Arzneimittel und Therapie

Drei Frühchen sterben an Klebsiella-Infektion

Drei Frühchen sind im Klinikum Bremen-Mitte an einer Klebsiella-Infektion verstorben, vier weitere Babys sind schwer erkrankt. Insgesamt ist der Keim bei 15 Kindern seit August nachgewiesen worden. Derzeit suchen Experten und Behörden nach der Ursache für die Infektionen. Das Bakterium ist für nosokomiale Pneumonien bei immuninkompetenten stationären Patienten bekannt. Klebsiellen besitzen eine natürliche Resistenz gegen Penicillin G und Ampicillin. Als kritisch wird die Verbreitung ESBL (extended-spectrum beta-lactamases)-bildender Stämme gesehen.
Klebsiella pneumoniae und Klebsiella oxytoca sind die wichtigsten Vertreter der Gattung Klebsiella, die nach dem Mikrobiologen Edwin Klebs benannt ist. Klebsiellen sind unbeweglich, besitzen eine Polysaccharidkapsel und lassen sich auf einfachen Nährmedien leicht kultivieren. Klebsiellen finden sich bei etwa 30% der gesunden Bevölkerung im Gastrointestinaltrakt oder den oberen Atemwegen. Erkrankungen, die durch Klebsiellen verursacht werden, sind vor allem Pneumonie, Sepsis und Harnwegsinfektionen. Der Anteil an nosokomialen Infektionen beträgt ca. 5 bis 10%.

Auf der Frühgeborenenstation in der Frauenklinik des Klinikums Bremen-Mitte sind drei Frühgeborene gestorben, die sich mit einem Keim infiziert haben. Das erste Baby war bereits im August gestorben. Der Keim wurde bei weiteren Kindern nachgewiesen, die zum Teil daran erkrankt sind, ihnen geht es inzwischen aber wieder gut. Die Station ist für Neuaufnahmen gesperrt. Wie das Bremer Klinikum Mitte mitteilte, ist es auf der Frühgeborenen-Intensivstation leider trotz intensiver Ursachensuche immer noch nicht gelungen, die Quelle des Keims zu finden. Es wurde deshalb das auf solche Fälle spezialisierte Robert-Koch-Institut aus Berlin eingeschaltet, das die betroffene Station derzeit untersucht. Außerdem prüft die Staatsanwaltschaft, ob Stationspersonal die Keime eingeschleppt haben könnte.

Gefährliche Stäbchenbakterien

Die Gattung Klebsiella umfasst gramnegative Stäbchenbakterien der Familie der Enterobacteriaceae. Die wichtigsten Vertreter sind Klebsiella pneumoniae und Klebsiella oxytoca Klebsiellen sind unbeweglich, besitzen eine Polysaccharidkapsel und lassen sich auf einfachen Nährmedien leicht kultivieren. Klebsiella pneumoniae ist auch bekannt als Friedländer-Bakterium und gehört zur normalen Darmflora bei etwa 40% der gesunden Bevölkerung. Als Krankheitserreger tritt es bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder bei Schwächungen durch andere Infektionen auf. Erkrankungen, die durch Klebsiellen verursacht werden, sind vor allem Pneumonie (Friedländer-Pneumonie), Sepsis und Harnwegsinfektionen. Seltener sind eine durch Klebsiellen hervorgerufene Endokarditis, Meningitis, Enteritis oder Wundinfektion. Der Anteil an nosokomialen Infektionen beträgt ca. 5 bis 10%. Die wichtigste Übertragung findet über die Hände, in Einzelfällen auch über Flächen in der Umgebung des Patienten, statt. Auch Aerosole, die beispielsweise bei der Absaugung besiedelter Atemwege entstehen, können eine Übertragungsquelle sein.

Bedenkliche Zunahme ESBL-bildender Stämme

Klebsiellen sind von Natur aus resistent gegen Penicillin G und Ampicillin. Ursache dieser natürlichen Resistenz sind Beta-Laktamasen, die durch Beta-Laktamase-Inhibitoren weitestgehend gehemmt werden können. 5 bis 10% der Stämme sind nach der Resistenzstudie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie gegen Fluorchinolone und 10 bis 15% der Stämme gegen Cotrimoxazol resistent. Als kritisch wird die Verbreitung ESBL (extended-spectrum beta-lactamases)-bildender Stämme gesehen, die eine Resistenz gegenüber breit wirksamen Cephalosporinen wie Cefotaxim und Ceftazidim aufweisen. Für die Behandlung von Klebsiella-Infektionen sind vielfach besondere Therapieschemata vorgesehen. So ist für die Behandlung der Klebsiellen-Pneumonie zumeist eine Kombinationstherapie vorgesehen, z. B. mit Cefotaxim plus Gentamicin oder Carbapeneme plus Gyrasehemmer (Ciprofloxacin).

Kein Einzelfall

Die Klebsiella-Infektionen mit Todesfolge in der Neonatologie des Klinikums Bremen-Mitte sind kein Einzelfall. Auch in Hamburg-Barmbek musste die Intensivstation für Frühgeborene im September für rund zwei Wochen komplett geschlossen werden. Im Juli 2011 starben 27 Patienten in niederländischen Krankenhäusern nach einer Klebsiella pneumoniae-Infektion. Nachdem im August 2010 in einer Klinik in Mainz drei Babys gestorben waren, die eine mit Bakterien verunreinigte Nährlösung bekommen hatten, war es zu einem Disput über mangelnde Hygienevorschriften in Krankenhäusern gekommen. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sollen jetzt die gerade erst geänderten Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes erneut überprüft werden. Auch steht diesmal vor allem "eine mögliche grobe Verletzung der Informationspflicht" im Mittelpunkt der Diskussionen.

RKI: Auflistung der wichtigsten Infektionserreger

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat jetzt 127 Infektionserreger nach ihrer Wichtigkeit für die epidemiologische Forschung und Überwachung (Surveillance) positioniert. Dabei wurden zehn Bewertungskriterien entwickelt, darunter Sterblichkeit, Häufigkeit, Krankheitslast und Therapiemöglichkeit. Ergebnis dieser Bewertung ist eine Einteilung der Erreger in vier Prioritätsgruppen. Die Gruppe mit der höchsten Priorität umfasst 26 Erreger. Darunter sind zum einen solche, die im Infektionsschutz bereits einen großen Raum einnehmen, wie das HI-Virus, das Influenza-Virus, Legionellen, das Masernvirus oder der Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis. Es finden sich in dieser Gruppe aber auch Erreger, die häufig im Krankenhaus übertragen werden oder aufgrund von Resistenzen mit Antibiotika schwer zu behandeln sind, z. B. Klebsiella oder Staphylococcus aureus (auch MRSA). Auch bislang weniger bekannte Erreger wie Campylobacter, Helicobacter pylori oder das RSV (Respiratorische Synzytial-Virus) erhielten die höchste Priorität.


Gefahr für Frühgeborene


Infektionen mit Klebsiella sind nicht meldepflichtig. Es ist in § 6, Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes lediglich vorgeschrieben, dass bei "zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen" mit einem epidemischen Zusammenhang eine namentliche Meldung obligatorisch ist. Neugeborene und besonders Frühgeborene sind durch Keime wie Klebsiella, besonders gefährdet. Bei ihnen ist vor allem das Geburtsgewicht entscheidend: Je leichter sie sind, desto höher ist die Erkrankungshäufigkeit durch eine Infektionen. Eine Auswertung des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems für den Zeitraum 2006 bis 2010 ergab, dass von 970 Neugeborenen unter 500 g 519 wegen einer schweren Infektion behandelt werden mussten (54%). Bei den Neugeborenen unter 1000 g waren es 3708 Infektionen bei 11.121 Kindern, bei den 17.420 Säuglingen unter 1500 g waren es "nur" noch 1804 Infektionserkrankungen.



Quelle

Robert Koch-Institut priorisiert die wichtigsten Infektionserreger. Pressemitteilung vom 7. November 2011.

Bremer Frühchentod: Weiterhin viele offene Fragen: Mitteilung vom 6. November 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 45, S. 49

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