Gesundheitspolitik

Warum sollten Preise transparent sein?

Andreas Kaapke

Was sind Preise? Preise sind Gegenleistungen für in Anspruch genommene Leistungen von wem auch immer. Streng genommen haben wir es in diesem Zusammenhang mit einem ganzen Bündel von Begriffen zu tun. Ob Gebühr, Tarif, Miete, Pacht, Entgelt, Zins, Beitrag – es ist egal, wie wir die Sache nennen, am Ende des Tages stellt es sich als Preis für eine in Anspruch genommene Leistung dar. Wer also etwas verkaufen will, muss dafür einen Preis kalkulieren und diesen Preis dann irgendwie benennen, es bleibt ein Preis. Dieser Preis wird in der Regel unmittelbar entrichtet, will heißen: man kauft etwas und bezahlt dafür ein entsprechendes Salär. Davon gibt es an den verschiedensten Stellen Abweichungen. Beispielsweise sichert der Wartungsvertrag mit einem Handwerker einem Kunden die Wartung zu jedem Zeitpunkt für einen Pauschalbetrag. Schlicht gesagt, ist dies nichts anderes als eine Wartungsversicherung. Denn es könnte ja auch sein, dass bis auf eine Basisinspektion keine Leistung in Anspruch genommen werden muss. Der Kunde weiß dies und kann dies auch einschätzen, weil er zuvor genau abwägt, was es kosten würde, wenn er den Wartungsdienst außerhalb des Pauschalvertrages buchen müsste. Der Wartungsdienst weiß dies auch, weil er genau einkalkuliert, welchen Pauschalpreis er verlangen muss, damit er schlussendlich ein gutes Geschäft macht und unter Planungsgesichtspunkten auf der sicheren Seite steht. Eine noch stärkere Eskalationsstufe ergibt sich dort, wo der Gesetzgeber eine Leistung verordnet, also festlegt, dass man sich versichern muss. Dies ist uns vor allem von den Sozialversicherungssystemen also auch der Krankenversicherung bekannt, deshalb ja auch Gesetzliche Krankenversicherung benannt. Der Staat verordnet zum Schutze seiner Bürger die Krankenversicherung und legt sogar den zu zahlenden Beitrag fest, der über die Jahre hinreichend volatil war. Nur wer sich mehr leisten möchte, kann – so er an anderer Stelle eine bessere Leistung vermutet – die Versicherung wechseln, Zusatzversicherungen abschließen oder gar in die Private Krankenversicherung eintreten, so er die Voraussetzungen dafür erfüllt. Der Staat hat dies bislang ausdrücklich gebilligt. Er überlässt es dem Einzelnen ab einer gewissen Einkommenshöhe bewusst zu entscheiden, ob er dies will oder nicht. Der Kunde kann dann den Zusatzbetrag zahlen. Für diese Art von Leistung herrscht absolute Preistransparenz, denn klar ist, was zu entrichten ist. Ob er den Tarif tatsächlich kennt, ist davon unabhängig, er könnte aber, wenn er es denn wollte. Mithin muss sich der Beitragszahler um nichts kümmern, da dies automatisch vom Betrieb mit erledigt wird.

Rabattverträge – ein bürokratischer Aufwand

In der Arzneimittelversorgung gibt es seit geraumer Zeit Rabattverträge zwischen Hersteller und Krankenkassen. Demnach wird unter Beachtung der Aut-idem-Regelung dann an den Versicherten das ausgehandelte Präparat verabreicht, wenn der Arzt zwar den Wirkstoff und ein dafür beispielhaftes Präparat verordnet hat, sich aber nicht zwingend auf das auf dem Rezept stehende Arzneimittel kapriziert hat. Der Apotheker hat dann das ausgehandelte Präparat mit entsprechendem Wirkstoff abzugeben. Was für ein bürokratischer Aufwand, der hier in den Apotheken vollzogen werden muss! Ohne entsprechende Unterstützung von Hard- und Software wäre dies nicht zu bewerkstelligen. Ein Teil der so gewonnenen Wertschöpfung von Hersteller und Krankenkassen wird auf dem Rücken der Apotheken ausgetragen, die ein deutliches Mehr an Aufwand ohne Gegenleistung erbringen müssen. Im Gegenteil muss den mit diesen Gepflogenheiten nicht geübten Kunden auch noch in den Apotheken erläutert werden, warum es zu einer Abweichung zwischen Rezept und Tüte kommt.

Wieder einmal drangsaliert das System seine Apotheker

Für den Fall aber, dass der Patient ein für ihn bekanntes Arzneimittel möchte und der Arzt dies nicht explizit verschrieben hat, regelt nunmehr das AMNOG, dass bei Aufzahlung des Differenzbetrages zwischen ausgehandeltem Arzneimittel und gewünschtem Arzneimittel das gewünschte abgegeben werden kann. So weit so gut und natürlich auch einleuchtend. Aber es setzt Preistransparenz voraus. Unproblematisch ist der Preis für das gewünschte Präparat, diesen kennt der Apotheker. Nicht kennen soll er laut Willen der Krankenkassen aber den rabattierten Preis aus der Verhandlung, womit ihm die Referenz zur Berechnung der Differenz fehlt. Na und, könnte man rufen, dies kann über andere Erstattungsmodelle erfolgen.

Hier macht sich die ganze Scheinheiligkeit des Systems bemerkbar. Gesetzliche Krankenkassen haben die Aufgabe zum Wohle ihrer Versicherten zu agieren. Nimmt der Versicherte also den höheren Preis in Kauf, weil ein für ihn – warum auch immer – brauchbareres Arzneimittel zur Verfügung steht, ist es mit der Konsumentenwohlfahrt und dem Verbraucherschutz vorbei. Dem Kunden kann zum Zeitpunkt des Kaufs also nicht eindeutig gesagt werden, was er denn aufzahlen muss. Das schwächt die Stellung des Kunden, aber noch stärker die des Apothekenpersonals. Wie muss sich ein Apotheker vorkommen, der in der Offizin rumstammelt, dass es ihm schlechterdings nicht möglich sei, den Differenzbetrag zu errechnen. Welcher Kunde mag dies glauben? Fassungslos stehen Kunden und Patienten in den Verkaufsräumen und reiben sich die Augen, weil es kaum nachvollziehbar ist. Wieder einmal drangsaliert das System seine Apotheker, wieder einmal lässt man die Apotheker im Regen stehen. Und damit nicht genug: Weil man die Unglaublichkeit des Vorgehens erkennt und Angriff bekanntlich die beste Verteidigung ist, bezichtigt man die durch das AMNOG hinreichend gebeutelten Apotheker im Zuge der Diskussion um die Mehrkostenregelung noch der ungerechtfertigten Vorteilsnahme. Gesetzliche Krankenkassen haben den Staatsauftrag zu exekutieren. Selbstdarsteller und Besserwisser haben hier wenig verloren. Dass zu diesen Themen immer wieder die gleichen Protagonisten des Systems ihren unausgegorenen Sermon absondern, macht weder die Sache besser noch den Sachverhalt erklärbarer. Im Gegenteil möchte man diesen Schattenwerfern im Sinne der (Preis-)Transparenz mehr Licht wünschen.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2011, Nr. 8, S. 2

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