Arzneimittel und Therapie

Telaprevir zur Behandlung der Hepatitis C

Telaprevir (Incivo®) ist nach Boceprevir ein weiterer neuer Hemmer der HCV-Protease zur Behandlung der Hepatitis C. Der Wirkstoff ist in Kombination mit pegyliertem Interferon alfa und Ribavirin zur Behandlung der chronischen Hepatitis C vom Genotyp1 bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung (einschließlich Zirrhose) indiziert.
Telaprevir

Wie Boceprevir blockiert auch Telaprevir gezielt das Schlüsselenzym NS3/4A-Serinprotease und hemmt damit die Replikation des Hepatitis-C-Virus (HCV).

Die Dosis beträgt 750 mg (zwei 375-mg-Filmtabletten) alle acht Stunden und muss zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden, um die Resorption zu verbessern. Telaprevir wird mit Ribavirin und entweder Peginterferon alfa-2a oder -2b kombiniert. Diese Behandlung wird in der Regel über zwölf Wochen durchgeführt.

Nach der Einnahme einer Einzeldosis Telaprevir werden maximale Plasmakonzentrationen nach vier bis fünf Stunden erreicht. Telaprevir wird extensiv in der Leber metabolisiert, unter anderem durch Hydrolyse, Oxidation und Reduktion. Die für den CYP-Metabolismus von Telaprevir hauptsächlich zuständige Isoform ist CYP3A4.

Telaprevir wird zu rund 80% in den Faeces, 1% im Urin und 9% in der Atemluft ausgeschieden. Die mittlere Eliminationshalbwertszeit nach Einnahme einer einzelnen Dosis von 750 mg Telaprevir liegt zwischen 4,0 und 4,7 Stunden. Im Steady state beträgt die effektive Halbwertszeit neun bis elf Stunden.

Zwölf Wochen lang behandeln

Basis für die Zulassung waren die drei Phase III-Studien ADVANCE3, REALIZE4 und ILLUMINATE5, die knapp 1300 naive und vorbehandelte Patienten (mit Relaps, partiellem Ansprechen und Null-Responder) einschlossen. Alle Patienten nahmen in den ersten zwölf Wochen der Therapie 750 mg Telaprevir oral (zwei Tabletten à 375 mg) alle acht Stunden mit Wasser und einer Mahlzeit ein. Zusätzlich wurde Peginterferon alfa einmal wöchentlich subkutan injiziert. Dazu erhielten die Patienten zweimal täglich Ribavirin oral in einer gewichtsabhängigen Dosierung. Ab Woche 13 wurde die Therapie ohne den Zusatz von Telaprevir fortgesetzt – je nach virologischem Therapieansprechen und/oder Vorbehandlungsstatus des jeweiligen Patienten weitere zwölf oder 36 Wochen.

In den Studien zeigte sich die Dreifachtherapie mit Telaprevir der Vergleichstherapie signifikant überlegen. In allen drei Studien lag die Rate des anhaltenden virologischen Therapieansprechens (SVR) oder die Heilungsrate unter der Dreiertherapie (pegyliertes Interferon, Ribavirin und Telaprevir) bei therapienaiven Patienten zwischen 69 und 75%. Bei Patienten, die auf eine vorherige Standardtherapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin nicht oder nur partiell angesprochen hatten, führte die Dreiertherapie zu SVR- oder Heilungsraten zwischen 31 und 86%. Die Raten ohne Telaprevir lagen zwischen 29 und 51% und betrugen teilweise nur etwas über die Hälfte davon.

Nebenwirkungen: Hautausschlag und Anämie

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Diarrhöe, Erbrechen, Hämorrhoiden, Proktalgie, Juckreiz und Hautausschlag sowie Anämie. Die Mehrzahl der unerwünschten Ereignisse war leicht bis mittelschwer ausgeprägt. Die Abbruchrate wegen unerwünschter Ereignisse betrug 8%.

Unter der Kombinationsbehandlung mit Telaprevir können schwere Hautausschläge zu jedem Zeitpunkt auftreten. Die Patienten sollten über dieses Risiko informiert sein und sich mit ihrem behandelnden Arzt unverzüglich in Verbindung setzen, wenn ein Hautausschlag erstmals auftritt oder sich ein bestehender Hautausschlag verschlechtern sollte. Alle Hautausschläge sollten auf eine Progression hin und bis zu ihrem Abklingen überwacht werden, was mehrere Wochen dauern kann. Ein Abbruch der Kombinationsbehandlung ist bei leichten und mittelgradigen Hautausschlägen nicht erforderlich; bei schweren Hautausschlägen muss Telaprevir jedoch unverzüglich abgesetzt werden.

Bei der Kombinationsbehandlung mit Telaprevir im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Peginterferon alfa und Ribavirin waren in den klinischen Studien außerdem Inzidenz und Schweregrade von Anämien erhöht. Deshalb werden hämatologische Untersuchungen (einschließlich Differentialblutbild) in Woche 2, 4, 8 und 12 sowie bei klinischer Notwendigkeit empfohlen.

Wechselwirkungen über das CYP450-System

Telaprevir wird hauptsächlich über CYP3A4 abgebaut, wie erwähnt. Kontraindiziert ist die gleichzeitige Anwendung von Wirkstoffen, deren Ausscheidung erheblich von CYP3A abhängt und bei denen erhöhte Plasmakonzentrationen mit schweren und/oder lebensbedrohlichen Ereignissen assoziiert sind. Zu diesen Wirkstoffen gehören Alfuzosin, Amiodaron, Bepridil, Chinidin, Astemizol, Terfenadin, Cisaprid, Pimozid, Ergotaminderivate (Dihydroergotamin, Ergometrin, Ergotamin, Methylergometrin), Lovastatin, Simvastatin, Atorvastatin, Sildenafil oder Tadalafil (nur bei Anwendung zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie) sowie oral verabreichtes Midazolam oder Triazolam.

Ebenfalls kontraindiziert ist die gleichzeitige Anwendung mit Wirkstoffen, die CYP3A stark induzieren, beispielsweise Rifampicin, Johanniskraut, Carbamazepin, Phenytoin sowie Phenobarbital, und daher zu einer verringerten Exposition und einem Verlust der Wirkung von Telaprevir führen können.

Verlängerung des QT-Intervalls

Telaprevir kann das QTcF-Intervall verlängern. Daher ist die gleichzeitige Anwendung mit Klasse-Ia- oder -III-Antiarrhythmika kontraindiziert, ausgenommen ist intravenös verabreichtes Lidocain. Gemeinsam mit den Klasse-Ic-Antiarrhythmika Propafenon und Flecainid sollte Telaprevir mit Vorsicht angewendet werden, hier sind angemessene klinische und EKG-Kontrollen notwendig.

Vorsicht ist auch geboten bei gleichzeitiger Anwendung von Telaprevir mit Arzneimitteln, die bekanntermaßen eine QT-Verlängerung induzieren und die Substrate von CYP3A sind, weil sich dadurch das Risiko für kardiale Nebenwirkungen erhöht. Dazu gehören Erythromycin, Clarithromycin, Telithromycin, Posaconazol, Voriconazol, Ketoconazol, Tacrolimus und Salmeterol. Die gleichzeitige Anwendung von Telaprevir mit Domperidon sollte ebenfalls vermieden werden. Falls die Anwendung solcher Arzneimittel gemeinsam mit Telaprevir als unumgänglich eingeschätzt wird, wird die klinische Überwachung einschließlich EKG-Kontrollen empfohlen.

Telaprevir sollte bei Patienten mit erworbener QT-Verlängerung, klinisch relevanter Bradykardie und Herzinsuffizienz vorsichtig eingesetzt werden.

Teratogene und embryozide Wirkung

Bei allen Tierarten, die einer Exposition mit Ribavirin ausgesetzt waren, wurden signifikante teratogene und/oder embryozide Wirkungen gezeigt. Aus diesem Grund muss mit größter Sorgfalt darauf geachtet werden, sowohl bei Patientinnen als auch bei Partnerinnen von männlichen Patienten eine Schwangerschaft zu verhindern.


Steckbrief: Telaprevir


Handelsname: Incivo

Hersteller: Janssen-Cilag, Neuss

Einführungsdatum: 15. Oktober 2011

Zusammensetzung: Eine Filmtablette enthält 375 mg Telaprevir. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Hypromelloseacetatsuccinat, Calciumhydrogenphosphat (wasserfrei), mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumdioxid, Natriumdodecylsulfat, Croscarmellose-Natrium, Natriumstearylfumarat; Tablettenfilm: Polyvinylalkohol, Macrogol, Talkum, Titandioxid (E 171), Eisen(III)-oxid (E 172).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 168 Filmtabletten, 12.154,29 Euro, PZN 8800728

Stoffklasse: Antiinfektiva, Virustatika; direkt wirkende antivirale Substanz, HCV-Proteasehemmer. ATC-Code: noch nicht zugewiesen.

Indikation: In Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin zur Behandlung der chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1 bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung (einschließlich Zirrhose) indiziert, die nicht vorbehandelt sind; die entweder mit Interferon alfa allein oder in Kombination mit Ribavirin vorbehandelt wurden, einschließlich Patienten, die einen Rückfall (Relaps) erlitten haben, Patienten mit partiellem Ansprechen oder Patienten mit fehlendem Ansprechen.

Dosierung: Eine Dosis von 750 mg (zwei 375 mg Filmtabletten), alle acht Stunden mit einer Mahlzeit.

Gegenanzeigen: Gleichzeitige Anwendung von Wirkstoffen, deren Ausscheidung erheblich von CYP3A abhängt und bei denen erhöhte Plasmakonzentrationen mit schweren und/oder lebensbedrohlichen Ereignissen assoziiert sind; gleichzeitige Anwendung mit Klasse-Ia- oder -III-Antiarrhythmika, außer intravenös verabreichtem Lidocain; gleichzeitige Anwendung mit Wirkstoffen, die CYP3A stark induzieren.

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Anämie; Übelkeit, Diarrhöe, Erbrechen, Hämorrhoiden, Proktalgie; Pruritus, Hautausschlag. Häufig: orale Candidiasis; Thrombozytopenie, Lymphopenie; Hypothyreose; Hyperurikämie, Hypokaliämie; Geschmacksstörung, Synkope; analer Pruritus, rektale Blutung, Analfissur; Hyperbilirubinämie; Ekzem, Gesichtsschwellung, exfoliativer Hautausschlag; periphere Ödeme, abnormaler Geschmack des Produkts.

Wechselwirkungen: Die gleichzeitige Anwendung mit Arzneimitteln, die CYP3A und/oder P-gp induzieren oder hemmen, kann zu einer verminderten oder erhöhten Plasmakonzentration von Telaprevir führen. Telaprevir kann die systemische Exposition gegenüber Arzneimitteln, die Substrate von CYP3A und/oder P-gp sind, erhöhen. Telaprevir soll gemeinsam mit den Klasse-Ic-Antiarrhythmika Propafenon und Flecainid mit Vorsicht angewandt werden; Vorsicht ist auch geboten bei gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die bekanntermaßen eine QT-Verlängerung induzieren und die Substrate von CYP3A sind. Die gleichzeitige Anwendung mit Domperidon sollte vermieden werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Unter der Kombinationsbehandlung mit Telaprevir wurde über schwere Hautausschläge berichtet, außerdem kam es vermehrt zu Anämien. Die Anwendung von Telaprevir sollte mit Vorsicht erfolgen bei Patienten mit erworbener QT-Verlängerung, klinisch relevanter Bradykardie, Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion sowie bei Therapiebedarf mit Arzneimitteln, die bekanntermaßen das QT-Intervall verlängern. Während der Kombinationsbehandlung kann ein Anstieg des Schilddrüsen-stimulierenden Hormons (TSH) auftreten.



Quelle

Fachinformation Incivo®, Stand September 2011.

Zeuzem, S., et al.: Telaprevir for Retreatment of HCV Infection. N Engl J Med 2011; 364: 2417 – 2428.


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DAZ 2011, Nr. 43, S. 60

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