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Medizin
Was tun bei akuter Atemnot?
In der Regel schildern Betroffene ihre Atemnot verständlicherweise zunächst als beklemmend, bei stärkerer Ausprägung als beängstigend oder gar lebensbedrohlich. Dennoch ist die Symptomatik für den Arzt oder Rettungskräfte nicht leicht quantifizierbar. Zum einen kann der Dyspnoe neben den gängigen auch einmal eine seltenere, etwa neuromuskuläre Ursache zugrunde liegen. Zum anderen handelt es sich – was in die Definition der Atemstörung bewusst mit einfließt – um eine subjektive Empfindung des Patienten. So gibt es zumeist keine strenge Korrelation zu objektiven Messungen, beispielsweise der Sauerstoffsättigung oder dem pO2 -Wert in der Blutgasanalyse. Klinisch kann die Dyspnoe – der Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz entsprechend – in vier Schweregrade eingeteilt werden (s. Tab. 1).
Tab. 1: Einteilung der Dyspnoe nach subjektiven Beschwerden | |
Schweregrad |
Subjektive Beschwerden |
I |
Beschwerdefreiheit bei normaler körperlicher Belastung |
II |
Dyspnoe bei schwerer körperlicher Belastung (z. B. Treppensteigen) |
III |
Dyspnoe bei leichter körperlicher Belastung (z. B. Gehen auf ebener Fläche) |
IV |
Dyspnoe in Ruhe |
Eine akut aufgetretene Atemnot bedeutet immer eine Notfallsituation. In den meisten Fällen liegt die Ursache in einer kardialen, pulmonalen oder pulmonalvaskulären Störung (s. Tab. 2).
Tab. 2: Die häufigsten Ursachen einer akuten Dyspnoe | |
kardial |
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pulmonal
(vaskulär)
|
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pulmonal
(obstruktiv)
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pulmonal |
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andere |
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Unbehandelt droht die Gefahr eines lebensbedrohlichen Atemstillstands sowie eines (kardial oder hypoxisch bedingten) Kreislaufstillstands, so dass eine rasche Notfallversorgung und Diagnosestellung unabdingbar ist. Einen differenzialdiagnostischen Algorithmus bei akuter Dyspnoe mit Schwerpunkt auf thorakalen Ursachen zeigt Abbildung 1.
Zeigt der Patient neben der Atemnot sonst eher keine weiteren kardiopulmonalen Symptome, muss ätiologisch nach einer extrathorakalen Störung gefahndet werden, wie zum Beispiel:
•Intoxikationen,
• Medikamentenüberdosierungen,
• Anaphylaxie,
• zerebrale Erkrankungen
(Tumoren, multiple Sklerose),
• psychogene Ursachen (Panikattacke, Hyperventilation)
• Anämie,
• Ketoazidose bei Diabetes mellitus,
• große abdominale Tumoren.
Bei Kindern sollte grundsätzlich auch an Infekte wie Epiglottitis und Krupp sowie an die Möglichkeit einer Fremdkörperaspiration gedacht werden.
Diagnostik
Trotz der möglichen Einteilung der Dyspnoe in vier Schweregrade ist im Akutfall eine letztlich unspezifische Angabe wie z. B. "Atemnot bei Anstrengung" ohne größeren diagnostischen Nutzen. Ergiebiger sind anamnestische Hinweise, sowohl auf bereits bekannte, etwa respiratorische oder kardiovaskuläre Erkrankungen des Patienten, als auch auf eine atopische Veranlagung oder ein vorangegangenes Trauma. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass die aktuellen Beschwerden eine kardiale Ursache haben, bei bekannter Herzinsuffizienz um das 5,8-Fache erhöht und um das 3,1-Fache, wenn der Patient in seinem Leben bereits einen Myokardinfarkt erlitt.
Auch sollte der Patient nach Begleitsymptomen gefragt werden, vor allem nach Fieber, Auswurf, Schwindel, Schmerzen und Angst. Bei pektanginösen Beschwerden ist primär an einen Myokardinfarkt oder akutes Koronarsyndrom zu denken, bei atemabhängigen Thoraxschmerzen an eine Lungenembolie. Akut aufgetretene Thoraxschmerzen bei einseitig aufgehobenem Atemgeräusch sind dringend verdächtig auf einen Pneumothorax.
Bei der Inspektion bzw. körperlichen Untersuchung ist auf folgende Symptome zu achten:
Zeichen einer kardialen Ursache: Tachykardie, Bradykardie, Arrhythmie, 3. Herzton (hoher prädiktiver Wert bei Herzinsuffizienz), gestaute Halsvenen, Lungenödem, Herzgeräusche, Blutdruckabfall.
Zeichen einer gestörten Atmung: hohe Atemfrequenz, verminderte Atemtiefe, Atemgeräusche, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Ein inspiratorischer Stridor spricht für eine Atemwegsverlegung, ein exspiratorischer Stridor und Giemen für Asthma. Bei kardial bedingter Stauung hört man feuchte Rasselgeräusche, bei Pneumonie klingende feinblasige Rasselgeräusche bei abgeschwächtem Atemgeräusch.
Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz: Zyanose, Unruhe, Vigilansstörung, Kreislaufinstabilität.
Im EKG erkennt man gegebenenfalls eine Störung der Herzfrequenz und des -rhythmus, Infarktzeichen (ST-Hebung) bzw. Hinweise für eine Myokardischämie (ST-Senkung), Zeichen der Linksherzhypertrophie oder Rechtsherzbelastung.
Bei der vorläufigen Diagnose eines akuten Koronarsyndroms reagiert der Patient auf die Gabe von Nitroglycerin entweder nitrosensibel (Angina pectoris) oder nitrorefraktär (Myokardinfarkt).
D-Dimer-BestimmungD-Dimer ist ein Fibrinspaltprodukt, erhöhte Werte dienen als Aktivierungsmarker der Hämostase. Haupteinsatzgebiet ist die Ausschlussdiagnostik der venösen Thrombose und der Lungenembolie sowie die Diagnose der disseminierten intravasalen Gerinnung. Ein D-Dimer-Antigen-Spiegel im ELISA-Test unterhalb eines testspezifischen Grenzwertes schließt eine akute Thrombose oder Embolie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. |
Laborchemisch im Vordergrund stehen Parameter wie Blutbild (Anämie?), Elektrolyte, Creatinin und Blutzucker, zusätzlich vor allem bei Thoraxschmerz die Relation der Creatininkinase vom Myokardtyp zur Gesamt-Creatininkinase-Aktivität (CK-MB/CK > 6% bei Myokardischämie), die D-Dimer-Bestimmung und der Troponin-Test (s. Kästen). Eine Hypoxämie und Hypokapnie in der Blutgasanalyse spricht für eine Lungenembolie.
Troponin-Test
Kardiales Troponin ist ein Proteinkomplex, welcher bei Schädigung des Herzmuskelgewebes in das Blut freigesetzt wird. Auch bei normalem EKG kann der Nachweis erhöhter Spiegel der Troponin-Untereinheiten T und I auf ein akutes Koronarsyndrom oder einen Infarkt hinweisen.
- Troponin T: Anstieg 3 bis 8 Stunden nach Infarkt, Maximalwert innerhalb 4 Tagen, Normalisierung nach ca. 2 Wochen.
- Troponin I: Anstieg 3 bis 8 Stunden nach Infarkt, Maximalwert innerhalb 24 Stunden, Normalisierung nach ca. 10 Tagen.
Allerdings wurden in den letzten Jahren auch andere Ursachen einer Troponin-Erhöhung ohne koronare Perfusionsstörung identifiziert (z. B. Lungenembolie, fortgeschrittene Herz- oder Niereninsuffizienz)
Die weiterführende, zumeist stationäre Diagnostik umfasst folgende Maßnahmen:
Herzecho: eingeschränkte links- und/oder rechtsventrikuläre Funktion, Wandbewegungsstörungen, Größe der Herzhöhlen, Klappenfunktion
Röntgen-Thorax: Lungenstauung bzw. -ödem, pneumonische Infiltrate, Pneumothorax, Pleuraerguss, Herzgröße und -konfiguration
CT Thorax: Lungenembolie, Infiltrat
Sonografie Abdomen/Pleura: Pleuraerguss, Stauungsleber
Therapie
Sofern keine Schocksymptomatik oder reanimationspflichtige Situation besteht, gehören zu den Erstmaßnahmen beim Leitsymptom der akuten Dyspnoe folgende Schritte:
ruhige Umgebung schaffen, den Patienten beruhigen,
Oberkörperhochlagerung,
Sauerstoffgabe 4– 8 l/min über Nasensonde,
venöser Zugang,
Pulsoxymetrie und EKG,
Anamnese und körperliche Untersuchung
Welche initiale medikamentöse Intervention und ob eine Intubation und Beatmung erforderlich ist, richtet sich nach der Verdachtsdiagnose und dem Ausmaß gestörter Vitalfunktionen (s. Kasten initiale Interventionen).
Initiale InterventionenMyokardinfarkt
Akute Herzinsuffizienz (Lungenödem)
Akuter Asthmaanfall
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LiteraturBaars T, Erbel R. Internistische Notfall- und Intensivmedizin. Köln: Deutscher Ärzteverlag. 1. Aufl. 2011Hehlmann A. Leitsymptome. München, Jena: Urban & Fischer. 5. Aufl. 2007Mewis C, Riessen R, Spyridopoulos I. Kardiologie compact. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag. 1. Aufl. 2003Herold G. Innere Medizin. Köln: Gerd Herold; 2009Maurer M. Akute Dyspnoe – Wege zur Diagnose. Der Allgemeinarzt. 2010; 16: 46 – 50
Autor
Clemens Bilharz, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, Stuttgart
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