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Im Dienst der Kasse

Peter Ditzel

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) beschert den Apotheken seit Anfang des Jahres nicht nur einen höheren Kassenabschlag und in vielen Fällen geringere Großhandelsrabatte. Es brachte den Apotheken auch einen gewaltigen Zuwachs an Bürokratie – die die Apotheker quasi im Auftrag der Krankenkassen leisten müssen. Natürlich ohne finanziellen Ausgleich, ohne Vergütung. Welche Berufsgruppe bringt immer wieder Sonderopfer ohne irgendwelche Erleichterungen zu erhalten? Welche Berufsgruppe lässt sich immer mehr aufhalsen, ohne einen Ausgleich dafür zu verlangen? Die Ärzte sind es sicher nicht – aber die Apotheker. Das sind die jüngsten Beispiele:

Das Durcheinander mit der Packungsgrößenverordnung. Das Unheil nahm seinen Lauf mit den Rabattverträgen der Krankenkassen. Sie wünschten sich eine Austauschbarkeit zwischen den N-Größen der Arzneimittelpackungen. N3 bedeutete in den Vor-AMNOG-Zeiten schon mal 56, 98 oder 100 Tabletten. Klar, dass sich das in der Regel nicht mit der vom Arzt beabsichtigten Therapiedauer vertrug. Eine neue Packungsgrößenverordnung musste her. Die Umstellung der Packungsgrößenkennzeichen auf die Therapiedauer muss nun bis Mitte 2013 erfolgt sein. Da die Kassen aber schon jetzt eine bessere Austauschbarkeit der Packungsgrößen verlangten, schaltete man eine Änderung der Packungsgrößenverordnung davor, die neue Messzahlen für N1, N2 und N3 festlegt und am 1. Januar in Kraft trat. Für Arzneimittelmengen, die innerhalb dieser neuen Messzahlen liegen, kann der Arzt weiterhin die N-Größen verordnen. Entspricht der Packungsinhalt aber nicht den neuen Messzahlen, dürfen sie nicht mehr zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, es sei denn, der Arzt verordnet genau die in der Packung befindliche Stückzahl.

Das bedeutet: Der Apotheker hat bei N-Verordnungen zu prüfen, ob die Stückzahl des verordneten Arzneimittels innerhalb der neuen Messzahlen liegt. Und bei Stückzahl-Verordnungen muss er darauf achten, dass die Stückzahl innerhalb der neuen Messzahlen liegt. Falls nicht, kommen nur Arzneimittelpackungen infrage, die exakt die Stückzahl beinhalten, ein Austausch mit anderen Generika ist dann nicht möglich. Umständlicher geht‘s kaum. Und vor allem: Gäbe er bei einer N-Verordnung eine Packung ab, die eine Menge außerhalb des Messzahlenbereiches beinhalten würde, könnte ihm sogar eine Retaxation drohen.

Auch hier offenbart sich erneut der gesamte Wahnsinn der Rabattverträge und Rabattarzneimittel. Allein der formale Arzneimittelabgabevorgang für die gesetzliche Krankenversicherung wird immer aufwendiger und verschlingt wertvolle Zeit. Neben der Überprüfung, welcher Rabattvertrag für die jeweilige Kassen vorliegt und ob genau dieses Rabattarzneimittel am Lager ist und ob die Austauschfähigkeit gegeben ist und ob keine pharmazeutischen Bedenken dagegen vorliegen und ob vielleicht auch ein Importarzneimittel zum Zuge kommen müsste, ist nun auch noch die genaue Stückzahl im Bezug zur N-Größe zu realisieren und entsprechend der Packungsgrößenverordnung zu berücksichtigen. Ein Schwall von Formalien, ohne dass der Patient zu den eigentlichen pharmazeutischen Fragen wie Anwendungshinweise, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen beraten werden konnte. Diese Beratung muss sich jetzt noch anschließen.

Die Mehrkostenregelung – eigentlich gut gemeint im Sinne des Patienten. Wenn schon die Kasse nur "ihr" Rabattarzneimittel bezahlen will – warum soll es dem Patienten nicht möglich sein, "sein" Wunscharzneimittel gegen Aufpreis zu wählen, das er gut vertragen hat anstatt eines Rabattarzneimittels, das die Kasse für ihn nach rein merkantilen Gesichtspunkten ausgesucht hat.

Doch den Kassen scheint diese Regelung ein Dorn im Auge zu sein, ist sie doch mit Mehraufwand verbunden und ein Angriff auf die Geheimhaltung der Rabatthöhe. Kein Wunder, wenn die Kassen schon in den ersten Tagen des neuen Jahres mit Pressemitteilungen kampagneartig ihren Versicherten öffentlich davon abraten, diese Möglichkeit zu nutzen und zum Teil mit Falschinformationen agieren. Auch wird es dem Patienten nicht leicht gemacht, sein Wunscharzneimittel zu bekommen. Er muss den Preis in der Apotheke erst einmal vorstrecken und bekommt nur einen kleinen Teil davon nach einigen Monaten von der Kasse erstattet.

Zudem versuchten die Kassen die Apotheker in Misskredit zu bringen, sie würden die Patienten zur Mehrkostenregelung überreden wollen. Oder sie spannen die Apotheker in ihre Dienste, sie sollten den Patienten den Erstattungsbetrag der Kassen ausrechnen. Ein unsinniges Unterfangen, zumal nur die Kasse den geheimgehaltenen Rabatt genau kennt und jede pauschale Berechnung nur eine ungefähre sein kann. Auch das zeigt wieder, dass die Rabattverträge ein systemwidriger Fremdkörper sind. Zu einer Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Körperschaft, die der Transparenz verpflichtet sein sollte, passt kein System privat-rechtlicher Verträge mit Geschäftsgeheimnissen. Die Rabattverträge sind das Grundübel. Die Mehrkostenregelung, die eigentlich die unerwünschten Effekte der Verträge für den Patienten mildern soll, macht dies erneut deutlich.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 2, S. 3

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