- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 30/2011
- Sinnvoller ...
Praxis
Sinnvoller Medikationsplan für einen Diabetiker?
Nach Durchsicht der Daten zu den verordneten Medikamenten scheint der Patient unter einer Herzinsuffizienz mit Bluthochdruck und einem Diabetes zu leiden.
Eine Bewertung kann ausschließlich aufgrund der vorliegenden Daten erfolgen, was wegen der fehlenden Kenntnis über Diagnose und klinischer Situation des Patienten nur als Hinweis verstanden werden darf, jedoch keinesfalls als Therapieanweisung.
Situation: 88 jähriger Patient mit Multimedikation für Herz/Kreislauf sowie Diabetes, dessen Diagnosen nicht bekannt sind.
Annahme: Der Patient hat eine Herzinsuffizienz mit erhöhtem Blutdruck und Diabetes mellitus. Möglicherweise liegt zudem eine eingeschränkte Nierenfunktion vor, was bei älteren Patienten über 70 Jahren meist der Fall ist und bei diesem Patienten einen zusätzlichen Risikofaktor für eine Nierenfunktionseinschränkung als Diabetesfolge darstellt.
Arzneiversorgungsblatt | Nepresol 50 mg | ||||||
Medikament | vor/zu/nach d. Mahlzeit | morgens | vormittags | mittags | nachmittags | abends | z. Nacht |
Ramipril–CT 10 mg Tab 100 S | 1 | 0 | 1 | ||||
Torem 10 Tab 100 St N3 | 1 | 0 | 0 | ||||
Moxonidin – CT 0,4 mg Film FTA 10 | 1 | 0 | 1 | ||||
Actraphane 30 Flexpen Fer10 x 3 ml | 12 | 12 | |||||
Digimerck 0,1 mg Tab 100 S N3 | 1 | 0 | 0 | ||||
Metoprolol Ret Ratio 200 Ret 50 S | ½ | 0 | ½ | ||||
Amlodipin (Maleat) Dex 10 mg Tab 10 S | ½ | ½ | |||||
ASS Ratiopharm 100 mg Tab 100 S | 1 |
Kardiale Medikation und Leitlinienkonformität
Im Folgenden wird der Leitlinien-gerechte Einsatz der verordneten kardialen Medikamente analysiert:
ACE-Hemmer (Ramipril) sind bei Herzinsuffizienz Therapie der ersten Wahl
Beta-Blocker (Metoprolol) sind zusätzlich bei NYHA II-IV indiziert
Schleifendiuretika (Torem®) ist indiziert bei Retention / ausgeprägten Ödemen und/oder Nierenfunktionseinschränkung (GFR < 30 ml/min).
Digitoxin (Digimerck®) ist indiziert bei zusätzlichem tachiarrhythmischem Vorhofflimmern, welches auch eine Thrombozytenaggregationshemmung (ASS) notwendig macht.
Die zusätzliche Gabe eines Calcium-Antagonisten ist indiziert bei symptomatischer KHK, begleitender arterieller Hypertonie und zur Therapie pektanginöser Beschwerden. Hierbei sind allerdings ausschließlich langanflutende Dihydropyridine (Amlodipin) zu wählen. Andere Calcium-Antagonisten sind kontraindiziert. Aus pharmazeutischer Sicht ist noch darauf zu achten, dass die Tabletten (vor allem nach dem Teilen) lichtgeschützt gelagert werden, da der Wirkstoff unter Lichteinfluss zerstört wird.
Als weitere Medikation ist Moxonidin aufgeführt, ein Präparat zur Behandlung einer leichten bis mittelschweren Hypertonie, meist als Zusatzmedikation zu anderen Bluthochdruckmedikamenten genutzt. Auf dem Arzneiverordnungsplan war zudem noch handschriftlich Nepresol® (Dihydralazin) aufgeführt, ebenfalls eine Zusatzmedikation bei Hypertonie, vor allem bei Nierenbeteiligung. Bei diesem Präparat ist allerdings nicht bekannt, ob es der Patient noch bekommt. Eine Gabe beider Medikamente gleichzeitig wäre abzulehnen wegen synergistisch auftretender Wirkungen und Nebenwirkungen (Schwindel, Mundtrockenheit).
Interaktions-Check
Ein Interaktions-Check der Medikamente zeigt, dass die Medikation sorgfältig zu überwachen ist. Es bestehen Möglichkeiten der Hypoglykämie, sowie Blutdruckabfall und AV-Überleitungsschwierigkeiten. Auch die Kombination von Kaliuretika (Torem®) und Herzglykosiden (Digimerck®) birgt die Gefahr einer verstärkten Wirkung der Herzglykoside, so dass eine regelmäßige Kontrolle der Blut-elektrolyte angezeigt ist.
Überprüfung der Tagesdosierungen
Kritisch zu sehen ist bei den Medikamenten Ramipril und Moxonidin die Überschreitung der empfohlenen Tageshöchstdosen laut Herstellerangaben.
Bei Ramipril (hier: 20 mg/Tag) gilt eine Tageshöchstdosis von 10 mg, bei Niereninsuffizienz (GFR < 60 ml/min) sogar reduziert auf 5 mg. Diese ist bei diesem Patienten auch unabhängig von der Nierenfunktion deutlich überschritten. Gleiches gilt für den Wirkstoff Moxonidin. Laut Hersteller gilt eine Tageshöchstdosis von 0,6 mg, bei Niereninsuffizienz von 0,4 mg (hier verordnet: 0,8 mg/Tag). Zusätzlich ist bei Moxonidin zu beachten, dass es nicht bei Herzinsuffizienz NYHA II-IV angewendet werden darf und ebenso nicht bei Niereninsuffizienz mit einer GFR < 30 ml/min. Es wäre zu prüfen, ob dieses Medikament korrekt angewendet wird oder ob man es nicht gänzlich weglassen kann, wenn der Zielblutdruck bei etwa 150/80 mmHg liegt, wie für Patienten um 80 Jahre nach Leitlinie gefordert wird (bei Diabetes mellitus Typ II < 130/80 mmHg).
Für Digitoxin (Digimerck®) gibt die Fachinformation eine Erhaltungsdosis für Patienten über 60 Jahre von 0,07 mg an. Im vorliegenden Therapieplan ist mit 0,1 mg eine höhere Dosis verordnet.
Fazit
Zusammenfassend sehen wir eine Medikation, die auf einen herzinsuffizienten Patienten mit gleichzeitiger blutdrucksenkender Therapie bei Diabetes mellitus schließen lässt. Die therapeutischen Maßnahmen erscheinen insgesamt nachvollziehbar und evident unter der Voraussetzung der guten therapeutischen Kontrolle und Überwachung durch den Hausarzt. Die möglichen Wechselwirkungen der Medikamente sollten dem praktizierenden Arzt nicht unbekannt sein.
Die Überschreitung der Tageshöchstdosen bei drei Medikamenten (Ramipril, Moxonidin, Digitoxin) sollte unseres Erachtens nochmals ärztlich überprüft werden. Gleichzeitig empfiehlt sich eine Neubewertung der therapeutischen Maßnahmen, um vielleicht die Polymedikation reduzieren zu können.
Die Antwort kurz gefasstMit dem Medikationsplan wurden keine Diagnosen übermittelt, so dass die Überprüfung nur unter der Annahme von Diagnosen möglich war. Die Medikation legt nahe, dass es sich um einen Patienten mit Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz und Hypertonie handelt.
|
Literatur
Fachinformation, BPI Service GmbH
InternetrechercheABDA-Datenbankawmf-Leitlinie S3-Leitlinie Herzinsuffizienz 10/2009Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche Hypertoniegesellschaft: Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie 6/2008Autor
Apotheker Tilmann Schöll, Schwarzwald-Baar Klinikum
Villingen-Schwenningen GmbH, Vöhrenbacher Str. 23, 78050 Villingen-Schwenningen
Ein Forum für DAZ-Leser!In regelmäßigen Abständen beantworten Apothekerinnen und Apotheker des Regionalen Arzneimittelinformationszentrums der LAK Baden Württemberg, Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen, in der Rubrik "Fragen aus der Praxis" klinisch-pharmazeutische und pharmakologische Fragen. Apothekerinnen des Instituts für Sozialpolitik in Bremen erörtern in dieser Rubrik Probleme, die sich aus den Regelungen zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Hilfsmitteln für gesetzlich Versicherte ergeben. Die Rubrik "Fragen aus der Praxis" soll aber darüber hinaus auch ein Forum für DAZ-Leser sein. Gerne können Sie sich mit Fragen an uns wenden, gerne veröffentlichen wir Ihre Antworten zu interessanten Anfragen Ihrer Ärzte und Patienten. Nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf, z. B. mit einer Mail an daz@deutscher-apotheker-verlag.de. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.