Recht

Wie gewonnen – so zerronnen?

Angehende Medizinstudenten ohne Bestnoten müssen warten

(bü). Wie gewonnen – so zerronnen? Die Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, die Studienplatzbewerbern mit "nicht ausreichenden" Noten nach sechsjähriger Wartezeit die Zulassung zum Medizinstudium zusicherten, wurden vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gestoppt. Die Beschlüsse der Vorinstanz dürften sich "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als fehlerhaft erweisen". (Az.: 13 B 1214/11 u. a.)

Das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht hat das Auswahlverfahren bei der Vergabe von Studienplätzen in Human- und Tiermedizin als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Mit einer einstweiligen Anordnung wurde die Stiftung Hochschulzulassung (früher: die ZVS) dazu verpflichtet, vier angehenden Studenten Studienplätze zuzuteilen, die bereits sechs Jahre gewartet hatten und auch für das Sommersemester 2011 erneut nicht berücksichtigt worden sind.

Denn bei einer Wartezeit von sechs oder mehr Jahren sei die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. Auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten müssten zumindest eine realistische Chance auf eine Zulassung haben, die in der Lebensplanung einigermaßen berücksichtigt werden könne. Hier hatte seinerzeit die Vergabestelle die Bewerber abgewiesen, weil ihre Abiturnoten nicht den Anforderungen im Fach Medizin entsprachen.

Die Oberverwaltungsrichter sehen das offenbar anders. Aller Voraussicht nach hätten die schon sechs Jahre auf einen Studienplatz wartenden Antragsteller derzeit keinen Anspruch auf Zulassung zum Medizinstudium. Es sei aber gar nicht sicher, dass sie endgültig keinen Platz in der Universität erhalten würden. Auch wenn ein Studienbewerber bereits länger als die Dauer des Regelstudiums auf die Zulassung warte, folge daraus nicht, "in dem hier zur Rede stehenden Wintersemester 2011/12 zugelassen zu werden".

Eine Benachteiligung wäre erst dann als Grundrechtsverletzung zu beurteilen, wenn sich diese Benachteiligung nicht mehr ausgleichen ließe und der Bewerber endgültig "ausgeschieden" sei. Das sei in den verhandelten Fällen aber nicht zu erkennen. Vielmehr sei davon auszugehen, "dass eine Zulassung zum Wintersemester 2012/13 hinreichend wahrscheinlich" sei. Damit wäre die verfassungsrechtlich abgesicherte Chance einer (wenn auch verspäteten) Zulassung zum gewünschten Studium noch gegeben.

Des Weiteren würde die Vollziehung der vom Verwaltungsgericht verfügten einstweiligen Anordnung "Bewerber im Auswahlverfahren der Hochschulen verdrängen, obwohl ein grundsätzlicher Vorrang des möglicherweise überlang wartenden Studienbewerbers nicht ohne Weiteres bejaht werden könne". Letztlich müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, ein verfassungsgemäßes Auswahlverfahren zu schaffen und die tatsächliche Entwicklung des Verfahrens zu beobachten und gegebenenfalls nachzubessern.



AZ 2011, Nr. 42, S. 5

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