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- DAZ 14/2011
- Hilft eine Diät bei ADHS
Arzneimittel und Therapie
Hilft eine Diät bei ADHS?
Es gibt viele Vorstellungen, welche Faktoren eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung begünstigen können. Einer Annahme zufolge beeinflussen Nahrungsmittel das Krankheitsbild. So wie Kinder auf bestimmte Lebensmittel mit gastrointestinalen, bronchialen oder dermatologischen Problemen reagieren können, so scheint sich auch eine Überempfindlichkeit auf Nahrungsmittel in bestimmten Hirnregionen auszuwirken. Trifft diese Vorstellung zu, so müsste ADHS durch diätetische Maßnahmen modifiziert werden können. In diesem Zusammenhang geht eine niederländische Arbeitsgruppe folgenden Fragen nach:
Wird ADHS durch Nahrungsmittel getriggert, das heißt, besteht eine Hypersensitivität auf bestimmte Nahrungsmittel?
Liegt dabei eine allergische oder eine nicht-allergische Überempfindlichkeit vor?
Diese Fragen sollten in der INCA-Studie (INCA = The Impact of Nutrition on Children with ADHD) geklärt werden. An ihr nahmen 100 Kinder aus den Niederlanden und Belgien im Alter zwischen vier und acht Jahren mit diagnostizierter ADHS teil. Die Studie bestand aus zwei Teilen, einer Open-label-Phase, gefolgt von einer doppelblinden Cross-over-Phase. Das primäre Studienziel befasste sich mit der Frage, wie sich eine restriktive Diät auf das Verhalten von Kindern mit ADHS auswirkt. Das sekundäre Studienziel untersuchte, ob bei einer durch die Ernährung beeinflussten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung allergische oder nicht-allergische Mechanismen vorliegen. In den ersten Wochen (Baseline Periode; Woche eins bis drei) ernährten sich die Kinder normal. Während dieser Zeit wurde die Schwere ihrer Erkrankung anhand mehrerer Skalen (u.a. ARS = ADHS rating Skala, geht von 0 bis 54; ACS = Abbreviated Conners Skala, geht von 0 bis 30) festgehalten, sowie relevante Blutparameter (unter anderem Nahrungsmittel-spezifische IgG-Werte) bestimmt. Dann wurden jeweils 50 Kinder einer Diät- oder einer Kontrollgruppe zugeordnet und die erste Phase der Studie eingeleitet.
Open-label-Phase
Die Open-label-Phase erstreckte sich über die Wochen vier bis neun. Während dieser Zeit erhielten die Kinder der Kontrollgruppe eine gesunde Kost, die Kinder der Diätgruppe eine restriktive Eliminationsdiät (few foods). Diese bestand aus wenigen Lebensmitteln wie Reis, Fleisch, Gemüse, Birnen und Wasser, eventuell ergänzt mit Früchten, Kartoffeln und Weizen. Trat nach zwei Wochen keine Besserung ein, wurde die Diät weiter eingeschränkt (few foods). Am Ende der Woche neun wurde die Schwere der Erkrankung erneut beurteilt.
41 Kinder der Diät- und 42 der Kontrollgruppe beendeten die erste Phase. Von den 41 Kindern der Diät-Gruppe wurde bei 17 Kindern die Diät nach zwei Wochen auf einige wenige Lebensmittel eingeschränkt (few foods).
Ergebnisse der Open-label-Phase
32 (78%) Kinder sprachen auf die Diät an, 9 (22%) nicht, das heißt, bei der Mehrzahl der Kinder war die restriktive Diät erfolgreich. Der Vergleich zwischen der Diät- und der Kontrollgruppe zeigt eine Verbesserung der Symptomatik in der Diätgruppe. So nahm der ARS-Score um 23,7 (p < 0,0001) bei der Bewertung durch die Eltern und um 15,3 (p < 0,0001) bei der Bewertung durch die Lehrer ab, der ACS-Score sank um 11,8 (p < 0,0001) bei der elterlichen Bewertung, und um 7,5 bei der Beurteilung durch die Lehrer (p < 0,0001).
Cross-over-Studie
An dem zweiten Teil der Studie mit doppelblindem Cross-over-Design nahmen 30 Kinder teil, die auf eine Restriktionsdiät angesprochen hatten. Sie erhielten jeweils zwei Wochen lang die restriktive Diät, der drei Nahrungsmittel zugefügt wurden, die bei dem betreffenden Kind in den Vortests einen hohen IgG-Wert bzw. einen niederen IgG-Wert gezeigt hatten. Mit dieser Studienanordnung sollte geklärt werden, ob einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung eine allergische Komponente zugrunde liegen kann. Bei 63% der Kinder verschlechterte sich die Symptomatik signifikant und zwar unabhängig davon, ob die zusätzlichen Nahrungsmittel mit einem hohen oder mit einem niedrigen IgG-Wert korrespondierten.
Fazit eines Kommentators
Ein Kommentator fasst die Studienergebnisse folgendermaßen zusammen: Eine restriktive Eliminationsdiät kann bei einem Teil der betroffenen Kinder eine ADHS lindern. IgG-Bestimmungen zur Ermittlung problematischer Lebensmittel sind nicht aussagekräftig.
Welche Relevanz hat diese Aussage für die Praxis? Mithilfe einer restriktiven Eliminationsdiät kann ermittelt werden, ob eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung durch Nahrungsmittel beeinflusst wird. Diese zeitlich begrenzte (zwei bis maximal fünf Wochen) Diät sollte aber nur in Zusammenarbeit mit einem Arzt und einem Ernährungsberater erfolgen, um Mangelerscheinungen beim Kind zu verhindern. Ist die Eliminationsdiät erfolgreich, können sukzessive weitere Lebensmittel in den Speiseplan übernommen werden. Tritt durch die Hinzunahme einer bestimmten Speise wieder eine Verschlechterung ein, ist dieses Nahrungsmittel zu meiden.
QuellePelsser L., et al.: Effects of a restricted elimination diet on the behaviour of children with attention-deficit hyperactivity disorder (INCA study): a randomised controlled trial. Lancet 377, 494 – 503 (2011).Ghuman J.: Restricted elimination diet for ADHD: the ICNA-Study. Lancet 377, 446 – 448 (2011).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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