DAZ aktuell

Bestätigt: Keine Preisnachlässe für Rx-Arzneimittel

HANNOVER (diz). Deutliche Worte vom Verwaltungsgericht Osnabrück: Rezeptboni im Wert von 3,00 Euro und ApoTaler im Wert von 1,50 Euro pro Position auf dem Rezept verstoßen gegen die gesetzliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Mit dieser Entscheidung vom 14. März 2011 hat das Gericht die Untersagungsverfügungen der Apothekerkammer Niedersachsen unter Anordnung des Sofortvollzugs vorläufig bestätigt. Was diese Beschlüsse für die Apothekenpraxis bedeuten, darüber sprachen wir mit der Rechtsanwältin der Apothekerkammer Niedersachsen, Dr. Marion Eickhoff.
Foto: DAZ/Schelbert
Verboten Für rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen keine Preisnachlässe gewährt werden – egal welcher Art.

Im Kern besagen die Beschlüsse: Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung verbindlichen Preis an seine Kunden abgibt, sondern auch, wenn er für das Arzneimittel zwar den korrekten Preis ansetzt, seinen Kunden beim Erwerb des Arzneimittels jedoch zugleich Vorteile gewährt, die den Erwerb des Arzneimittels für diesen wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. 

DAZ: Frau Eickhoff, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Osnabrück bestätigen das Verbot der Apothekerkammer Niedersachsen, Rezeptboni für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu geben. Während das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. September 2010 die Bonus-Frage wettbewerbsrechtlich untersuchte und Boni von 1 Euro für unbedenklich hält und erst über 5 Euro ein Limit setzte, drängte die Kammer Niedersachsen auf eine arzneimittelrechtliche Klärung. Was bedeuten die Beschlüsse des Gerichts nun konkret für die Apothekenpraxis?


Eickhoff: Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat mit seinen beiden Entscheidungen in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren die "Unnachgiebigkeit" der Arzneimittelpreisverordnung für Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel bestätigt, sei es direkt als Barrabatt oder indirekt über geldwerte Vorteile. Kundenbindungssysteme in der Form, dass der Kunde für die Einlösung seines Rezeptes über verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Apotheke belohnt wird, sind damit tabu. Gedanken über die Werthaltigkeit der Prämien braucht sich niemand zu machen. Diese Auffassung teilt im Übrigen auch das Verwaltungsgericht Lüneburg. Es hat in seinem Beschluss vom 23. März 2011 – gleichermaßen im Eilverfahren – Rezeptboni von 1,50 Euro pro Arzneimittel als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung bewertet und eine Untersagungsverfügung der Apothekerkammer Niedersachsen als rechtmäßig bestätigt. 


DAZ: Könnte man daraus auch die kurze Formel ableiten: Arzneimittelrecht sticht Wettbewerbsrecht?

Eickhoff: Das wäre zwar eine prägnante Formel, impliziert aber ein Gegeneinander oder Rangunterschiede der Rechtskreise. Dabei stellt das Verwaltungsgericht Osnabrück übereinstimmend mit dem BGH auf die unterschiedlichen Zweckbestimmungen des Wettbewerbsrechts einerseits und des Arzneimittelrechts andererseits ab und sieht keinen Widerspruch darin, dass wettbewerbsrechtlich Zuwendungen erst ab einer gewissen Werthaltigkeit bedenklich werden, das Arzneimittelpreisrecht dagegen keine Boni beim Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulässt.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zielt darauf, die Marktteilnehmer und den Verbraucher vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen (§ 1 UWG). Zugleich soll das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb geschützt werden. Das UWG verleiht den betroffenen Marktteilnehmern nur dann einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, wenn der Wettbewerb zu seinen Lasten spürbar beeinträchtigt ist. Damit wird letztlich verhindert, dass nicht jeder Marktteilnehmer über wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und gegebenenfalls Schadensersatzklagen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durchsetzen kann.

Indessen geht es im öffentlichen Recht darum, die Rechtsordnung zu wahren, mithin Verstöße gegen geltendes Recht zu beseitigen, zu verhüten oder zu sanktionieren. Die Arzneimittelpreisverordnung zielt nach dem Willen des Arzneimittelgesetzgebers auf die Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung, die gerade nicht durch einen Preiskampf gefährdet werden soll. Damit dies nicht geschieht, hat der Gesetzgeber die Aufsicht über die arzneimittelpreisrechtlichen Vorgaben auch entsprechenden Aufsichtsbehörden überantwortet. Sie haben die Befugnis, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu verfolgen. Eine solche Kontrolle ist nicht Aufgabe des Bürgers oder des Wettbewerbers.


DAZ: Gesetzt den Fall, die Antragsteller legen gegen dieses Urteil keine Beschwerde ein und das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück wird rechtskräftig – ist dann endgültig Schluss mit Boni und Talern auf Rx-Arzneimittel? Auch bei Versandapotheken?

Eickhoff: Im Grunde spielt diese Unterscheidung keine Rolle – ob mit oder ohne Versandhandelserlaubnis ist jede bundesdeutsche Apotheke an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden. Allerdings muss wohl damit gerechnet werden, dass noch weitere Verwaltungsgerichte für die Frage nach der Zulässigkeit von Rezeptboni bemüht werden. Wir brauchen uns nur an die zahlreichen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen erinnern, die der Entscheidung des BGH vom 9. September 2011 vorangegangen sind. Wir kennen ja das Phänomen, dass immer wieder eine Filtersatzlese gerichtlicher Entscheidungen betrieben wird. Gern nimmt man eine Individualität in Anspruch und meint, auch der eigene Fall muss noch durch den Instanzentzug "getrieben" werden. Wenn auch die Rechtsweggarantie zu den entscheidenden Säulen unseres Rechtsstaates gehört, sollten doch auch die fallübergreifenden Grundsatzaussagen gerichtlicher Entscheidungen, insbesondere höchstrichterlicher Art, wahrgenommen werden. Der BGH hat die Frage nach der Zulässigkeit von Zuwendungen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel verneint. Dem stimmen zwei niedersächsische Verwaltungsgerichte aus öffentlich-rechtlichem Blickwinkel zu. Insofern wäre es wünschenswert, dass diese Entscheidungen den einen oder anderen erreichen und davon überzeugen können, die Arzneimittelpreisverordnung zu akzeptieren und verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht durch die Mitgabe von Prämien, Gutscheinen oder anderen Zuwendungen letztlich unter Preis abzugeben.


DAZ: Wie stellt sich dann die Situation bei ausländischen Versandapotheken dar?

Eickhoff: Noch ist bedauerlicherweise unklar, ob diese nicht gleichermaßen wie die bundesdeutschen Apotheken an das deutsche Recht und damit auch an das Arzneimittelpreisrecht gebunden sind. Der BGH hat diese Frage erfreulicherweise bejaht. Da er damit allerdings im Widerspruch zu der vom Bundessozialgericht vertretenen Rechtsauffassung steht, ist nunmehr der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe angerufen, von dem noch in diesem Jahr eine Entscheidung erwartet wird.


DAZ: Ebenfalls im März hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht das Urteil bekräftigt, dass die Sanicare-Versandapotheke keine Zuzahlungsgutscheine ausgeben darf – eine Entscheidung, die ebenfalls in diesen wettbewerbs- und arzneimittelrechtlichen Kontext passt. Bahnt sich hier eine von den Kammern lange erwünschte Auffassung der Gerichte in dieser Frage an?

Eickhoff: Wir begrüßen diese Entscheidung des OVG Lüneburg, mit der die Zulassung zur Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück abgelehnt worden ist, sehr. Das Verwaltungsgericht Osnabrück und das OVG Lüneburg haben sich sehr klar – bereits in den vorangegangenen Eilverfahren – zu den Zuzahlungsgutscheinen als unzulässige Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel geäußert. Nach Auffassung des OVG Lüneburg ergibt sich eine Antwort auf die Frage, ob eine Apotheke Zuzahlungsgutscheine herausgeben und damit auf die Zuzahlung verzichten darf, durch einen Blick in das Gesetz bzw. in die Arzneimittelpreisverordnung. Es hat keine besondere rechtliche Schwierigkeit in der Streitfrage gesehen, die eine Zulassung zur Berufung rechtfertigen könnte. Das OVG Lüneburg nimmt ferner auf die Entscheidung des BGH Bezug. Mit dieser sei auch höchstrichterlich geklärt, dass beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel keine Boni gewährt werden dürfen. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat allerdings gleichermaßen im Streit um Zuzahlungsgutscheine die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Minden zugelassen. Dieses stimmte in seiner Rechtsauffassung mit der des Verwaltungsgericht Osnabrück überein und hatte Zuzahlungsgutscheine als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung bewertet.


DAZ: Gibt es weitere Urteile, die zu diesem Problemkreis anhängig sind?

Eickhoff: Die Apothekerkammer Niedersachsen führt noch ein weiteres Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig zu Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Ferner gibt es das zuvor erwähnte Verfahren vor dem OVG Münster zu den Zuzahlungsgutscheinen.


DAZ: Könnte von den niedersächsischen Entscheidungen eine Signalwirkung ausgehen?

Eickhoff: Wir könnten uns schon vorstellen, dass aufgrund der Entscheidungen möglicherweise noch unentschlossene Aufsichtsbehörden doch gegen vergleichbare Kundenbindungssysteme bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgehen und diese untersagen. Nach unseren Informationen erwägen die zuständigen Apothekenaufsichtsbehörden in Westfalen-Lippe und die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt entsprechenden Maßnahmen. Manche Kammern haben auch bereits berufsrechtliche Maßnahmen eingeleitet.


DAZ: Frau Eickhoff, vielen Dank für das Gespräch.



DAZ 2011, Nr. 14, S. 19

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