Arzneimittel und Therapie

Azithromycin-Gel zur Prophylaxe einer Borreliose

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene bakterielle Infektionskrankheit in Europa. Unbehandelt kann die zunächst nur mit milden Symptomen verlaufende Erkrankung später zu schweren Komplikationen führen. Eine prophylaktische Therapie nach einem Zeckenstich erfolgt selten, da zur sicheren Eradikation eine zwei- bis dreiwöchige Einnahme geeigneter Antibiotika notwendig ist. Münchener Wissenschaftler haben in tierexperimentellen Studien die Wirksamkeit eines Antibiotika-haltigen Gels nachgewiesen.
Foto: Autan
Lokal gegen Borreliose Einer Lyme-Borreliose durch von Zecken übertragene Borrelien könnte durch die lokale Applikation eines Antibiotikums vorgebeugt werden. Im Tierversuch zeigte das Antibiotika-haltige Gel sogar nach drei Tagen nach dem Zeckenstich noch Wirkung.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland bis zu 60.000 Menschen an einer Lyme-Borreliose. Eine Meldepflicht für die Erkrankung, die durch das zu den Spirochäten zählende Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöst wird, besteht nicht. Die Borreliose verläuft schleichend und in drei Stadien. Bald nach der Infektion tritt im Bereich der Stichstelle häufig eine größere Rötung (Wanderröte; Erythema [chronicum] migrans) auf. Im weiteren Verlauf der Erkrankung können über einen längeren Zeitraum verschiedene Gewebe und Organe befallen werden. So kann es in den Stadien II und III der Borreliose zu Gelenkentzündungen (Lyme-Arthritis) und zum Befall des Nervensystems (Neuroborreliose) kommen. Am wirksamsten ist in der Frühphase der Borreliose eine zwei- bis dreiwöchige Antibiotika-Therapie z. B. mit Doxycyclin. Kinder und Schwangere erhalten die Antibiotika Amoxicillin oder Cefuroxim. Als weiterer Wirkstoff steht das relativ gut verträgliche Azithromycin zur Verfügung. In den fortgeschrittenen Stadien erfolgt vielfach eine drei- bis vierwöchige intravenöse Antibiotika-Therapie mit Cephalosporinen (z. B. Ceftriaxon, Cefotaxim).

Nachdem Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig ein Azithromycin-Gel entwickelt hatten, wurde dieses jetzt im Mausmodell an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Tierversuch getestet. Das Makrolidantibiotikum dringt auch in die Haut ein und hat im Gewebe eine Halbwertszeit von fünf Tagen, während diese im Serum nur wenige Stunden beträgt. Ein weiterer Vorteil des Antibiotikums ist die geringe minimale Hemmkonzentration (MHK). Die Ergebnisse waren erfolgversprechend. Eine Inokulation der Labortiere mit Borrelia burgdorferi per Nadelstich oder über Zecken konnte nicht nur eine Erkrankung zuverlässig verhindern, vielmehr war das Azithromycin-Gel auch dann noch wirksam, wenn es erst drei Tage nach dem Stich aufgetragen wurde. Da sich die Bakterien nach einer Infektion zunächst ausschließlich in der Haut an der Einstichstelle vermehren ist auch eine verzögerte Applikation des Antibiotika-Gels möglich. Darüber hinaus war die Gewebekonzentration von Azithromycin nach Applikation des Gels mehr als 3800-fach höher, als die MHK für die Bakterien.

Zwischenzeitlich wurde eine Phase-III-Studie gestartet. Dabei wird das Gel über ein transparentes, selbst klebendes Pflaster direkt auf die Stichstelle aufgebracht. Der LMU-Veterinärbakteriologe Prof. Dr. Reinhard Straubinger ist optimistisch: "Weil nur sehr wenig Antibiotikum enthalten ist, bleibt die Wirkung lokal begrenzt und auch Nebenwirkungen treten kaum auf." Dies seien wichtige Voraussetzungen für den prophylaktischen Einsatz eines derartigen Antibiotika-Pflasters zur Vorbeugung einer Lyme-Borreliose.


Quelle

Knauer, J.; et al.: Evaluation of a topically applied azithromycin formulation against borreliosis in a murine model. J. Antimicrob. Chemother. 2011; doi:10. 1093/jac/dkr371, 15. September 2011.

Ludwig-Maximilians-Universität München: Wenn Zecken gefährliche Infektionen übertragen, 15. September 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 38, S. 56

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