Prisma

Warum Spinnenseide besser hält als Stahl

Sie ist fünfmal so reißfest wie Stahl und übertrifft selbst die derzeit besten synthetischen Fasern: Spinnenseide. Bislang kann niemand sie in industriellem Maßstab herstellen. Nun ist es Wissenschaftlern der TU München und der Universität Bayreuth gelungen, ein weiteres Geheimnis der Seidenproteine zu lüften.

Spinnenfäden bestehen aus langen Ketten tausender sich wiederholender Sequenzen von Eiweißmolekülen. In der Spinndrüse lagern die Proteine in hoher Konzentration und warten auf ihren Einsatz. Die langen Ketten dürfen sich dabei nicht zu nahe kommen, da sonst die Eiweiße verklumpen würden. Erst im Spinnkanal, kurz vor der Verwendung, werden die Fäden parallel geordnet und bilden Mikrokristallite, die sich durch Quervernetzungen zu festen Fäden zusammensetzen. Im letzten Jahr hatten Wissenschaftler um Professor Horst Kessler und Professor Thomas Scheibel herausgefunden, wie der Übergang vor sich geht: Die Proteine werden in der Spinndrüse in Mizellen gespeichert, wobei sich die Eiweißketten so lagern, dass sich die beiden Enden der Kette außen und die Wasser abweisenden Teile in der Mitte befinden. Auf diese Weise können die Proteine gut gelöst gespeichert werden, ohne dass sie sich zusammen lagern. Als Regulationselement, das im Spinnkanal für die Bildung des festen Fadens sorgt, konnten die Forscher die C-terminale Domäne des Seidenproteins identifizieren. Sie verhindert in der Spinndrüse bei höheren Salzkonzentrationen die Bildung des Fadens. Im Spinnkanal, bei niedriger Salzkonzentration, wird sie instabil und "klebrig". Dadurch lagern sich die Ketten zusammen und ein fester Spinnenseidefaden entsteht. Jetzt gelang es den gleichen Forschern, ein weiteres Teil im Puzzle der Spinnenseide aufzudecken. Sie zeigten, dass auch das andere Ende des langen Fadens, die N-terminale Domäne, eine wichtige Rolle spielt. N-terminale Kopfstücke liegen in der Spinndrüse einzeln vor und lagern sich im Spinnkanal zu Kopf-Schwanz-Paaren zusammen. Reguliert wird die Zusammenlagerung dabei durch die Veränderung des pH-Wertes und der Salzkonzentration zwischen Spinndrüse und Spinnkanal. Die neuen Erkenntnisse könnten als Vorlage dienen, neue Materialien mit verbesserten Eigenschaften herzustellen.


ral


Quelle: Pressemitteilung der TU München vom 17. 8. 2011



DAZ 2011, Nr. 35, S. 8

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