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- DAZ 35/2011
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Arzneimittel und Therapie
Wirken Mirtazapin und Sertralin bei Demenzpatienten?
Man schätzt, dass rund ein Fünftel aller Demenzpatienten unter Depressionen leidet. Somit leben allein in Deutschland mehr als 200.000 depressive Demenzkranke. Trotz dieser großen Zahl an Betroffenen gibt es keine Richtlinien für eine Evidenz-basierte antidepressive Therapie und die wenigen Studien zu dieser Fragestellung kamen zu keiner einheitlichen Aussage. Daher nahm sich eine vom britischen Gesundheitsdienst (NHS) unterstützte Studie dieses Themas an und initiierte die HTA-SADD-Studie (HTA-SADD = health technology assessment study of the use of antidepressants for depression in dementia). In dieser Untersuchung wurde die klinische Wirksamkeit der zwei am häufigsten gebrauchten Antidepressiva, das sind der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Sertralin und das noradrenerg und spezifisch serotonerg wirkende Antidepressivum Mirtazapin, überprüft.
Studie mit Praxisbezug
Die 326 Studienteilnehmer stammten aus neun Zentren in England. Sie waren rund 80 Jahre alt, hatten eine mäßig schwere Demenz und litten seit mindesten vier Wochen unter einer mäßig schweren Depression (CSDD-Score von 8 oder mehr; CSDD = Cornell scale for depression in dementia). Sie wurden drei verschiedenen Gruppen zugeordnet und erhielten täglich Sertralin (Zieldosis 150 mg), Mirtazapin (Zieldosis 45 mg) oder ein Placebo. Die Dosis der einzelnen Medikamente wurde im Verlauf der Studie langsam gesteigert, und am Ende der Studie hatten die Patienten durchschnittlich täglich 95 mg Sertralin bzw. 30 mg Mirtazapin erhalten. Der primäre Studienendpunkt war die Abnahme der Depression (ermittelt über den CSDD-Score).
Verum nicht besser als Placebo
Nach 13 Wochen unterschied sich der Therapieerfolg – die Linderung der Depression – in den drei Gruppen nur unwesentlich, und mit der Placebo-Therapie wurden gleich gute Ergebnisse erzielt wie mit den beiden Antidepressiva. Dies galt auch noch nach 39 Wochen (siehe Tabelle). Unter Placebo waren weniger unerwünschte Wirkungen aufgetreten als unter der Verum-Gabe (Placebo 26%, Sertralin 43% und Mirtazapin 41%). Zudem traten unter der Placebo-Therapie weniger schwerwiegende unerwünschte Wirkungen auf als unter der Verum-Gabe.
Therapie überdenken
Dieses Ergebnis – Sertralin und Mirtazapin wirken bei depressiven Demenzpatienten nicht besser als ein Placebo – ist überraschend und wirft mehrere Fragen auf. Unter anderem, ob der Depression von Demenzpatienten ein anderer pathophysiologischer Mechanismus zugrunde liegt als der Depression von Patienten ohne Demenz. Eine andere, für die Praxis wichtigere Frage ist, wie depressiven Demenzkranken geholfen werden kann. Die Autoren der Studie schlagen ein stufenweises Vorgehen vor. Dies umfasst ein sorgfältiges Überwachen der Symptome während einiger Wochen, begleitet oder gefolgt von psychosozialen Interventionen. Ist eine medikamentöse Therapie angezeigt, ist zu beachten, dass Sertralin, das oftmals als First-line-Medikament zur Behandlung von Depressionen angewandt wird, in dieser Studie mehr unerwünschte Effekte als Mirtazapin zeigte.
Die Linderung der depressiven Erkrankung war in allen Gruppen in etwa vergleichbar. Das heißt, auch eine Placebo-Therapie kann die Depression abschwächen. | ||||||
Placebo | Sertralin | Mirtazapin | ||||
Anzahl der Teilnehmer | CDDS-Score | Anzahl der Teilnehmer | CDDS-Score | Anzahl der Teilnehmer | CDDS-Score | |
Baseline | 111 | 13,6 | 107 | 12,8 | 108 | 12,5 |
Woche 13 | 95 | 7,7 | 78 | 8,6 | 85 | 7,6 |
Woche 39 | 82 | 8,5 | 68 | 8,5 | 76 | 7,7 |
Quelle
Banerjee S., et al.: Sertraline or mirtazapine for depression in dementia (HTA-SADD): a randomised, multicentre, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 378, 403 – 411 (2011).Brodaty H.: Antidepressant treatment in Alzheimer’s disease. Lancet 378, 375 – 376 (2011).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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