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Marketing
Politik und Krankenkassen werden abgestraft
Über die UntersuchungIm Rahmen einer schriftlichen Befragung ist Prof. Kaapke Projekte der Frage nachgegangen, welche Bedeutung Apothekerinnen und Apotheker dem Verhältnis zu insgesamt 15 unterschiedlichen Marktpartnern beimessen und wie sie die Entwicklung des Verhältnisses zu diesen Partnern in der Vergangenheit beurteilen sowie für die Zukunft einschätzen. Befragt wurden insgesamt 148 Apothekerinnen und Apotheker. |
Pharmazeutischer Großhandel ist wichtigster Marktpartner der Apotheken
Der eindeutig bedeutendste Partner der Apotheken ist der pharmazeutische Großhandel (zur Bedeutung des Verhältnisses zu den Marktakteuren vgl. Abbildung 1). Rund 97% der Befragten bewerten das Verhältnis zu diesem Marktakteur als sehr bzw. eher wichtig. Es folgt das Verhältnis zu den Ärzten, EDV-Dienstleistern und Steuerberatern, das jeweils von rund 90% der Befragten als sehr bzw. eher wichtig bewertet wird. Damit nehmen diese vier Marktakteure eine zentrale Stellung im Netzwerk der Apothekerinnen und Apotheker ein. Sieht man vom Großhandel ab, darf das Ergebnis überraschen, denn – mit Verlaub – Steuerberater und EDV-Dienstleister sind, wie der Name sagt, Dienstleister und damit austauschbar. Sie erbringen Dienstleistungen, die wichtig sind, aber durch andere Anbieter kompensiert werden können, während das Verhalten von Krankenkassen und Politik für Apotheken reglementierend wirkt. Hier haben die Apotheken kaum eine Chance, etwas aus eigenem Antrieb zu verändern, und bedürfen einer starken Lobby, um sich vor unliebsamen und unzulässigen Zugriffen zu schützen.
Den dritten Rang belegen gemeinsam die Krankenkassen und der Apothekerverband: Das Verhältnis zu diesen Marktpartnern schätzen jeweils drei Viertel der Befragten als sehr bzw. eher wichtig ein. Weniger wichtig bewerten die Befragten ihr Verhältnis zur Apothekerkammer. Nur 62,2% der Befragten empfinden das Verhältnis zur Kammer als sehr bzw. eher wichtig. Dies ist insbesondere im direkten Vergleich mit dem wichtiger bewerteten Apothekerverband ein interessantes Ergebnis. Vielleicht kommt in der höheren Bedeutung der Verbände gegenüber den Kammern zum Ausdruck, dass die ökonomischen Fragestellungen für Apotheken eindeutig bedeutsamer geworden sind, Aufgaben, die in erster Linie von den Verbänden wahrgenommen werden.
Ein ähnlich hoher Anteil (61,5%) bewertet das Verhältnis zur Politik als sehr bzw. eher wichtig, und nochmals rund 70% der Befragten ist das Verhältnis zu den Pharmaherstellern sehr bzw. eher wichtig. Das Verhältnis zur Politik wird wohl deshalb noch als hoch bewertet, da die Politik durch ihre gesetzgeberische Kraft maßgeblich die Renditeerwartungen der Apotheken determiniert.
Insgesamt sind es jeweils über 60% der Apothekerinnen und Apotheker, die das Verhältnis zu den genannten Marktpartnern als sehr bzw. eher wichtig bewerten. Trotz Abweichungen im Bedeutungsgrad kann somit an dieser Stelle konstatiert werden, dass das Verhältnis zu allen diesen Akteuren für die befragten Apothekerinnen und Apotheker eine bedeutsame Rolle spielt. Die Reihenfolge überrascht dabei. Es kann nicht abschließend bewertet werden, ob sich aus dem Ergebnis ein gewisser Fatalismus ablesen lässt, der jene Akteure besonders wichtig einstufen lässt, bei denen aufgrund der Möglichkeit zum Wechsel eine besondere Einflussmöglichkeit gegeben ist (Großhandel, Steuerberater, weitere Dienstleister).
Brennpunkte Politik und Krankenkassen
Bei der Frage nach der Beurteilung des Verhältnisses zu den verschiedenen Marktpartnern stechen überraschenderweise und mit deutlichem Abstand die Steuerberater als der am besten bewertete Partner der Apothekerinnen und Apotheker heraus (zur Bewertung des Verhältnisses zu den Marktakteuren vgl. Abbildung 2). Über 80% der Befragten bewerten ihr Verhältnis zu diesem Marktakteur als sehr gut bzw. gut. Platz Zwei in der Gunst der Befragten nehmen die Pharma-Großhändler ein. Rund drei Viertel der Befragten bewerten das Verhältnis zu den Großhändlern als sehr gut bzw. gut. Das beschriebene Verhältnis zum Großhandel darf deshalb als bemerkenswert angesehen werden, da mit Einführung des AMNOG die Anreiz-Praxis seitens des Großhandels insbesondere im Bereich der Rabatte deutlich verändert wurde und die Apotheken darauf zum Teil sehr harsch reagiert hatten. Diese in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals aufgezeigte Verärgerung kommt in den Ergebnissen nicht oder nur sehr eingeschränkt zum Ausdruck. Vielleicht ist das jeweilige Verhältnis zwischen Apotheke und Großhandel im bilateralen Gespräch weit weniger auseinanderklaffend, als es in den zahlreichen Veröffentlichungen, Vorträgen und Verlautbarungen auch der Standesvertretungen den Anschein nahm.
Von den weiteren sieben Marktakteuren, deren Verhältnis eine besonders hohe Bedeutung für die Apothekerinnen und Apotheker besitzt, schneiden außerdem noch die Ärzte, die EDV-Dienstleister und – mit etwas Wohlwollen – der Apothekerverband vergleichsweise gut ab. 58,2% bzw. 64,4% bzw. 54,1% der Befragten bewerten das Verhältnis zu diesen Marktakteuren als gut bzw. sehr gut.
Die verbleibenden Marktakteure, deren Verhältnis von überdurchschnittlicher Bedeutung für die Apothekerinnen und Apotheker ist, erhalten nur eine bestenfalls "durchwachsene" Bewertung. So bewerten weniger als 30% der Apothekerinnen und Apotheker ihr Verhältnis zu den Pharma-Herstellern als sehr gut bzw. gut. Und auch das Verhältnis zur Apothekerkammer scheint Verbesserungspotenzial zu besitzen. Nur 34,0% der Befragten geben an, ein sehr gutes bzw. gutes Verhältnis zur Kammer zu haben. Zum Vergleich: Dem Verband bescheinigt immerhin jeder Zweite, ein sehr gutes bzw. gutes Verhältnis zu ihm zu unterhalten. Somit ist das Verhältnis zur Kammer den Befragten nicht nur weniger wichtig, sondern es wird auch schlechter bewertet als das zum Apothekerverband. Sowohl im Hinblick auf den Verband als auch im Hinblick auf die Kammer bewertet allerdings ein vergleichsweise hoher Anteil der Befragten (21,9% bzw. 25,2%) das Verhältnis als eher bzw. sehr schlecht. Die Institutionen scheinen gewissermaßen zu polarisieren. Da der Kammer für diverse Aufgaben auch ein Exekutivrecht zusteht, kann dieses Ergebnis durchaus auch positive Signale setzen. Entweder der Kammer wird ein striktes Verhalten unterstellt, dann freut dies nicht jeden, insbesondere die nicht, die dadurch schon Strafen bezahlen mussten oder gar kurzzeitig geschlossen werden mussten. Oder aber das Ergebnis bringt zum Ausdruck, dass sich die Apotheken ein noch beherzteres Durchgreifen der Kammern wünschen würden, damit "schwarze Schafe" dem Berufsstand nicht weiter schaden.
Wenig überraschend kristallisieren sich zwei "Brennpunkte" heraus: das Verhältnis zu den Krankenkassen und der Politik. Dieses bewerten 68,9% bzw. 81,8% der Apothekerinnen und Apotheker als eher bzw. sehr schlecht. Das Verhältnis zur Politik bewertet sogar jeder zweite als sehr schlecht. Und jeweils nur rund 5% der Befragten empfinden ihr Verhältnis zu den Krankenkassen und zur Politik als sehr gut bzw. gut. Damit sind diese beiden Marktakteure die derzeit mit Abstand schlechtesten Partner aus Sicht der befragten Apothekerinnen und Apotheker.
Offen gestanden darf dies weder den einen noch den anderen Akteur überraschen. Die Politik hat sich in den letzten Jahren nicht als verlässlicher Partner für die Apotheken aufgedrängt. Im Gegenteil: Außer Fensterreden und Durchhalteparolen, Koalitionspapieren, die den Namen nicht wert sind, und Versprechungen, die nicht eingehalten wurden, haben die Apotheken von der Politik nichts zu erwarten gehabt. Betrachtet man das Verhältnis zu den Krankenkassen, hat insbesondere das jüngste Dilemma mit der AOK das Verhältnis nachhaltig belastet. Was sich deren Repräsentanten sprachlich erlaubt haben, macht sich jetzt in den hier ersichtlichen Ergebnissen bemerkbar. Apotheken des Betrugs zu bezichtigen, obgleich man selbst mit der Nichtlieferfähigkeit des Präparats das Problem ausgelöst hatte, ist nicht nur verblendet, sondern alles andere als kooperativ. Von der AOK hätte man zu Recht eine Problemlösung erwarten dürfen, im Übrigen im Interesse deren Versicherten. Angriff scheint die beste Verteidigung zu sein. Andere Kassen müssen unter diesem Vorfall einen ähnlichen Imageverlust erleiden. Image ist aber ein geborgtes Gesicht, und die Tür, die man selbst zuschlägt, machen in der Regel andere nicht mehr auf. Partnerschaftliches Miteinander sieht anders aus.
Weitere Verschlechterung des Verhältnisses zu Politik und Krankenkassen
Darüber hinaus wurde im Rahmen der Untersuchung gefragt, wie die Apothekerinnen und Apotheker das Verhältnis zu den verschiedenen Marktakteuren jeweils vor fünf Jahren im Vergleich zu heute bewerten (vgl. Abbildung 3) und wie sich das Verhältnis jeweils in fünf Jahren verändern wird (vgl. Abbildung 4). Konsequenterweise verschlechterte sich nach Ansicht der Befragten in den letzten fünf Jahren insbesondere das Verhältnis zu den Krankenkassen. Fast jeder zweite Befragte gibt an, dass das Verhältnis vor fünf Jahren besser war als heute, und rund drei Viertel der Befragten glauben außerdem, dass es sich in den kommenden fünf Jahren noch weiter verschlechtern wird. Auch im Hinblick auf die Politik erwarten die Befragten mehrheitlich (65,7%) eine Verschlechterung des Verhältnisses in den kommenden fünf Jahren. Eine zukünftige Verbesserung des Verhältnisses erwartet sowohl im Hinblick auf das Verhältnis zu den Krankenkassen als auch zur Politik jeweils nur ein verschwindend geringer Anteil (jeweils unter 5%) der Befragten.
Diese düsteren Zukunftserwartungen sind weitgehend unabhängig von der aktuellen Bewertung des Verhältnisses (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6). D. h. nicht nur diejenigen Befragten, die das Verhältnis zu diesen beiden Marktakteuren schon heute negativ bewerten, erwarten auch für die Zukunft eine Verschlechterung. Vielmehr gehen auch diejenigen Befragten, die das Verhältnis derzeit noch als gut oder akzeptabel empfinden, mehrheitlich davon aus, dass sich das Verhältnis in den kommenden fünf Jahren verschlechtern wird.
Die deutlich negativsten Erwartungen für die Zukunft zeigen aber diejenigen Apothekerinnen und Apotheker, die das Verhältnis schon heute als eher oder sehr schlecht bewerten. Von diesen glauben jeweils über 80% bzw. rund 70%, dass sich das Verhältnis zu den Krankenkassen bzw. zur Politik in den kommenden fünf Jahren noch weiter verschlechtern wird. Gehen sie nicht von einer weiteren Verschlechterung aus, erwarten sie mehrheitlich eine Stagnation des schlechten Verhältnisses, keine zukünftige Verbesserung.
Insgesamt kann an dieser Stelle konstatiert werden, dass das Verhältnis der Apothekerinnen und Apotheker sowohl zu den Krankenkassen als auch zur Politik in einer Krise steckt, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist und für die in absehbarer Zeit kein Ende in Sicht scheint. Hier scheint ein besonders wichtiger Hebel auch für die Standesvertretungen zu liegen.
Interessanterweise ist ein ähnlicher Entwicklungstrend bei dem Verhältnis zu den Pharma-Großhändlern zu beobachten: Jeweils mehr als 40% der Befragten geben an, dass das Verhältnis zu diesem Marktakteur vor fünf Jahren noch besser war als heute und es sich in den kommenden fünf Jahren verschlechtern wird. Auch hier erwartet ein beachtlicher Anteil derjenigen Apothekerinnen und Apotheker, die das Verhältnis derzeit noch als gut oder akzeptabel bewerten, in den kommenden fünf Jahren eine Verschlechterung (48,3% bzw. 68,8%) (vgl. Abbildung 7). Damit erscheint das derzeit noch mehrheitlich positiv bewertete Verhältnis zu diesem Marktakteur auf wackeligen Beinen zu stehen. Noch besteht aber die Möglichkeit, altes Vertrauen wieder aufleben zu lassen, da das Verhältnis noch auf eine positive Basis bauen kann und Interventionsmaßnahmen noch einiges wettmachen können. Deutlich weniger Veränderung zeichnet sich im Verhältnis zum Apothekerverband und zur Apothekerkammer ab. Jeweils 71,4% der Befragten geben an, dass sich das Verhältnis in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert hat, und jeweils rund 70% glauben, dass es sich auch in den kommenden fünf Jahren nicht verändern wird. Insbesondere diejenigen Befragten, die ihr Verhältnis zu Verband und Kammer heute als (sehr) gut oder akzeptabel bewerten, gehen davon aus, dass dies auch künftig so bleiben wird (vgl. Abbildung 8 und Abbildung 9).
Auch die Apothekerinnen und Apotheker, die das Verhältnis schon heute als eher schlecht bewerten, erwarten in den kommenden Jahren größtenteils eine Stagnation auf diesem Niveau. Diejenigen, die das Verhältnis heute schon als sehr schlecht empfinden, gehen dagegen mehrheitlich davon aus, dass sich das Verhältnis in den kommenden fünf Jahren noch weiter verschlechtern wird.
Im direkten Vergleich erwartet ein höherer Anteil an Befragten in den kommenden fünf Jahren eine Verschlechterung des Verhältnisses zum Apothekerverband (11,4%) als zur Apothekerkammer (7,9%). Vor dem Hintergrund, dass der Apothekerverband derzeit noch höher in der Gunst der Befragten steht als die Apothekerkammer, könnte dies ein Hinweis auf eine diesbezügliche Angleichung der Verhältnisse sein.
In bester und "stabiler" Ordnung erscheint schließlich das Verhältnis zu den Steuerberatern: Nur rund 12,9% geben an, dass das Verhältnis zu diesem Marktakteur vor fünf Jahren besser war als heute; eine Verschlechterung in den kommenden fünf Jahren erwarten weniger als 5% der Apothekerinnen und Apotheker. Damit sind die Steuerberater die einzigen Marktakteure, die auch langfristig als gute und verlässliche Partner aus Sicht der befragten Apothekerinnen und Apotheker bezeichnet werden können.
Fazit:
Die Ergebnisse sind klar und eindeutig. Was erschreckt, sind die in vielen Punkten schlechten Wertungen, die nicht wirklich hoffnungsfroh stimmen oder beschönigt werden können. Jeder einzelne Apotheker/jede einzelne Apothekerin ist aufgefordert sich einzubringen – vor Ort oder aber in Kammer und Verband. Nur so kann das erodierende Bild des Berufsstandes gestoppt und wieder neu mit Leben gefüllt werden. Apotheken stehen in der Gunst der Verbraucher nach wie vor gut da, sie erbringen an vielen Stellen notwendige und weit überdurchschnittliche Leistungen. Ihr Bild wird schlechter gezeichnet, als es faktisch ist, und ihre Nehmerqualitäten scheinen nunmehr aufgebraucht zu sein. All dies sind Hinweise, die an diversen Stellen weder ungehört noch unkommentiert bleiben dürfen, ansonsten hat man das jeweilige Mandat falsch oder womöglich nicht verstanden. Bedauerlicherweise lässt sich offensichtlich nicht alles durch Wahlen korrigieren.
Prof. Dr. Andreas Kaapke, Nina Kleber, Am Zuckerberg 27, 71640 Ludwigsburg,
E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
Über Prof. Kaapke ProjekteProf. Dr. Andreas Kaapke ist Inhaber einer Professur für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Daneben betreibt er unter dem Label Prof. Kaapke Projekte ein Marktforschungs- und Beratungsunternehmen mit den Schwerpunkten Marketing und Vertrieb. Das Unternehmen ist insbesondere für den Groß- und Einzelhandel sowie damit assoziierte Organisationen und Dienstleister tätig. Außerdem bilden der Apothekenmarkt und seine Akteure einen thematischen Schwerpunkt. Dipl.-Sowi. Nina Kleber ist Mitarbeiterin bei Prof. Kaapke Projekte. |
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