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Arzneimittel und Therapie
Sind Paracetamol und Kombinationen zu gefährlich?
Tab.: Wirksamkeit und Nebenwirkungen der untersuchten Therapieregime | ||||
Paracetamol
3 x 1000 mg/d
|
Ibuprofen
3 x 400 mg/d
|
Paracetamol plus Ibuprofen 3 x 500 + 200 mg/d |
Paracetamol plus
Ibuprofen 3 x 1000 + 400 mg/d
|
|
Schmerzreduktion nach 10 Tagen
(mm Abnahme auf der WOMAC-Skala im Vergleich zum Ausgangswert)
|
10,1 |
13,3 |
12,8 |
15,0 |
Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten nach 13 Wochen (Prozentsatz einer guten oder exzellenten Beurteilung) |
54,4% |
57,8% |
60,8% |
66,9% |
unerwünschte Wirkungen (Tag 10) | ||||
jegliche UAW |
27,5% |
21% |
28,8% |
30,8% |
Dyspepsie |
5% |
6,3% |
11,7% |
6,3% |
Diarrhö |
4,5% |
1,8% |
1,8% |
6,7% |
Nausea |
3,6% |
3,6% |
4,1% |
4,5% |
Hämoglobinabnahme (≥ 1 g/dl vom Ausgangswert nach 10 Tagen) |
7,3% |
11,3% |
10,8% |
17,5% |
Hämoglobinabnahme (≥ 1 g/dl vom Ausgangswert nach 13 Wochen) |
20,3% |
19,6% |
24,1% |
38,4% |
Doherty et al. hatten gezeigt, dass sich die Schmerzen durch eine Monotherapie mit Ibuprofen effektiver lindern lassen als mit Paracetamol. Die Kombination von Paracetamol mit Ibuprofen in zwei verschiedenen Dosierungen war zudem effektiver als eine Paracetamol-Monotherapie. Sie war etwas, jedoch (nicht signifikant) wirksamer als eine Ibuprofen-Monotherapie. Nebenwirkungen traten unter der Kombinationstherapie häufiger auf (Tab.). In einem begleitenden Editorial waren Hinz und Brune zu dem Schluss gekommen, dass mit einer Paracetamol-Monotherapie keine ausreichende Schmerzlinderung erzielt worden ist, eine niedrig und auch eine hochdosierte Kombinationstherapie einer Ibuprofen-Monotherapie nicht überlegen war und die Kombinationstherapien nicht zu weniger, sondern zu mehr Nebenwirkungen geführt haben. Brune und Hinz sehen für den Einsatz einer Kombination von Ibuprofen und Paracetamol wegen der im Vergleich zur alleinigen Ibuprofen-Gabe fehlenden stärkeren Wirkung und der im Vergleich zu den jeweiligen Monotherapien erhöhten Nebenwirkungsgefahr keinen Platz in der Selbstmedikation.
Der Kieler Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Herdegen hatte die Studie vor allem unter klinischen Gesichtspunkten analysiert und war zu einer anderen Interpretation gekommen. In einem Kommentar in der DAZ [3] stufte er die Schmerzreduktion unter Paracetamol als bemerkenswert ein, ebenso die gute bis maximale Zufriedenheit der Patienten nach 10 Tagen bzw. 13 Wochen nach Paracetamol-Monotherapie. Für ihn sind sowohl eine Paracetamol- als auch eine Ibuprofen-Monotherapie effektiv und in der kurzzeitigen Selbstmedikation (1 bis 2 Wochen) auch sicher. Die Kombination der beiden Substanzen erhöhe die Effektivität und die analgetische Wirksamkeit sub-additiv. Täglich 3000 mg Paracetamol mit oder ohne 1200 mg Ibuprofen über mehrere Monate ist für Herdegen keine Therapieoption der Selbstmedikation. Gegenüber der DAZ betonte er, dass der Unterschied in der Wirksamkeit zwischen 3 g/d Paracetamol und 1200 mg/d Ibuprofen gering sei. Eine substanzielle analgetische Verbesserung würde entsprechend höhere Dosierungen erfordern. Das Infragestellen der Paracetamol-Selbstmedikation ohne eine echte effektivere und sichere Alternative sei auch durch die Studie von Doherty et al. nicht gerechtfertigt, zumal einige der Nebenwirkungen in der Kombinationstherapie "zu Lasten" des Ibuprofens gehen.
du
In einem Kommentar zur kürzlich in den Annals of the Rheumatic Diseases unter Federführung von M. Doherty erschienenen Studie [1] kritisiert T. Herdegen Studiendesign wie auch das von uns verfasste Editorial [2]. Die von Herdegen publizierten Ausführungen [3] sind irreführend und bedürfen in mehreren Punkten einer Klarstellung bzw. Korrektur:
Die von Doherty et al. im weltweit führenden Rheumatologie-Journal publizierte randomisierte Studie erzielt für Herdegen "allenfalls durch den Aspekt einer unklaren Hämoglobin-Abnahme Aufmerksamkeit". Dementsprechend wird in seinem "Kommentar zum Kommentar" das eigentlich wesentliche Ergebnis dieser Studie auch nicht adäquat herausgearbeitet: Entscheidend ist, dass die kombinierte Gabe von Ibuprofen (3 x 400 mg) und Paracetamol (3 x 1 g) zu keinem Zeitpunkt der Analyse (10 Tage; 13 Wochen) eine signifikante Zunahme der durch alleinige Gabe von Ibuprofen (3 x 400 mg) ausgelösten Analgesie hervorruft und dabei sogar erhöhte Nebenwirkungsraten nach sich zieht.
Herdegen verweist auf die "bemerkenswerte" Effizienz der Paracetamol-Monotherapie, erwähnt jedoch nicht die nach 10-tägiger Therapie ermittelten prozentualen Anteile von Patienten, die ihre Behandlung im Hinblick auf die Krankheitsaktivität als gut oder exzellent beurteilten. Ein Vergleich nachfolgender Zahlen macht unschwer deutlich, dass unter Paracetamol-Monotherapie ein weitaus geringerer Anteil von Patienten mit der Behandlung zufrieden ist als dies nach Ibuprofen-Monotherapie der Fall war:
– Paracetamol (3 x 1 g/d): 38,1%
– Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 54,6%
– Paracetamol (3 x 500 mg/d) + Ibuprofen (3 x 200 mg/d): 53,9%
– Paracetamol (3 x 1 g/d) + Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 61,4%
Aufgrund des für Schmerzstudien typischen Placebo-Effektes [4] (in der Studie von Doherty et al. wurde aus ethischen Gründen keine Placebogruppe mitgeführt) ist zudem von einer deutlich geringeren Analgesie durch Paracetamol auszugehen als von Herdegen dargestellt. Die stärkere Wirksamkeit nichtsteroidaler Antiphlogistika gegenüber Paracetamol bei Osteoarthrose gilt zwischenzeitlich als durch mehrere Metaanalysen (u. a. [5]) belegt. Auch die Überlegenheit einer 14-tägigen Therapie mit Ibuprofen (1,2 g/d) gegenüber Paracetamol (3 g/d) ist bereits vor einigen Jahren in einer randomisierten Studie an Osteoarthrose-Patienten dokumentiert worden [6]. Nicht unerwähnt bleiben dürfen außerdem einige Osteoarthrose-Studien, die Paracetamol eine Wirksamkeit auf Höhe der mitgeführten Placebo-Gruppe ausweisen [7, 8]. Auch bei anderen Schmerzzuständen (Spannungskopfschmerz, postoperative Zahnschmerzen) ist Ibuprofen in der 400-mg-Einzeldosis signifikant stärker wirksam als 1 g Paracetamol [9, 10]. Insofern sollte sowohl im OTC-relevanten wie auch darüber hinausgehenden Zeitraum der Wirksamkeitsunterschied von Ibuprofen 1,2 g/d versus Paracetamol 3 g/d nicht – wie Herdegen es tut – als "gering" eingestuft werden. Ibuprofen ist in den hier zitierten randomisierten Studien schlichtweg signifikant stärker wirksam!
Herdegen unterliegt dem Irrtum, Paracetamol verursache keine Erhöhung der "für die Leberfunktion relevanten ALAT" (Alanin-Aminotransferase). De facto ließen sich aber folgende prozentuale Anteile an Patienten mit mehr als zweifach gegenüber dem Grenzwert erhöhten ALAT-Konzentrationen nach nur 10-tägiger Therapie in den einzelnen Behandlungsgruppen registrieren:
– Paracetamol (3 x 1 g/d): 3,1%
– Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 0%
– Paracetamol (3 x 500 mg/d) + Ibuprofen (3 x 200 mg/d): 1,0%
– Paracetamol (3 x 1 g/d) + Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 3,4%
Die Autoren merken in der Diskussion zu Recht an, dass die frühen ALAT-Anstiege Anlass für Bedenken sein sollten – insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass diese bereits nach Paracetamol-Tagesdosen von 3 bzw. 1,5 g evident wurden. Ebenso scheint Herdegen entgangen zu sein, dass vergleichsweise höhere Raten von Patienten mit mehr als zweifach gegenüber dem Grenzwert erhöhten γ-Glutamyltransferase-Werten in den drei mit Paracetamol behandelten Gruppen nach 10-tägiger Therapie erfasst wurden:
– Paracetamol (3 x 1 g/d): 6,7%
– Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 0,5%
– Paracetamol (3 x 500 mg/d) + Ibuprofen (3 x 200 mg/d): 3,5%
– Paracetamol (3 x 1 g/d) + Ibuprofen (3 x 400 mg/d): 3,4%
Herdegen konstatiert, dass gastrointestinale Ereignisse (Dyspepsien, Diarrhö, Übelkeit) "in allen Behandlungsgruppen häufig beschrieben" wurden, verschweigt jedoch, dass der prozentuale Anteil an Patienten mit Diarrhö nach 10-tägiger Paracetamol-Monotherapie (4,5%) als auch nach Gabe der höherdosierten Paracetamol/Ibuprofen-Kombination (6,7%) vergleichsweise höher lag als dies nach alleiniger Ibuprofen-Gabe (1,8%) der Fall war.
Im Zusammenhang mit "unklaren Hämoglobin-Abnahmen" (die Studie zeigte additive, z. T. synergistische Abfälle der Hämoglobin-Konzentration nach Gabe der hochdosierten Kombination versus Monotherapien) lässt Herdegen unerwähnt, dass die in der Studie registrierten signifikanten Hämoglobin-Abfälle mit einer Erhöhung der mittleren Plättchenzahl wie auch einer Reduktion des mittleren Erythrozytenvolumens einhergingen. Diese zusätzlichen Faktoren machen einen Blutverlust sehr wahrscheinlich.
Mittlerweile zwei epidemiologischen Studien zufolge erhöht sich das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen bei langfristiger kombinierter Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika und Paracetamol überadditiv [11, 12]. Im Zusammenhang mit ihren Befunden wird von Doherty et al. [1] wie auch im begleitenden Editorial [2] die sich mit gastrointestinalen Blutungen auseinandersetzende Studie von Rahme et al. [12] zitiert. Herdegen kritisiert diese Untersuchung, die wie alle epidemiologischen Studien naturgemäß nur Assoziationen und allenfalls Hinweise für Kausalitäten aufzeigen kann. Dementsprechend wird in der Studie von Rahme et al. korrekterweise – wie (standardmäßig) auch in anderen epidemiologischen Aufsätzen – auf mögliche Bias-Faktoren hingewiesen, die den Autoren des Editorials sehr wohl bekannt sind. Zweifelsohne bewegen sich solche Untersuchungen mit ihrem Evidenz-Level deutlich unter dem randomisierter Studien. Die Erfolgsgeschichte der Framingham-Studie zeigt jedoch, dass man epidemiologische Ansätze als Basis für weiterführende Studien nicht unterschätzen sollte. Wäre es daher nicht eher angebracht, neue randomisierte Untersuchungen zur Charakterisierung eines über nunmehr fünf Jahrzehnte eingesetzten, bekanntermaßen schlecht untersuchten Wirkstoffs (Paracetamol) zu würdigen und weitere Untersuchungen dieser Art anzuregen?
Im Hinblick auf Herdegens Unterstellung, das Editorial von Brune und Hinz "instrumentalisiere" die von Doherty et al. publizierte Arbeit als "Argument für die Verschärfung der OTC-Abgabe von Analgetika" (gemeint ist sicher Paracetamol) äußern Doherty et al. selbst an verschiedenen Stellen Kritik an dieser Substanz (z. B. "…results challenge the belief that paracetamol is the treatment of choice based on an absent/lower risk of gastrointestinal complications compared with ibuprofen.") Die von Doherty et al. untersuchte fixe Analgetika-Kombination (200 mg Ibuprofen, 500 mg Paracetamol) ist im Übrigen in Großbritannien in einer maximalen Tagesdosierung von 6 Tabletten (entspricht 1,2 g Ibuprofen und 3 g Paracetamol) durchaus auch zur Selbstmedikation von "rheumatic and muscular pain" zugelassen. Nach unserer Überzeugung spricht daher nichts dagegen, die von Doherty et al. im OTC-relevanten Zeitraum erhobenen Befunde als Anstoß für eine "reconsideration of the treatment of musculosceletal conditions with OTC analgesics" [2] – was auch die Forderung nach weiterführenden Studien einschließt – aufzugreifen.
Wenngleich die von Herdegen kritisierten Verfasser dieser Replik in Detailfragen durchaus auch unterschiedliche Positionen zur komplexen Pharmakologie von Paracetamol vertreten, halten beide eine Analgetika-Monotherapie unter Einsatz der wirklich notwendigen Dosierung des jeweiligen Cyclooxygenase (COX)-Hemmers für rationaler als eine Kombinationstherapie von Paracetamol mit klassischen COX-Inhibitoren [13 – 15]. Hierzu einige basalpharmakologische Aspekte: Das im Falle der Studie von Doherty et al. eingesetzte Ibuprofen-Dosisregime (3 x 400 mg/d) führt 2,5 Stunden nach Gabe der letzten Dosis zu einer ca. 80%igen Hemmung der COX-2 [16]. Im Vergleich hierzu liegt die 1,5 Stunden nach Gabe von 1 g Paracetamol ermittelte mittlere COX-2-Hemmung bei ca. 75% [17]. Korrelationsstudien zufolge ist eine 80%ige COX-2-Hemmung für eine ausreichende analgetische Wirkung erforderlich [18]. Mit anderen Worten: Die zusätzliche Gabe von Paracetamol verspricht keine wesentliche Zunahme der analgetischen Wirkung von Ibuprofen, wohl aber zusätzliche COX-1-abhängige (und COX-unabhängige hepatische) Nebenwirkungen. Die Tatsache, dass Paracetamol die durch ein anderes nichtsteroidales Antiphlogistikum (Diclofenac) ausgelöste Plättchenaggregationshemmung in vitro und ex vivo verstärkt, ist inzwischen überzeugend belegt [19, 20]. Hinzu kommt, dass entgegen einer früheren Darstellung von Kops et al. [21] auch für Paracetamol eine signifikante Hemmung der Prostaglandin-Synthese in der Mukosa des Fundus (ca. 40%ige Hemmung) und des Antrums (ca. 60%ige Hemmung) beschrieben wurde [22]. In der an Ulkuspatienten durchgeführten Studie wurde Paracetamol in einer Tagesdosis von 2,5 g unter Verteilung von 500-mg-Dosen über einen Tag verabreicht. Wenngleich nach diesem (einmaligen) Dosisregime nur milde mukosale Veränderungen in der Gastroskopie nachgewiesen werden konnten, belegt die Studie eine prinzipielle Fähigkeit von Paracetamol zur Interferenz mit der gastrointestinalen Prostaglandin-Bildung. Weitaus ausgeprägtere Hemmeffekte sind nach Gabe von 1-g-Dosen bzw. nach längerer Durchführung von Dosisregimen wie 3 bis 4 g/d Paracetamol zu erwarten. Wichtig hierbei: Gastrointestinale Läsionen entwickeln sich als Konsequenz einer persistierenden moderaten Hemmung der mucosalen COX-1 [23]!
Ein bereits an dieser Stelle vorweggenommenes Gegenargument "pro Kombinationspräparate" könnte in dem Verweis auf potenzielle (bislang kontrovers diskutierte) analgetische Zusatz-Effekte von Paracetamol liegen, die unabhängig von der COX-Hemmung evident werden. Gemessen an der nicht-signifikanten (laut Doherty et al. "modest", bei Herdegen "subadditiven") Zunahme der analgetischen Wirkung in der Kombinationsgruppe kommen diese in der vorliegenden Studie offensichtlich aber nicht substanziell zum Tragen. Herdegen selbst zeigte sich in einem früheren Beitrag skeptisch gegenüber einer Verstärkung der serotoninergen Transmission als Beitrag zur analgetischen Wirkung von Paracetamol [24].
Fazit: Die von Doherty et al. publizierte randomisierte, doppelblinde Studie zeigt, dass die Kombination von zwei COX-Hemmern in der Schmerztherapie zur "subadditiven" Schmerzlinderung bei additiven, zum Teil überadditiven Nebenwirkungen führen kann.
Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Hinz, Rostock
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Kay Brune, Erlangen
Literatur
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[22] Konturek SJ et al. Gut 1981;22:283 – 9.
[23] Patrono C, Patrignani P, García Rodríguez LA. J Clin Invest 2001;108:7 – 13.
[24] Herdegen T. DAZ 2011;151:2169 – 2204.
Für die Verfasser:
Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Hinz, Direktor, Institut für Toxikologie und Pharmakologie, Universitätsmedizin Rostock, Schillingallee 70, 18057 Rostock
DAZ 2011, Nr. 38, S. 46
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