Wirtschaft

DAX: Warten auf die EZB

Schuldenkrise greift auf Länder der Euro-Kernzone über

(hps). Europäische Anleihen – von deutschen Staatsanleihen abgesehen – will keiner mehr. Der Handel kommt fast komplett zum Erliegen. Ein Eldorado für Spekulanten, die bei dünnen Umsätzen die Kurse nach unten prügeln können. Die Politik zeigt sich ratlos, die EZB sitzt zwischen allen Stühlen.

Die Berichtssaison zum dritten Quartal ist praktisch gelaufen und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Laut einer Studie der Commerzbank hat der Gewinn der DAX-Konzerne im Schnitt um gut 20% zugelegt. Dennoch trauen die Investoren dem Braten nicht so recht. Mit dem Regierungswechsel in Griechenland und Italien kam zwar Bewegung in die Schuldenkrise. Doch glaubt niemand wirklich, dass in der wichtigen Industrienation Italien der neue Ministerpräsident Mario Monti die notwendigen Sparmaßnahmen tatsächlich auch durchsetzen kann. Die hohen Zinssätze, unter denen sich die Südländer nur noch finanzieren können, sprechen da Bände. Unterdessen scheint der DAX nur noch ein Schatten des Anleihenmarktes zu sein. Gehen bei den Renten die Kurse deutscher Staatsanleihen nach oben, weil die Investoren ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, fällt im gleichen Atemzug der DAX zurück. Auf der europäischen Baustelle sind nun wahrlich genug Helfer im Einsatz. Doch ob sie nun Papademos, Monti, Merkel oder Sarkozy heißen – die Börse hat das Vertrauen in die europäische Politik verloren. Als Retter in der Not kommt jetzt nur noch die EZB infrage. Da die Spekulation gegen spanische und französische Anleihen nicht aufhören dürfte, wetten die Investoren hier auf ein Öffnen der Geldschleusen. Einmal mehr hat die Politik in Sachen Hebel für den Europäischen Rettungsfonds total versagt.

Bulle & Bär – was bringt die neue Börsenwoche?

"Starke Schwankungen" und eine "Schaukelbörse" befürchten die meisten Analysten für die kommenden Börsentage. Das Ganze soll sich um die 6000-Punkte-Marke herum abspielen. Chartanalysten sehen den DAX spätestens bei 6200 Punkten gedeckelt. Vergegenwärtigt man sich unterdessen, dass Spekulanten gerade dabei sind, fast die komplette EU-Zone sturmreif zu schießen, muss man die Reaktion an den Aktienmärkten schon als bemerkenswert gelassen bezeichnen. Offensichtlich liegen einige Akteure in Lauerstellung. Sie warten darauf, dass die EZB einknickt und nach amerikanischem Vorbild unlimitiert Geld in den Markt pumpt. Die Folge wäre wohl ein regelrechter Ausverkauf bei deutschen Staatsanleihen, die infolge der Flucht der Anleger in sichere Anlageformen völlig überbewertet sind. Die dabei freiwerdenden Gelder– so ist zu vermuten – dürften dann in die Aktienmärkte umgeschichtet werden. Insofern könnte vom Rentenmarkt die Initialzündung für den DAX ausgehen. Dass hier Stimmungsmache und fundamentales Umfeld zweierlei Stiefel sind, scheinen die sonstigen Rahmenbedingungen zu bestätigen. Beim Rohöl ist von Rezessionsängsten weit und breit nichts zu sehen und die US-Technologiebörse Nasdaq sieht sich auf dem höchsten Kursniveau seit zehn Jahren. Oliver Bäte, Allianz-Finanzchef, hatte es letzte Woche auf den Punkt gebracht. Am Anleihenmarkt sei einfach nichts los. So gelinge es einzelnen Investoren leicht, mit konzertierten Aktionen die Anleihenkurse unter Druck zu setzen. "Es gibt Teilnehmer am Kapitalmarkt, die an fallenden Preisen verdienen." Das scheint des Pudels Kern zu sein.

Der Dominoeffekt in der europäischen Schuldenkrise

Noch vor ein paar Wochen waren es ausschließlich die Anleihen von den sogenannten Peripheriestaaten wie Griechenland oder Irland, von denen sich die Investoren trennten, gebrandmarkt mit dem unschönen Namen "PIGS" (Portugal, Irland, Griechenland, Spanien). Inzwischen trifft die Verkaufshysterie indes auch Länder, die bisher noch als grundsolide galten. Mit den jüngsten Angriffen auf die Bonds aus Frankreich, Niederlande und Österreich gilt das Misstrauen der Anleger der Währungsunion als Ganzes. Internationale Investoren bauten ihr Risiko ab, weil sie die zögerliche Haltung der Europäer in der Bekämpfung der Schuldenkrise nicht verstünden, heißt es dazu unter Händlern. Unterdessen hat die Verkaufswut am Anleihenmarkt schon groteske Züge angenommen. So weist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen, die als sicherer Hafen gelten, nur noch eine Rendite von 1,75% auf. Frankreich dagegen, das wirtschaftlich nun auch nicht so viel schlechter dasteht, muss für vergleichbare Papiere derzeit schon 3,67% anbieten. Aktuell verschuldet sich die deutsche Regierung schon fast zum Nulltarif. Die durchschnittliche Rendite zweijähriger Bundesschatzanweisungen fiel kürzlich auf 0,39%. Fundamental lässt sich das nicht mehr begründen. Das wahre Motiv für die Attacken auf die Kernländer der Union scheint auch ganz anders zu liegen: Die Märkte wollen, dass die EZB die Notenpresse anwirft. Denn anders als die Notenbanken der USA oder Großbritanniens hat die EZB bislang immer die zusätzliche Liquidität, die mit den Anleihenaufkaufprogrammen in den Markt geflossen war, gleich wieder abgeschöpft. Jetzt wollen die Spekulanten die EZB offensichtlich zum Geld drucken zwingen. Und der Druck, der durch die Verkaufswelle bei europäischen Staatspapieren auf die Notenbank entsteht, ist gewaltig. Denn die EZB muss den sich verselbstständigten Zinsanstieg mit allen Mitteln stoppen. Sei es mit einem unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen nach angloamerikanischem Vorbild – oder eben durch eine Golddeckung der Anleihen. Mit der Hinterlegung von Goldbeständen für den Fall eines Zahlungsausfalls bei Anleihen würde man der Spekulation vorerst einen Riegel vorschieben. Dafür stünden rund 350 Mio. Unzen mit einem Gegenwert von ungefähr 600 Mrd. Dollar in den Tresoren der Europäischen Notenbank zur Verfügung. Radikale Lösungsansätze, die beide von der EZB – aber auch von den Notenbanken Deutschlands, der Niederlande und Luxemburgs – abgelehnt werden. Die Verantwortlichen befürchten nicht nur, dass dabei der Inflationsdruck zunehmen könnte. Sie argwöhnen auch, dass der Reformeifer der Fastpleitestaaten dann schnell wieder nachlassen werde. Dennoch vermuten die Profis, dass die Notenbanker am Ende doch einknicken werden, weil sie sich ein weiteres Zögern nicht leisten können.

Eckdaten zum 17. November 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (17. 11., 13.00 h)
5788 Punkte
Dow Jones (16. 11., Schluss)
11.905 Punkte
Gold (Feinunze)
1761,30 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,80%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Ein lagensicherung*
1,36%
2,75% (NBC-Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Ein lagensicherung*
1,89%
3,15% (NBC-Direkt)

*Quelle: www.fmh.de



AZ 2011, Nr. 47, S. 4

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