Arzneimittel und Therapie

Überschüssiges Collagen mit Collagenasen auflösen

Die Dupuytren'sche Kontraktur wird bislang vor allem chirurgisch behandelt. Mit Xiapex® steht nun eine mikrobielle Collagenase zur Verfügung, die nach Injektion die krankhafte Verdickung des Gewebes in der Aponeurose der Handinnenflächen und Finger auflöst. Ein Dupuytren’scher Strang besteht zum größten Teil aus interstitiellem Collagen vom Typ I und III und kann daher enzymatisch durch die Collagenasen hydrolytisch lokal begrenzt abgebaut werden.

Die Dupuytren'sche Kontraktur, benannt nach dem französischen Chirurgen Baron Guillaume Dupuytren, der sie 1834 als erster beschrieb, ist eine langsam fortschreitende Erkrankung des Bindegewebes in den Handinnenflächen und den Fingern. Dabei lagert sich überschüssiges Kollagen an der Palmaraponeurose (Aponeurose = flächenhafte Sehne, breite Sehnenplatte) ab und führt zunächst zu einer krankhaften Verdickung des Gewebes in der Aponeurose. Im weiteren Verlauf bilden sich Knötchen und schließlich Stränge, die zu einer Beugekontraktur der Finger führen: Die betroffenen Finger, am häufigsten Ring- und Kleinfinger, werden in eine permanent nach innen zur Handfläche gekrümmte Position gebeugt. In der Anfangsphase ist die Erkrankung wenig belastend. Im Verlauf, mit zunehmender Beugung, werden aber alltägliche Verrichtungen zunehmend zum Problem, wie etwa sich zu waschen oder sich anzuziehen, Auto zu fahren oder auch bestimmte Sportarten wie Tennis oder Golf zu betreiben. Für die Dupuytren'sche Kontraktur wird ein genetischer Hintergrund angenommen. Denn bei immerhin bis zu 70% der Patienten lässt sich eine positive Familienanamnese erheben. Zudem sind solche Beugekontrakturen bei Männern häufiger als bei Frauen, bei Älteren häufiger als bei Jüngeren. Ein erhöhter Alkohol- und Tabakkonsum gilt ebenfalls als Risikofaktor.

So spät wie möglich operieren

Therapie der Wahl ist bislang die chirurgische Korrektur der Fehlstellung mit dem Ziel eine normale Sensibilität und freie Beweglichkeit der Finger und der Hand zu erreichen. Laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie sollte aber erst chirurgisch eingegriffen werden, wenn eine mechanische Behinderung durch Kontrakturstränge vorliegt und die Beugekontraktur eines oder mehrerer Fingergelenke 20 erreicht hat. "Da wir einen Finger nicht so oft operieren können, operieren wir so spät wie möglich", erläuterte Haerle. Ist diese Entscheidung gefallen, wird in Deutschland in der Regel eine Fasziektomie durchgeführt, bei der das erkrankte Gewebe nach einem Einschnitt in die Handfläche teilweise oder völlig entfernt wird. Die Rezidivrate liegt bei 35%. Das nächtliche Tragen von Dehnungsschienen kann das Rezidivrisiko reduzieren.

Collagenase bricht Dupuytren’schen Strang auf

In eine so Haerle "narbenfreie, unblutige Zukunft" in der Behandlung der Dupuytren’schen Kontraktur könnte nun Xiapex® führen. Es handelt sich dabei um zwei aufgereinigte Collagenasen, die als Injektion direkt in den Dupuytren’schen Strang injiziert werden und dessen Struktur aufbrechen. Collagenasen sind Proteinasen, die Collagen unter physiologischen Bedingungen hydrolysieren. Xiapex® besteht aus einem Gemisch von clostridialen Collagenasen der Klasse I (AUX-I) und Klasse II (AUX-II) in einem definierten Massenverhältnis. Die beiden Collagenase-Klassen zeigen eine ähnliche, aber sich ergänzende Substratspezifität. Beide Collagenasen spalten interstitielles Collagen in wirksamer Weise, jedoch an unterschiedlichen Orten am Molekül; zusätzlich bevorzugen sie auch unterschiedliche Konformationen (Dreifachhelix versus denaturiert oder gespalten). 24 Stunden nach der Injektion wird der Finger, möglichst unter Lokalanästhesie, einer Extension unterzogen und gestreckt. Falls das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, können Injektion und Fingerstreckung nach etwa vier Wochen wiederholt werden. Wirksamkeit und Sicherheit der mikrobiellen Collagenasen ist in den beiden zulassungsrelevanten Studien CORD-(Collagenase Option for Reduction of Dupuytren’s) I und II gezeigt. In CORD I (n = 303) konnten unter Verum bei 64% der Gelenke eine Verringerung der Beugekontraktur auf 5° oder weniger (primärer Endpunkt) erreicht werden (Placebo: 6,8%). In CORD II (n = 66), die auch Patienten mit einem Rezidiv einschloss, waren es 44% gegenüber 4,8%. Ein verbesserter Bewegungsumfang wurde bei 77,6% gegenüber 4,7% und bei 70,7% gegenüber 7% erreicht. Knapp 70% der Patienten äußerten sich sehr zufrieden über die Therapie mit der mikrobiellen Collagenase und damit signifikant mehr als unter Placebo. Die Ärzte kamen zu einer ähnlichen Einschätzung. Noch ein Blick auf die Rezidivrate: Weder in CORD I innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 90 Tagen noch in CORD II innerhalb eines Beobachtungszeitraums von zwölf Monaten traten Rezidive auf.

Ödeme, Kontusionen und Hauteinrisse

Häufigste Nebenwirkungen waren Ödeme, Kontusionen und Schmerzen an der Injektionsstelle. Ebenfalls häufiger kommt es laut Dr. Jörg Witthaut, Vogtareuth, zu Hauteinrissen, besonders am Kleinfinger, die aber unproblematisch zu behandeln sind. Schwerwiegendstes, aber extrem seltenes Risiko ist der Sehnenriss. Insgesamt ist dies bislang lediglich zweimal in den USA am Kleinfinger aufgetreten. Entscheidend ist, dass der Arzt über das notwendige anatomische und pathophysiologische Wissen verfügt um die Injektionsnadel richtig zu platzieren.

Mit einer Standortbestimmung dieser innovativen Methode taten sich die Referenten zum jetzigen frühen Zeitpunkt schwer. Sie muss sich erst in der Praxis bewähren. Und, so betonte Witthaut: Beim Patienten sollten keine überzogenen Erwartungen geweckt werden. Auch mit mikrobieller Collagenase lässt sich die Dupuytren’sche Kontraktur nicht heilen: "Die Grunderkrankung bleibt und damit das Rezidivrisiko."


Steckbrief: Mikrobielle Collagenase


Handelsname: Xiapex

Hersteller: Pfizer Pharma GmbH, Berlin

Einführungsdatum: 1. Mai 2011

Zusammensetzung: Jede Durchstechflasche mit Pulver enthält 0,9 mg mikrobielle Collagenase. Sonstige Bestandteile: Pulver: Sucrose, Trometamol, Salzsäure 2,4% (zur pH-Einstellung). Lösungsmittel: Calciumchlorid-Dihydrat, Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche, 1143,63 Euro, PZN 7788764.

Stoffklasse: Mittel gegen Störungen des Muskel- und Skelettsystems, Enzyme. ATC-Code: M09AB02

Indikation: Zur Behandlung einer Dupuytren’schen Kontraktur bei Patienten mit einem tastbaren Strang

Dosierung: 0,58 mg pro Injektion in einen tastbaren Duputruyen‘schen Strang

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile

Nebenwirkungen: Lymphadenopathie; Pruritus, Ekchymose; Schmerzen in den Gliedmaßen; peripheres Ödem, Blutung/Schmerzen/Schwellung an der Injektionsstelle, Druckempfindlichkeit; Kontusion.

Wechselwirkungen: Die Anwendung von Xiapex® bei Patienten, die Tetracyclin-Antibiotika in den letzten 14 Tagen erhalten haben, wird nicht empfohlen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Ärzte müssen darauf vorbereitet sein, schwere lokale oder systemische allergische Reaktionen, einschließlich einer möglichen Anaphylaxie, im Anschluss an die Injektion zu behandeln. Eine Injektion in Sehnen, Nerven, Blutgefäße und andere collagenhaltige Strukturen der Hand muss vermieden werden, weil dies möglicherweise zu dauerhaften Schäden wie Sehnenruptur oder Schäden an Bändern führen kann. Bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen oder Patienten, die Antikoagulanzien einnehmen, muss Xiapex® mit Vorsicht angewendet werden.



Quelle

Fachinformation Xiapex®, Stand Februar 2011.

Dr. Alexander Biedermann, Berlin; Prof. Dr. Max Haerle, Markgröningen; Dr. Jörg Witthaut, Vogtareuth: "Xiapex® – erste Injektionstherapie mit erwiesener Wirksamkeit bei Dupuytren’sche Kontraktur mit tastbarem Strang", München, 28. Juni 2011, veranstaltet von der Pfizer Pharma GmbH, Berlin.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2011, Nr. 27, S. 26

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