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Gerangel um Kompetenzen

BERLIN (ks). Das ABDA/KBV-Konzept sorgt weiterhin für Wirbel in der Berliner Verbände-Landschaft. Letzte Woche machte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, in verschiedenen Medien und beim Deutschen Hausärztetag in Berlin deutlich, dass er von dem Arzneimittelversorgungskonzept – basierend auf Medikationskatalog, Wirkstoffverordnung und Medikationsmanagement – wenig hält. Es fielen keine schmeichelhaften Worte, was die Kompetenz der Apotheker betrifft. Die Bundesapothekerkammer ließ dies nicht auf sich sitzen. Daraufhin bemühte man sich beim Hausärzteverband, die Wogen zu glätten. Von Missverständnissen war die Rede.
Foto: DAZ/Sket
Lehnt das ABDA/KBV-Modell ab Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes

Letzte Woche fand in Berlin der 34. Hausärztetag statt. Dort wurde Weigeldt mit 109 Stimmen der insgesamt 118 Delegierten im Amt des Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes bestätigt. Große Einigkeit bestand bei den Hausärzten auch in der Ablehnung des ABDA-KBV-Arzneimittelversorgungskonzepts. Einstimmig erteilten sie den Plänen, "mittels Wirkstoffverordnung einen Transfer von ärztlicher Kompetenz an die Apotheker zu vollziehen", eine Absage. "Wenn diese Vorstellungen umgesetzt würden, würden wir nicht nur Kompetenzen an die Apotheker abgeben, sondern die Regressgefahr eher erhöhen als senken; jedenfalls für den hausärztlichen Versorgungsbereich", sagte Weigeldt. "Wir sind nicht bereit, für ein durchsichtiges Apothekerförderprogramm die sichere Arzneimittelversorgung unserer Patienten aufs Spiel zu setzen." Der Hausärzteverband setzt offenbar eher darauf, die Kompetenzen der Hausärzte zulasten der Apotheken zu erweitern – so müsse man etwa neu über das Dispensierrecht nachdenken, meint Weigeldt: "Wir üben dieses auch schon bisher ohne Probleme beispielsweise bei den Impfstoffen sogar in der Kühlkette aus. Warum sollten wir nicht auch ein Kontingent von Arzneimitteln in der Praxis vorhalten für die Akutversorgung im Notdienst und für Hausbesuche?"


Foto: ABDA
Wirbt weiter für das Modell BAK-Präsidentin Erika Fink

Fink wirft Hausärzteverband Polemik vor

Kurz darauf zitierte ein Nachrichtenportal Weigeldt mit den Worten, die Pharmazeuten seien für die im ABDA/KBV-Konzept vorgesehenen Aufgaben nicht ausgebildet – auch wenn sie dies selbst sagten. Das Pharmaziestudium qualifiziere vor allem für die Aufbewahrung und Distribution von Arzneimitteln. Bei der Galenik etwa hätten die Pharmazeuten einen anderen Blickwinkel als Ärzte, und auch der Bereich Rezepturherstellung spiele kaum noch eine Rolle. Diese Aussagen riefen die Bundesapothekerkammer auf den Plan. Präsidentin Erika Fink hielt dem Hausärzteverband Polemik vor. So verwies sie darauf, dass Apotheken jedes Jahr rund 16 Millionen Rezepturen für gesetzlich Versicherte herstellten. Auch habe sich erst kürzlich der Berufsverband der Deutschen Dermatologen zur Rezeptur bekannt. Richtig sei allerdings, dass die Apotheker einen ganz anderen Blickwinkel auf die Galenik haben: "Denn nur sie sind im Studienfach Pharmazeutische Technologie ausgebildet", so Fink. Mit Blick auf das ABDA/KBV-Konzept zur Arzneimittelversorgung betonte sie: "Die Apotheker wollen und werden den Ärzten nichts wegnehmen", betonte sie. "Im Gegenteil: Apotheker und Ärzte wollen enger zusammenarbeiten mit einer klaren Aufgabentrennung."

Ärzte sprechen von Missverständnis

Beim Hausärzteverband sieht man sich missverstanden. Keinesfalls habe es einen "polemischen Ausfall" gegen Apotheker gegeben, so ein Sprecher des Verbandes gegenüber der DAZ. Mit den Apothekern habe man schon seinerzeit beim Barmer-Hausarzt-Hausapothekenmodell gut zusammengearbeitet. Weigeldt habe vielmehr sein Unverständnis für die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesärztekammer zum Ausdruck bringen wollen, die beide hinter dem ABDA/KBV-Modell stehen. Offenbar fühlen sich die Hausärzte von den Kollegen übergangen. Als so mächtige Arztgruppe wären sie gerne zurate gezogen worden, als ABDA und KBV sich auf ihr Konzept verständigten. Aber natürlich führen die Hausärzte auch Gründe an, was genau ihnen an dem ABDA/KBV-Vorstoß missfällt. Sie kritisieren die unterschiedliche Umgangsweise mit Generika, für die es in dem Modell nur eine Wirkstoffverordnung geben soll, und Originalpräparaten, über die der Arzt weiterhin ganz allein entscheide. Bei einer Wirkstoffverordnung fehlten dem Apotheker Kenntnisse – etwa zur Diagnose – die für die Auswahl der Substanz wichtig sein könnten. Damit der Apotheker hier wirklich alles korrekt machen könne, sei ein erheblicher Datenfluss möglich, gab der Sprecher zu bedenken. Der ABDA hat Weigeldt all diese Bedenken bereits vorgetragen. Doch dort lässt man sich von den Zweifeln nicht beirren.

Und so wirbt BAK-Präsidentin Fink weiter für das mit der KBV entwickelte Modell: Es verbessere die Arzneimittelversorgung von Patienten mit Polymedikation und mache sie langfristig ökonomischer. Fink forderte den Hausärzteverband auf, zum konstruktiven Gespräch zurückzukehren. "Ich lade jeden Funktionär des Hausärzteverbands, jeden Politiker und jeden Journalisten ein, sich in einer Apotheke ein eigenes Bild zu machen, jenseits aller Klischees," so Fink.



DAZ 2011, Nr. 38, S. 19

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