Prisma

Sind Männer doch die besseren Zuhörer?

Frauen können besser zuhören als Männer, lautet ein gängiges Klischee. Trifft es tatsächlich zu? Wissenschaftler der Neurologischen Klinik und des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung am Universitätsklinikum Tübingen sind dieser Frage am Beispiel des bekannten "Cocktailpartyphänomens" nachgegangen.

Auf einer Party sind zahlreiche Stimmen aus unterschiedlichen Richtungen gleichzeitig zu hören. Konzentrieren möchten wir uns in einer Gesprächssituation aber nur auf eine Stimme, nämlich die unseres Gegenübers. Hierzu müssen wir alle anderen Stimmen und Geräuschquellen unterdrücken. Dies stellt an unser Aufmerksamkeitssystem eine hohe Anforderung. Mithilfe mehrerer Lautsprecher, aus denen verschiedene Alltagsgeräusche ertönten, untersuchten Tübinger Forscher, ob ein Geschlechterunterschied bezüglich der räumlichen Aufmerksamkeitsleistung beim Hören besteht – nämlich ob Männer oder Frauen besser ein bestimmtes Geräusch aus mehreren, unterschiedlich lokalisierten Schallquellen "heraushören" können. Tatsächlich fand sich ein Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern: Männer können die Schallquelle demnach viel genauer ermitteln als Frauen. Die mögliche Ursache für den Unterschied könnte in der menschlichen Evolution liegen. Männer waren diejenigen, die jagten, um Nahrung zu besorgen. Dabei waren räumliche Aufmerksamkeitsleistungen extrem wichtig, sowohl im visuellen als auch im auditorischen Bereich. Beispielsweise konnten Beutetiere durch Geräusche lokalisiert werden, lange bevor sie zu sehen waren. Auch wenn in der heutigen Zeit derartige Funktionen für den Alltag nicht mehr vonnöten sind, so hinterließen sie doch Spuren in der Organisation unseres Gehirns und dementsprechend in unserem Verhalten.

Allerdings bedeutet das Lokalisieren einer Schallquelle nicht zwingend, dass man sich auf das Gehörte auch mental einlässt, also nicht nur hört, sondern zuhört. Ob Männer hierbei den Frauen überlegen sind, geht aus der Untersuchung nicht hervor.


hel


Quelle: Zündorf, I.C. et al.: Cortex 2011; 47(6): 741 – 749



DAZ 2011, Nr. 26, S. 8

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