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Schwerpunkt Venen
Krampfadern – erkennen und entfernen
An den Beinen bedarf es zusätzlich zur Pumpleistung des Herzens der Muskel- und Gelenkpumpe, um das Blut gegen die Erdanziehungskraft bis zum Herzen zurück zu transportieren.
Arbeiten die Muskeln im Bein, z. B. durch die Bewegung des Sprunggelenkes beim Gehen, drücken diese auf die Venen und fördern so die Weiterleitung des Blutes. Die Richtung des Blutflusses wird dabei durch Venenklappen bestimmt, die das Blut nur in Richtung zum Herzen durchlassen.
Wenn die Venenklappen nicht vollständig schließen, kommt es zum Reflux, erhöht sich der Füllungszustand der Venen, und durch den erhöhten Venendruck kommt es zum Ödem. Der Patient verspürt ein Spannungs- und Schweregefühl in den Beinen. Er beobachtet eine Schwellneigung zunächst der Knöchelregion, später des ganzen Unterschenkels, besonders in den Abendstunden. Die veränderte Elektrolytzusammensetzung begünstigt die Entstehung von Wadenkrämpfen. Bei lange bestehenden Krampfadern kommt es durch Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen zu trophischen Störungen der Haut mit Braunverfärbung (Purpura jaune d´ocre) und Vulnerabilität, bis zum Ulcus cruris venosum.
Man unterscheidet die primäre Varikose, die in der Mehrzahl auf eine familiäre Belastung zurückzuführen ist, von der sekundären Varikose, die zumeist nach einer Thrombose entstanden ist. Faktoren, die eine primäre Varikose begünstigen, sind weibliches Geschlecht, Schwangerschaften und mechanische Belastung durch stehende Tätigkeiten.
Die entstehenden Krampfadern teilt man nach ihrem Kaliber und der Lage ein. Besenreiser und die etwas größeren retikulären Varizen liegen in der obersten Hautschicht. Sie stellen zunächst nur ein kosmetisches Problem dar und führen üblicherweise nicht zu Beschwerden. Stamm- und Seitenastvarizen sind die klassischen Krampfadern der großen oberflächlichen Beinvenen. Die Stammvenen sind die Vena saphena magna, die vom Innenknöchel bis zur Leiste reicht, und die Vena saphena parva, die vom Außenknöchel bis zu einem Punkt etwas oberhalb der Kniekehle führt.
Seitenastvarizen sind Krampfadern an den Verzweigungen dieser beiden großen Venen. Sie können zusätzlich zur Stammvarikosis oder auch alleine auftreten. Die Stammvarikosis beginnt mit einer Insuffizienz der Venenklappe kurz vor Eintritt der Vene in das tiefe Beinvenensystem entweder in der Leiste (V. saph. magna) oder oberhalb der Kniekehle (V. saph. parva). Dieses Stadium wird in der Klassifikation nach Hach als Grad 1 bezeichnet. Je länger über diese undichte Klappe Blut aus dem tiefen Venensystem entgegen der normalen Stromrichtung ins oberflächliche Venensystem zurückfließt, desto stärker und weiter schreitet die Krampfaderbildung in Richtung Fuß fort. Bei der Vena saph. magna beschreibt Grad 2 nach Hach einen Rückstrom bis oberhalb des Knies und Grad 3 bis unterhalb des Knies. Wenn die Knöchelregion erreicht wird, liegt Grad 4 vor.
Sowohl das tiefe Venensystem als auch die Perforansvenen, die die oberflächlichen mit den tiefen Venen verbinden, können entweder nach einer Thrombose oder durch fortgesetzte Volumenbelastung bei langjährig bestehenden oberflächlichen Krampfadern geweitet werden. Vor Sanierung des oberflächlichen Venensystems muss die Durchgängigkeit und Funktionstüchtigkeit des tiefen Venensystems nachgewiesen werden.
Krampfadern ohne Beschwerden werden als Schweregrad 1 bezeichnet. Das mögliche Beschwerdebild besteht aus Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, Schwellneigung, Wadenkrämpfen und dumpfen Schmerzen und bezeichnet Grad 2. Bei Auftreten von trophischen Störungen ist Grad 3 erreicht. Grad 4 bezeichnet das Ulcus cruris (Varikose; Noppeney, Nüllen Springer 2010).
Apparative Untersuchungen zur Diagnostik
Beim Krampfaderleiden ist eine umfangreiche Diagnostik notwendig, um die medizinische Relevanz einschätzen zu können und um hämodynamische Störungen und eine Beteiligung des tiefen Venensystems aufzudecken. Es müssen primäre Varikosen von sekundären unterschieden werden. Auch ist es erforderlich, begleitende periphere arterielle Verschlusskrankheiten oder Lymphabflussstörungen zu erkennen bzw. auszuschließen.
Die Doppler-Ultraschalluntersuchung kann den Blutstrom mit einem akustischen Signal darstellen, bei der Duplexuntersuchung erfolgt eine visuelle Wiedergabe. Dabei kann nicht nur der Blutfluss beurteilt werden, sondern auch die Weite eines Gefäßes, die Wanddicke, mögliche Gefäßverschlüsse (Thromben) und das Vorhandensein von Venenklappen. Die Klappenfunktion kann mittels Valsalvaversuch überprüft werden und somit die Länge des insuffizienten Venenabschnitts bestimmt werden.
Die Phlebographie ist die Darstellung des Venensystems mit Hilfe von Röntgenstrahlen. Für die normale Varizendiagnostik hat die Duplexsonographie die Phlebographie als Standardverfahren abgelöst.
Die Photoplethysmographie ist ein nicht-invasives Verfahren, bei dem mit Infrarotlicht der Füllungszustand der Beinvenen gemessen wird. Dies gibt einen gewissen Überblick über die Leistungsfähigkeit des Venensystems und der Wadenpumpe. Zusätzlich kann dabei über einen Stauschlauch z. B. das oberflächliche Venensystem komprimiert werden, um den Zustand nach einer Operation zu simulieren. Durch verschiedene Fehlerquellen ist die Aussagekraft des Verfahrens aber eingeschränkt. Thrombosen können dabei z. B. allenfalls vermutet werden, so dass in jedem Fall weitere Untersuchungen folgen müssen.
Die Phlebomanometrie ist eine invasive Methode, hierbei wird der zu untersuchende Venenabschnitt punktiert und der Blutdruck direkt innerhalb des Gefäßes gemessen. Diese Untersuchung hat nur in Einzelfällen Vorteile in der Aussagekraft gegenüber unblutigen Untersuchungsmethoden wie der Doppler-Sonographie.
Therapiemöglichkeiten
Zweck der Therapie ist entweder die Beseitigung ästhetisch störender Befunde oder bei hämodynamisch relevanten venösen Durchblutungsstörungen die Verhinderung der Entstehung einer chronisch venösen Insuffizienz mit dem Endstadium eines Ulcus cruris. Unbehandelt führt eine medizinisch bedeutsame Varikose, insbesondere mit Stammveneninsuffizienz und Perforansinsuffizienz häufig zu Komplikationen wie chronischen Ödemen, trophischen Hautveränderungen, Ulcus cruris oder tiefer Leitveneninsuffizienz.
Sklerotherapie
Bei der Sklerosierung wird ein Verödungsmittel direkt in die Krampfader injiziert. In Deutschland ist zur Sklerotherapie ausschließlich Polidocanol (Aethoxysclerol®) zugelassen. Für Besenreiser wird es flüssig angewandt und stellt mit Erfolgsraten von ca. 90% das Standardverfahren dar. Alternativ kann bei bestimmten Besenreiserdurchmessern auch ein Laser eingesetzt werden. Bei größeren Kalibern wird heutzutage durch Pumpen des gleichen Medikamentes in zwei Spritzen ein Schaum hergestellt, der einen intensiveren Kontakt zur Venenwand herstellt, so dass die Wirkung in etwa verdoppelt wird. Bei Seitenastvarizen stehen Operation und Schaumsklerosierung nahezu gleichberechtigt nebeneinander. Bei der Stammvarikosis stellt die Operation das Standardverfahren dar.
Um das Thromboserisiko zu reduzieren, muss der Patient im Anschluss einen Kompressionsverband tragen und mobil sein. Ausgeprägte Ödeme verhindern zum einen die exakte Lokalisation der zu behandelnden Vene und zum anderen eine effektive Kompressionsbehandlung in der Nachbehandlungsphase. Auch bei der fortgeschrittenen arteriellen Verschlusskrankheit darf nicht komprimiert werden und daher auch nicht verödet werden. Die Thrombophlebitis ist ebenfalls eine Kontraindikation.
Die sklerosierte Vene ist zunächst noch tastbar und gegebenenfalls als bräunlicher Strang sichtbar. In der Regel wird sie im Verlauf mehrerer Wochen, manchmal Monaten, vollständig abgebaut. Entzündungsreaktionen und Hämatome an den Injektionsstellen sind häufig. Eine paravasale Injektion kann eine Nekrose verursachen. Ein entstandener Thrombus muss gegebenenfalls mittels einer kleinen Incision entfernt werden. Die Erfolgsrate der Schaumsklerotherapie von Stammvarizen nach fünf Jahren wird mit 80% angegeben. Durch die veränderten Druckverhältnisse infolge einer erfolgreichen Sklerosierung können Besenreiser entstehen. Dieses "matting" ist schwierig zu beseitigen, kann ähnlich jedoch auch bei operativer Sanierung auftreten.
Das Venenstripping bei Stammvaricosis
Eine Operation von erweiterten oberflächlichen Venen ist nur dann möglich, wenn das tiefe Venensystem gesund und durchgängig ist. Bei den meisten operativen Behandlungsverfahren werden je nach Ausmaß der Erkrankung Teile des oberflächlichen Venensystems oder nur einzelne Seitenäste entfernt. Neben der Allgemeinanästhesie steht auch die Tumeszenzanästhesie zur Verfügung, bei der große Mengen eines hochverdünnten Lokalanästhetikums (Lidocain oder Prilocain) verwendet werden.
Beim Standardverfahren zum Venenstripping nach dem Erfinder Babcock wird zunächst in der Leiste die Einmündung des oberflächlichen in das tiefe Venensystem freigelegt. Danach werden alle dort einmündenden Venen ligiert. Anschließend wird in die Vena saphena magna eine Sonde eingeführt, mit deren Hilfe der defekte Venenanteil herausgezogen wird. Kleinere Seitenäste der Stammvenen können über zusätzliche Schnitte exstirpiert werden. Sowohl für das "Stammvenenstripping" als auch für die Behandlung der Seitenastvenen gibt es vielfältige technische Variationen, deren Ziel ein optimales funktionelles und kosmetisches Ergebnis ist. Die Rezidivraten fünf Jahre nach Operationen werden in der Literatur mit 5% (Einarsson 1993) bis zu 34% (Dwerryhouse 1999) angegeben.
Bei Perforansveneninsuffizienz muss jede zu behandelnde defekte Vene gezielt unterbunden werden. Dies kann für jede einzelne Vene über einen eigenen Schnitt geschehen, oder aber für alle Venen gemeinsam über ein endoskopisches Operationsverfahren. Besonders Patienten mit einem Ulcus curis profitieren von dieser Methode, da dabei auch eine eventuelle Fasziensklerose, die wesentlich zur Verschlimmerung der Erkrankung beiträgt, gespalten werden kann.
Die CHIVA-Methode
Aus Frankreich kommt die CHIVA-Methode, bei der erweiterte Venen im Gegensatz zu anderen Operationsverfahren nicht entfernt werden, sondern lediglich mittels Fäden abgeschnürt werden. Die Bezeichnung CHIVA ist eine Abkürzung für cure hémodynamique de l’insufficience veineuse en ambulatoire. Der Vorteil dieser Methode soll darin liegen, dass die defekte Vene im Körper verbleibt und sich so dauerhaft regenerieren kann.
Nach der Operation
Allgemein gilt für alle Venenoperationen, dass der Patient schon wenige Stunden nach der Operation mobilisiert werden sollte, um das Thromboserisiko zu verringern. In Abhängigkeit vom gewählten OP-Verfahren ist für ca. sechs Wochen nach der Operation eine Kompressionsbehandlung erforderlich. Die Wundnähte können zumeist zwischen dem 7. und 10. Tag nach der Operation entfernt werden. Verbliebene Seitenäste der Stammvenen lassen sich bei einer Nachuntersuchung etwa sechs Wochen später erkennen und z. B. mittels Sklerotherapie entfernen.
Mögliche Komplikationen
Häufig entstehen im Kanal der gezogenen Vene Hämatome. Insbesondere an der Einmündung der Vena saphena magna in das tiefe Venensystem kann es durch verbliebene Restvenen zum Rezidiv kommen. Durch die Nähe der Venen zu oberflächlichen Nerven kann es insbesondere im Knöchelbereich zu Nervenreizungen mit Dysästhesien kommen. Wundinfektionen und überschießende Narbenbildung treten eher selten auf.
In den letzten Jahren sind minimal-invasive Verfahren entwickelt worden, um die Rate unerwünschter Wirkungen zu reduzieren: Bei der Radiofrequenztechnologie wird die Vene am unteren Ende der defekten Venenstrecke punktiert und ein Katheter bis knapp an jene Stelle der Leiste eingeführt, wo die Vene in das tiefe Venensystem einmündet. Das Katheterende wird erhitzt und gibt seine Energie gezielt an die Veneninnenwand frei, die sich dauerhaft zusammenzieht. Die Vorteile: Die Energie wirkt nur in der Vene, umliegendes Gewebe wird nicht geschädigt, es treten deutlich weniger Beschwerden und praktisch keine Narben auf. Die Erfolgsraten sollen vergleichbar zur herkömmlichen Operation sein. Da auch diese Methode immer weiterentwickelt wird, liegen für die aktuelle Technik naturgemäß noch keine Langzeitergebnisse vor.
Alternativ zum Einsatz von Radiowellen kann die Energie auch als Laserlicht an die Venenwand gebracht werden. Dabei wird statt eines Katheters eine Lichtleitfaser verwendet. Es gibt Hinweise, dass die Lasertherapie mit etwas mehr unerwünschten Wirkungen und einer höheren Rekanalisationsrate im späteren Verlauf verbunden ist als bei den Radiowellen. Eine weitere Alternative ist ein Katheter, der Wasserdampf an seiner Spitze freisetzt. Hierzu liegen noch keine belastbaren Vergleichsdaten vor.
Krampfadern sind ein chronisches Leiden. Vor der Bildung neuer Varizen kann auch die beste Operations- oder Sklerosierungstechnik nicht schützen. Kontrollen sind daher angezeigt.
QuelleLeitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampfaderleidens der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V., AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/016www.venenratgeber.de
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Uwe Schwichtenberg, Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Kaffeestraße 2, 28779 Bremen, info@dr-schwichtenberg.de
Apotheken Praxis
Dieser DAZ beigeheftet ist unsere Apotheken Praxis zum Schwerpunkt Venen. In ihr informieren wir Sie über die lokale und systemische Pharmakotherapie bei Venenerkrankungen sowie über die Möglichkeiten und Grenzen der Kompressionstherapie. Dazu haben wir viele Hinweise für die Beratung und eine Übersicht über die verschiedenen Kompressionsstrümpfe zusammengestellt.
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