seinem Vortrag "Arzneimitteldistribution vor dornigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" vor dem Quedlinburger Kreis.
Foto: Jürgen R. Draxler
Prof. Dr. Eberhard Wille riet den Apothekern bei seinem Vortrag vor dem Quedlinburger Kreis mit Blick auf die Veränderung im Arzneimittelmarkt genau zu überlegen, welche Forderungen sie daraus an die künftige Honorierung ableiten.

Chancen wie Risiken für die Apotheken sieht Ökonomie-Professor Wille unter anderem in den mit dem Versorgungsstrukturgesetz geplanten Veränderungen an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Die darin vorgesehene Neuordnung der spezialärztlichen Versorgung bietet für Apotheken zahlreiche neue Mitwirkungsmöglichkeiten. "Da entstehen viele positive Chancen", so Wille. Der Grund: Das Versorgungsgesetz stärke die Tendenz zur ambulanten Versorgung. So ist laut Wille die Dauer der stationären Krankenhausaufenthalte in den letzten Jahren bereits gesunken. Im internationalen Vergleich liege die Verweildauer in Deutschland aber immer noch über dem Durchschnitt. Daher könne davon ausgegangen werden, dass sich auch in Zukunft der Trend zur ambulanten Versorgung fortsetze: "Es gibt in Deutschland noch immer deutlich mehr stationäre Operationen als in anderen Ländern." Allerdings: Darin sieht der Ökonomie-Professor auch Risiken für die Vor-Ort-Apotheken, insbesondere in der wachsenden spezialärztlichen Versorgung. Auch für die Krankenhaus-Apotheken böte die spezialärztliche Versorgung interessante Chancen zur Geschäftsausweitung. Das gelte insbesondere für die onkologische Versorgung und für andere Erkrankungen mit individueller und teurer Medikation. "Das haben immer mehr Krankenhaus-Apotheken im Blick", so Wille. Diese versuchten, ihre Kostenvorteile durch mengenmäßig gebündelten Einkauf auszuspielen. Wille rechnet daher in Zukunft mit einem schärferen Wettbewerb zwischen Vor-Ort und Krankenhaus-Apotheken.

Keine Schützenhilfe dürfen die Vor-Ort-Apotheken im Kampf um ihre Zukunftsperspektiven von den niedergelassenen Ärzten erwarten. Wille: "Da hat sich die Lage grundlegend geändert". Inzwischen haben die Ausgabe für Arzneimittel am Gesamt-GKV-Kuchen nämlich einen höheren Anteil als die Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung: Für Arzneien geben die gesetzlichen Kassen gut 19 Prozent aus, für niedergelassene Ärzte nur noch 16,1 Prozent. Vor knapp 20 Jahren hatten die Ärzte im Verteilungskampf noch die Nase deutlich vorn: 17,3 Prozent Ausgabeanteil für Arzthonorare und nur 14,2 Prozent für Arzneimittel.

Grundsätzlich sieht Wille in den nächsten Jahrzehnten weiteres Mengenwachstum auf dem Arzneimittelmarkt: Die demografische Alterungswelle erreicht erst in 40 bis 50 Jahren ihren Höhepunkt. Damit einher geht laut Wille beinahe zwangsläufig ein höherer Arzneimittelbedarf. Nach von Wille präsentierten Daten steigt der Arzneimittelverbrauch bei Personen ab 60 Jahren sprunghaft an und vervierfacht sich im Wert auf bis knapp über 1000 Euro pro Jahr bis zu einem Alter von über 80 Jahren. Allerdings kommt das Mengenwachstum auch in Zukunft nicht automatisch in den Apotheken an. Die Spargesetze im GKV-Bereich sorgten immer wieder für ein Abbremsen. Die mit dem AMNOG beschlossenen Änderungen zum Beispiel bei der Nutzenbewertung und Preisbildung für neue Arzneien kosteten die Apotheken 80 Millionen Euro Umsatz. Hinzu kämen nochmals erhebliche Spareffekte im Generikabereich. Wille riet den Apothekern mit Blick auf diese Veränderung genau zu überlegen, welche Forderungen sie daraus an die künftige Honorierung ableiteten. Einerseits sei das Fixhonorar angesichts der erwarteten Ausweitung des Generikaanteils vorteilhafter. Wille: "Der Fixbetrag koppelt die Apotheken von Strukturkomponenten ab." Andererseits könnten Apotheken vom Trend zur individuelleren und damit in der Regel teureren Medikation über prozentuale Honorarbestandteile stärker profitieren.

Vor überzogenen Erwartungen an die Selbstmedikation warnte Wille. 80 Prozent der GKV-Ausgaben würden von nur 20 Prozent der Bevölkerung verursacht: "Und bei diesen 20 Prozent ist der Anteil sozial schwacher Einkommensgruppen sehr hoch." Willes Fazit: Neben dem GKV-Markt wird es kein dynamisches Wachstum im Gesundheitssektor geben.



DAZ 2011, Nr. 45, S. 24

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