Arzneimittel und Therapie

Neue Behandlungsoption für Kinder in Afrika

Als Alternative zu Chinin wird seit 2006 von der WHO für Erwachsene Artesunat zur Behandlung der Malaria tropica empfohlen. In einer aktuellen Studie wurden nun Ergebnisse bei der Behandlung von afrikanischen Kindern mit dem halbsynthetischen Wirkstoff aus dem chinesischen Beifuß veröffentlicht.
Das Leben der von Malaria betroffenen Kinder retten Das einfach und sicher intravenös zu applizierende Artesunat sollte zukünftig das Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung schwerer Malariafälle auch für Kinder sein. Für eine flächendeckende Behandlung mit Artesunat ist es nötig, eineden GMP-Richtlinien entsprechende Produktion von Artesunat in den afrikanischen Endemiegebieten zur Verfügung zu stellen. Jährlich könnten damitschätzungsweise 100.000 Leben gerettet werden.  Foto: imago/sepp spiegl

In Afrika besteht eine weitgehende Resistenz des Malarieerregers gegen Chinin. Die Malaria tropica, mit einem zum Teil fulminanten Verlauf, zählt zu den häufigsten Mortalitätsursachen bei afrikanischen Kindern. Für sie stehen jedoch nur wenige adäquate Medikamente zur Verfügung bzw. es liegen kaum Studien vor. Unter der Bezeichnung AQUAMAT wurde eine Studie mit Artesunat im Vergleich zu Chinin durchgeführt. An der randomisierten Studie nahmen insgesamt von Oktober 2005 bis Juli 2010 5425 Kinder im Alter unter fünf Jahren teil. Die Patienten wurden in elf Zentren in neun afrikanischen Staaten zur Behandlung einer durch Plasmodium falciparum verursachten Malaria vorgestellt. Auch wenn es sich um eine offen deklarierte Studie handelte, war keiner der in die Behandlung Involvierten über die statistischen Ergebnisse während der Studiendauer informiert. 2712 der Kinder erhielten parenteral Artesunat und 2713 die bislang als Standard geltende parenterale Chininbehandlung. Einschlusskriterien waren ein positiver Plasmodium-falciparum -Nachweis sowie die Beurteilung durch einen Arzt nach einem Kriterienkatalog für einen schweren Infektionsverlauf. Zu den Kriterien zählten unter anderem ein Hämoglobinwert unter 50 g/l, mehr als 100.000 Parasiten/l, Blutharnstoff von mehr als 10 mmol/l und ein Plasmaglucosewert von weniger als 3 mmol/l. Außerdem wurden Blutdruck, Gelbsuchtsymptome, akutes Atemnotsyndrom, Kreislaufdekompensation und Bewusstlosigkeit als weitere Kriterien zur Beurteilung herangezogen. In beiden Gruppen waren etwa 48% der Kinder weiblich, litten seit durchschnittlich drei Tagen an einem malariabedingten Fieberschub und waren unmittelbar vor Beginn der Behandlung etwa fünf Stunden komatös.

Artesunat erhielten die kleinen Patienten in einer Dosierung von zweimal 4 mg/kg Körpergewicht zum Start der Therapie, dann nach zwölf und 24 Stunden jeweils eine weitere Dosis. Die Therapie wurde mit einer Dosis täglich fortgesetzt, bis der Patient wieder in der Lage war, oral versorgt zu werden. Als Ergänzung wurde zusätzlich oral das Kombinationspräparat Artemether und Lumefantrin verabreicht. Damit wurde der WHO-Forderung für Kombinationstherapien bei Malaria entsprochen (siehe Kasten).


Resistenzen vorbeugen


Bereits 2006 hat sich die WHO gegen eine Monotherapie von Malaria mit Artesunat ausgesprochen. Durch die Kombination mit anderen Wirkstoffen, zum Beispiel Amodiaquin oder Artemether und Lumefantrin, soll eine Resistenzbildung der Erreger vermieden werden. Erfahrungen aus vorherigen Neueinführungen von wirksamen Malariapräparaten machen deutlich, dass sich der Erreger bei monotherapeutischem Ansatz innerhalb weniger Jahre anpasst. Kombinationspräparate senken das Risiko der Resistenzbildung.

Die Sterberate während des Krankenhausaufenthaltes als primärer Outcome lag für die mit Artesunat behandelten Kinder bei 8,5% und in der Chinin-Vergleichsgruppe bei 10,9%. Auch bei der Häufigkeit des Auftretens von Krampfanfällen und dem Eintreten eines Komas schnitt Artesunat im Vergleich zum Chinin besser ab. Ebenfalls wurden weniger durch Hyperinsulinämie verursachte Hypoglykämien nach der Behandlung mit Artesunat als bei Chinin beobachtet. Damit wird Artesunat insgesamt als verträglicher und wirksamer beurteilt. Kein signifikanter Unterschied konnte jedoch beim zweiten Outcome – schwere neurologische Folgekomplikationen – festgestellt werden.

Chance muss ermöglicht werden

Die bessere Wirksamkeit des Artesunat im Vergleich zum Chinin wird auf den stärkeren Einfluss auf die Parasitenaktivität zurückgeführt. Der Inhaltsstoff des chinesischen Beifuß Artemesinin tötet effektiv die Schizonten vor der Reifung im Blut. Durch Modifikation des Moleküls Artemisinin zum Artesunat konnte eine bessere Bioverfügbarkeit erreicht werden.

In dem Artikel begegnen die Autoren bereits einer möglichen Kritik, warum für dieses Ergebnis die Studie fünf Jahre gedauert hat und eine so große Zahl an Patienten behandelt werden musste, um Sicherheit und Wirksamkeit von Artesunat nachzuweisen. In Studien, die im asiatischen Raum mit Artesunat durchgeführt wurden, konnten höhere Erfolgsquoten nachgewiesen werden. Als eine mögliche Ursache sehen die Autoren eine bereits bestehende Grundimmunität gegen Plasmodium falciparum bei afrikanischen Kindern. Die bisher durch die Hersteller durchgeführten Untersuchungen konnten in dieser pädiatrischen Zielgruppe keine Unterschiede im Therapieerfolg zwischen Artesunat und Chinin bei afrikanischen Kindern nachweisen. Die Autoren fordern vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse, dass das einfach und sicher intravenös zu applizierende Artesunat zukünftig das Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung schwerer Malariafälle auch für Kinder sein sollte. Die dabei entstehenden höheren Kosten werden in dem Artikel bewusst angesprochen, genauso wie eine flächendeckende Behandlung mit Artesunat umsetzbar wäre. Dafür sei es nötig, so die Autoren, eine den GMP-Richtlinien entsprechende Produktion von Artesunat in den betroffenen afrikanischen Endemiegebieten zur Verfügung zu stellen. Nach Berechnung der Autoren könnten damit jährlich 100.000 Leben der vier Millionen von Malaria betroffenen Kinder gerettet werden.


Quelle

Dondorp, A. N.; et al.: Artesunate versus quinine in the treatment of severe falciparum malaria in African children (AQUAMAT): an open-label, randomised trial; Lancet (2010) 376: 1647 – 1657.

Shanks, G. Dennis: For severe malaria, artesunate is the answer: Lancet (2010) 376; 1621 – 1622.

WHO: WHO calls for an immediate halt to provision of single-drug artemisinin malaria pills – New malaria treatment guidelines issued by WHO; www.who.int/mediacentre/news/releases/2006/pr02/en/index.html


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer



DAZ 2011, Nr. 2, S. 45

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