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Praxis
Medikationsänderung wegen möglicher QT-Verlängerung?
Eine Verlängerung der Aktionspotenzialdauer, die sich im Oberflächen-EKG in einer Verlängerung des QT-Intervalls widerspiegelt, spielt für die therapeutische Wirkung von Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron) eine wichtige Rolle. Neben den Arzneimitteln aus der Klasse der Antiarrhythmika gibt es aber auch eine Vielzahl anderer Medikamente mit nichtkardiovaskulärer Indikation, die bei therapeutischer Dosierung eine Verlängerung des QT-Intervalls verursachen können (www.qtdrugs.org). Bei diesen Pharmaka ist dieser Effekt grundsätzlich als eine unerwünschte Arzneimittelwirkung anzusehen.
Trotz oft erheblicher QT-Verlängerung ist die proarrhythmische Potenz von Amiodaron vergleichsweise niedrig, die Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen vom Typ der Torsade de Pointes beträgt circa 0,5%. Das komplexe Wirkungsprofil von Amiodaron dürfte in diesem Fall eine Rolle spielen [1].
Risikofaktoren für QT-Zeit-Verlängerungen
Es gibt zahlreiche Risikofaktoren für das Auftreten einer abnormen medikamentenbedingten QT-Verlängerung und von Torsade de Pointes [1]:
- Kongenitales QT-Syndrom (Mutationen in Genen, die für Ionenkanäle kodieren),
- weibliches Geschlecht,
- Bradykardien,
- Elektrolytstörungen (Hypokaliämie und Hypomagnesiämie),
- myokardiale Hypertrophie (z. B. bei arterieller Hypertonie) und Herzinsuffizienz,
- hohe Plasmakonzentrationen bei Überdosierung oder Intoxikation,
Dosierungen im Normbereich, aber gleichzeitige Hemmung des Metabolismus und/oder der Ausscheidung (z. B. Hemmung der Metabolisierung durch Cytochrom-P-450-Hemmer, zu schnelle Infusionsgeschwindigkeit, Niereninsuffizienz),
- Begleitmedikation mit anderen repolarisationsverlängernden Pharmaka,
- Vorbestehende EKG-Veränderungen (QT-Verlängerung, pathologische U-Wellen)
Die offensichtlichen und von außen bewertbaren Risikofaktoren für eine QT-Zeit-Verlängerung bei dem Patienten sind:
- mögliche Bradykardien (wegen gleichzeitiger Therapie mit Bisoprolol),
- mögliche Elektrolytstörungen (Risiko für Hypokaliämie bei gleichzeitiger Therapie mit Torasemid),
- verringerte Ausscheidung über die Nieren aufgrund des hohen Alters (85 Jahre),
- Begleitmedikation mit anderen QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln (Risperidon).
Die Antwort kurz gefasst
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In der Apotheke können Interaktionen durch die Führung von Patientendateien frühzeitig identifiziert werden. Diese müssen einzeln in der klinischen Relevanz bewertet werden. Oftmals gibt es für bestimmte Arzneimittelkombinationen jedoch keine Therapiealternativen. In diesen Fällen lassen sich aber unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch ein entsprechendes Therapiemonitoring häufig minimieren.
Um eine Entscheidung für oder gegen Risperidon treffen zu können oder Therapiealternativen anbieten zu können, ist es wichtig zu wissen, aus welchem Grund der Patient Risperidon in der Klinik verordnet bekommen hat. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit einer leichten Demenzerkrankung. Es empfiehlt sich, die Indikation im Gespräch mit dem behandelnden Arzt abzuklären und ihn dabei schon auf die aktuelle Kombination zweier QT-Zeit-verlängernder Substanzen aufmerksam zu machen und Therapiealternativen zu besprechen. Eventuell kann nach Entlassung in das häusliche Umfeld auch ganz auf Risperidon verzichtet werden.
Laut Fachinformation ist Risperdal® für die Kurzzeitbehandlung (bis zu 6 Wochen) von anhaltender Aggression bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Demenz zugelassen, die auf nichtpharmakologische Methoden nicht ansprechen und wenn ein Risiko für Eigen- und Fremdgefährdung besteht. Nach Markteinführung wurde zwar nur sehr selten (< 1: 10.000) von einer Verlängerung des QT-Intervalls berichtet, Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Risperidon bei Patienten mit Risikofaktoren (siehe oben) angewendet werden soll oder ein anderes Arzneimittel mit QT-Zeit-verlängernden Eigenschaften kombiniert werden soll.
Nicht nur die Indikation ist eine Information, die zur Bewertung einer möglichen Interaktion herangezogen werden muss, sondern auch die eingesetzten Dosierungen (hier nicht bekannt). Laut Fachinformation beträgt die Anfangsdosis bei älteren Patienten mit mäßiger bis schwerer Altersdemenz 0,25 mg zweimal täglich. Je nach Ansprechen kann dann die Dosis an den individuellen Bedarf in Schritten von 0,25 mg angepasst werden. In den meisten Fällen beträgt die optimale Dosis 0,5 mg zweimal täglich. Einige Patienten profitieren allerdings von bis zu 1 mg zweimal täglich.
Risperdal® soll bei anhaltender Aggression bei Patienten mit Alzheimer-Demenz nicht länger als 6 Wochen angewendet werden. Während der Behandlung, müssen die Patienten häufig und regelmäßig beurteilt und der Bedarf einer kontinuierlichen Behandlung neu bewertet werden.
Wichtig ist auch eine Dosisanpassung an verminderte Leber- und Nierenfunktionen, da in diesen Fällen die aktive antipsychotische Fraktion weniger ausgeschieden wird.
In der S3-Leitlinie "Demenzen" können unter der Rubrik "Pharmakologische Behandlung einzelner psychischer Symptome und Symptomenkomplexe" Empfehlungen mit bewertetem Evidenzgrad zur Therapie gefunden werden. Unterschieden werden die vier Symptomcluster affektive Symptome (Depression und Angst), Hyperaktivität (agitiertes Verhalten / Aggressivität, Disinhibition / Enthemmung, Euphorie, gesteigerte Psychomotorik), psychotische Symptome (Halluzination, Wahn) und Apathie.
Risperidon ist sowohl zur Behandlung von agitiertem und aggressivem Verhalten bei Demenz (Empfehlungsgrad A, Evidenzebene 1a, 1b), zur Therapie bei schwerer psychomotorischer Unruhe (Off-label; C, 2) als auch zur Therapie von Psychotischen Symptomen empfohlen (B, 1a). Es wird immer eine kurze Behandlungsdauer empfohlen, eine Neubewertung der Therapie sollte in regelmäßigen Abständen erfolgen. Es gibt Behandlungsalternativen, allerdings sind diese häufig nicht für die Indikation zugelassen (Off-label-use) und mit entsprechender Problematik bei der Verordnung verbunden.
Folgende Empfehlungen aus der S3-Leitlinie könnten interessant sein:
Der Einsatz von Antipsychotika bei Demenzerkrankten ist generell mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Darüber hinaus ist ein erhöhtes Risiko durch Antipsychotika bezüglich des Auftretens zerebrovaskulärer Ereignisse bei Demenzerkrankten beschrieben worden. Patienten und rechtliche Vertreter müssen über dieses Risiko aufgeklärt werden. Die Behandlung soll mit möglichst niedriger Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum erfolgen. Der Behandlungsverlauf ist engmaschig zu kontrollieren. Dies ist im geschilderten Fall wichtig (A, 1a und 3), da der Patient schon einen Schlaganfall erlitten hat.
Bewertung anderer Optionen für die Therapie von agitiertem Verhalten und Aggressivität: Aripiprazol kann aufgrund seiner Wirksamkeit gegen Agitation und Aggression als alternative Substanz zu Risperidon empfohlen werden. Beachte: Aripiprazol ist in dieser Indikation eine Off-label-Behandlung. Olanzapin soll aufgrund des anticholinergen Nebenwirkungsprofils und heterogener Datenlage bezüglich Wirksamkeit nicht zur Behandlung von agitiertem und aggressivem Verhalten bei Patienten mit Demenz eingesetzt werden. Haloperidol ist aufgrund fehlender Wirksamkeits-Evidenz nicht für das Symptom Agitation empfohlen. Es gibt Hinweise auf Wirksamkeit auf aggressives Verhalten mit geringer Effektstärke. Unter Beachtung der Risiken (extrapyramidale Nebenwirkungen, zerebrovaskuläre Ereignisse, erhöhte Mortalität) kann der Einsatz bei diesem Zielsymptom nicht empfohlen werden (A, 1a). Es gibt Hinweise auf günstige Wirkung von Carbamazepin auf Agitation und Aggression. Es kann nach fehlendem Ansprechen anderer Therapien empfohlen werden. Auf Medikamenteninteraktionen ist zu achten (C, 1b). Carbamazepin ist in dieser Indikation eine Off-label-Behandlung. Für Citalopram gibt es eine schwache Evidenz für die Wirksamkeit bei agitiertem Verhalten von Demenzkranken. Ein Behandlungsversuch kann gerechtfertigt sein (C, 2b). Beachte: Off-label-Behandlung in dieser Indikation.
Bewertung anderer Optionen für die Therapie von psychotischen Symptomen (Halluzination, Wahn):
Aripiprazol zeigt in höheren Dosen (10 mg) Wirksamkeit in Bezug auf psychotische Symptome, die Datenlage ist jedoch heterogen (C, 1b), niedrige Dosierungen (2 mg, 5 mg) zeigten keinen spezifischen antipsychotischen Effekt. Aripiprazol ist in dieser Indikation ein Off-label-use.
Für andere atypische Antipsychotika gibt es keine Wirksamkeits-Evidenz bei psychotischen Symptomen bei Demenz, daher wird der Einsatz nicht empfohlen (B, 1a).
QT-Intervall-Bestimmung
Das QT-Intervall kann aus dem EKG bestimmt werden. Um die Werte miteinander vergleichen zu können, ist es wichtig, dass eine Frequenzkorrektur mit Hilfe von mathematischen Formeln vorgenommen wird (Bazett- oder Fridericia-Korrekturformel). Bei übermäßiger Verlängerung des Aktionspotenzials, kann das Membranpotenzial instabil werden. Folge können sekundäre Oszillationen am Ende der Plateauphase sein, die zur Auslösung neuer Aktionspotenziale und zu den charakteristischen Rhythmusstörungen (Torsade de Pointes) führen können. In den meisten Fällen terminieren Torsade de Pointes spontan, charakteristische Symptome sind Schwindel und Synkopen. Die Arrhythmie kann aber auch in Kammerflimmern degenerieren und damit tödlich enden. Als oberer Grenzwert gilt, dass der korrigierte QTc -Wert bei Männern nicht größer als 440 ms und bei Frauen nicht größer als 460 ms sein sollte. QTc -Zeiten über 500 ms bergen ein hohes Risiko für die Entstehung von Arrhythmien [1 – 3].
Alternative Aripiprazol?
Für die Indikationen Aggression/Agitation wie auch Psychotische Symptome wurde in der Leitlinie als Alternative zu Risperidon Aripiprazol genannt.
Laut Fachinformation Abilify® (Aripiprazol) war die Inzidenz einer QT-Zeit-Verlängerung in klinischen Studien vergleichbar zu Placebo. Dennoch wird empfohlen, Aripiprazol (wie andere Antipsychotika) mit Vorsicht bei Patienten anzuwenden, bei denen in der Familienanamnese eine QT-Zeit-Verlängerung aufgetreten ist. Auch sollte Aripiprazol mit Vorsicht zusammen mit anderen Arzneimitteln, die eine QT-Zeit-Verlängerung oder Störungen des Elektrolythaushalts verursachen, eingenommen werden.
Interaktionscheck Risperidon – Amiodaron
Ein Interaktionscheck in der Datenbank MediQ ergab für die Kombination Risperidon – Amiodaron folgenden Hinweis:
"Hohe Interaktion": Gemäß Herstellerangaben ist eine gemeinsame Gabe wegen der Gefahr von schwerwiegenden ventrikulären Rhythmusstörungen kontraindiziert. (QT- Verlängerung, Gefahr für z. B. Torsade des Pointes). Pharmakokinetisch ist zudem, wegen Metabolisierungshemmung durch Amiodaron, eine klinisch relevante Plasmaspiegelerhöhung von Risperidon zu erwarten. Beachtet werden müssen in diesem Zusammenhang auch die lange Halbwertszeit und schlechte Steuerbarkeit von Amiodaron [5].
Interaktionscheck Aripiprazol – Amiodaron
Für die Kombination Aripiprazol – Amiodaron wurde folgender Hinweis gegeben:
"Durchschnittliche Interaktion": Klinisch relevante Plasmaspiegelerhöhung von Aripiprazol zu erwarten wegen Abbauhemmung durch das Antiarrhythmikum Amiodaron (Klasse III). Spiegel kontrollieren und Dosis reduzieren. Amiodaron kann die QT-Zeit verlängern. EKG-Kontrollen empfohlen [5].
Möglicherweise hat Aripiprazol eine geringere QT-Zeit-verlängernde Potenz als Risperidon, dennoch ist bei dem Einsatz Vorsicht geboten. Der Off-label-Gebrauch ist zu berücksichtigen. Unabhängig der ärztlichen Entscheidung bezüglich der weiteren Arzneimitteltherapie ist bei der bestehenden Medikation ein gutes Therapiemonitoring unerlässlich und muss auf jeden Fall regelmäßige EKG‘s, Blutzuckerbestimmungen, Elektrolytbestimmungen (Achtung Hypokaliämie), INR-Bestimmungen sowie Schilddrüsenhormon- und Leberenzymbestimmungen alle 6 Monate beinhalten. Die Angehörigen müssen sensibilisiert und in der Apotheke danach gefragt werden.
Vorsicht ist bei Verordnung neuer Substanzen wie von Makroliden und Chinolonen (starke CYP3A4-Hemmer und QT-Zeit-verlängernde Substanzen) geboten! So wäre das Antibiotikum Roxithromycin bei der aktuellen Medikation auf jeden Fall zu meiden. Zum einen wegen der CYP3A4-Hemmung (Amiodaronspiegel steigen), zum anderen wegen der zusätzlichen QT-Zeit-Verlängerung. In der öffentlichen Apotheke kann mit Hilfe der Medikamentenhistorie frühzeitig reagiert werden.
Aufgefallen ist uns, dass zwar Symptome der Demenz behandelt werden, aber eine Therapie mit Antidementiva fehlt. Vielleicht sollte auch dahingehend mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten werden.
Quellen [1] Haverkamp W, Haverkamp F, Breithardt G: Medikamentenbedingte QT-Verlängerung und Torsade de pointes. Dt. Ärzteblatt, 2002; 99: A1972 – 1979 [2] Hein L: Long-QT-Syndrom – Wenn das Herz aus dem Takt gerät. PZ 2009; 154 (10): 16 – 23. [3] Delacrétaz E: Medikamente und verlängertes QT-Intervall, Schweiz Med Forum 2007;7: 814 – 819 [4] www.awmf.de, S3-Leitlinie\\"Demenzen\\" Kurzversion 11/2009 [5] www.mediq.ch Fachinformation, BPI Service GmbH Drugdex Datenbank, Micromedex
Autorin Apothekerin Sylvia Obermeier Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH, Apotheke Vöhrenbacher Str. 23 78050 Villingen-Schwenningen
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