Arzneimittel und Therapie

ADHS-Verschlechterung durch Lebensmittelfarbstoffe?

Nachdem in der sogenannten "Southampton-Studie" für Kleinkinder unterschiedlicher Altersgruppen nach dem Trinken einer Mischung aus Lebensmittelfarbstoffen und dem Konservierungsstoff Natriumbenzoat eine erhöhte Hyperaktivität nachgewiesen worden war [1], ist die Sicherheit von Lebensmittelfarbstoffen immer wieder diskutiert worden. Jetzt hat die USamerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Tagung zu einer möglichen Exazerbation der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) durch Lebensmittelfarbstoffe anberaumt [2]. Es werden jedoch weder Verbote noch Warnhinweise erwartet.

Seit ihrer Einführung sind Lebensmittelfarbstoffe immer wieder in die Kritik geraten. Vor allem gänzlich synthetische, aber auch naturidentische Farbstoffe sind in der Vergangenheit vom Markt genommen worden, nachdem gesundheitsschädliche Wirkungen für diese Substanzen nachgewiesen worden waren. Derzeit sind neun Lebensmittelfarbstoffe in den USA zugelassen.

Zweifel an der Sicherheit

Im Jahre 2007 hatte in diesem Zusammenhang die "Southampton-Studie" Aufmerksamkeit erregt, die eine signifikante Zunahme der Hyperaktivität durch Lebensmittelfarbstoffe bei Kleinkindern unterschiedlicher Altersgruppen aufzeigte [1]. Die Ergebnisse der Studie galten jedoch für Mischungen verschiedener Lebensmittelfarbstoffe und nicht für die Einzelstoffe selbst. Die Probanden waren gesunde Kinder ohne bekannte Überempfindlichkeitsreaktion auf die Einzelstoffe oder der in der Studie applizierten Mischungen.

Die Resultate legten jedoch den Verdacht nahe, Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) könnten besonders betroffen sein und es könne durch Lebensmittelfarbstoffe zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes kommen. Alle heute in den USA zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe wurden zuvor im Tierversuch auf eine mögliche Toxizität geprüft, und die FDA sah sich daher bislang nicht veranlasst, weitergehende Maßnahmen zur Sicherheitsprüfung einzuleiten. Auch die europäische EFSA (European Food Safety Authority) hat bislang keine Konsequenzen gezogen. Lediglich das Europäische Parlament sprach sich für Warnhinweise als Vorsichtsmaßnahme aus.

Dennoch hat die FDA jetzt eine Tagung am 30. und 31. März zu dem Thema anberaumt [2]. Sie bezweifelt zwar den wissenschaftlichen Nachweis für eine mögliche Schädigung durch die zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe, reagiert damit aber offensichtlich auf eine Eingabe der US-Verbraucherschutzorganisation "Center for Science in the Public Interest", die auf ein Verbot der meisten Lebensmittelfarbstoffe drängt.

Obwohl die Aufnahme der Lebensmittelfarbstoffe aus toxikologischer Sicht als unbedenklich gilt, sind negative Auswirkungen im Sinne einer Überempfindlichkeitsreaktion auch nach Einschätzung der FDA denkbar. Ob sich die Gutachter dieser Ansicht anschließen werden, ist fraglich, da die "Southampton-Studie" nicht an Kindern mit einer bekannten Überempfindlichkeit durchgeführt wurde. So wird weder ein Verbot der Lebensmittelfarbstoffe noch eine Empfehlung für Warnhinweise unter diesen Prämissen nach der Tagung erwartet; eher wird es wahrscheinlich zu einer Empfehlung für weitere wissenschaftliche Untersuchungen kommen [3].


Quellen

[1] Mc Cann, D.; et al.: Food additives and hyperactive behaviour in 3-year-old and 8/9-year-old children in the community: a randomised, double-blinded, placebo-controlled trial. The Lancet 2007; 370(9598): 1560 – 1567.

[2] www.fda.gov: Background Document for the Food Advisory Committee: Certified Color Additives in Food and Possible Association with Attention Deficit Hyperactivity Disorder in Children. March 30 – 31, 2011.

[3] FDA: Exazerbation einer AHDS durch Lebensmittelfarbstoffe vorstellbar. aertzeblatt.de 30. März 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 14, S. 42

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