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Wirtschaft
Heute Cobox, morgen Notebook?
Bei den betriebswirtschaftlichen Rechnungen wird dabei immer wieder übersehen, dass es nicht nur auf die Amortisation der Investitions- und laufenden Sachkosten ankommt. Das Videoapothekenmodell bedeutet auch prozesstechnisch doppelte Kosten:
Sie müssen den Kunden persönlich, eben mittels Videotechnik, beraten. Das dauert in der Tendenz länger, schon allein, weil Sie selbst Ihre Videoecke in der Apotheke aufsuchen, sich platzieren und erst einmal Kontakt aufnehmen müssen. Diese räumliche Bindung plus die Verpflichtung zum persönlichen Kontakt schränkt Sie nebenbei auch im Wesentlichen auf die Öffnungszeiten der Apotheke ein, das 24-Stunden-Argument eines Visavia-Terminals oder einer Internet-Apotheke verfängt hier nicht.
Doch damit nicht genug: Sie müssen das Scanbild des Rezeptes sichten und die Bestellung auslösen bzw. am Ende des Gespräches losmarschieren und die Präparate vorrichten. Praktisch benötigen Sie einen weiteren EDV-Arbeitsplatz in Ihrer Videoecke (wird gerne übersehen). Die eigentliche Rezeptprüfung und Bedruckung können Sie erst vornehmen, wenn Sie das Original aus der Cobox geholt haben. Ist das alles überstanden, müssen Sie ausliefern: per Bote oder per Post. Zahlungsvorgänge, die in der Cobox aus welchen Gründen auch immer nicht abschließend per Karte getätigt werden konnten, müssen auf Rechnung nachgefordert werden.
Sie sehen daran: Im Grunde haben Sie doppelten Aufwand, quasi eine "Versandapotheke plus". Dabei ist bereits die einfache Versandapotheke nicht besonders rentabel, bei welcher die Bestellungen meist bequem per Internet eingehen. Nun müssen Sie an einem solchen "Servicepoint" nicht auf die Discountpreise des Versands einsteigen, dennoch: Betriebswirtschaftlich wird die Luft dünn!
Die Zukunft der Cobox steht und fällt indes mit der rechtlichen Einordnung. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch das Visavia-Terminal ist schlussendlich durch richterliche Rechtsprechung empfindlich in seinen Einsatzmöglichkeiten beschränkt worden. Der rechtliche Ritterschlag der Videoapotheke bedarf also der sorgfältigen Abwägung – vor allem unter dem Aspekt künftiger Entwicklungen.
Geht’s auch mit Notebook oder Smartphone?
Was sollte künftig dagegen sprechen, ein schlichtes Notebook oder Smartphone, standardmäßig mit Kamera und Internetzugang ausgestattet, als Ersatz für die recht sperrige Videobox zu verwenden? Die Kundenakzeptanz der Cobox ist sicher ein nicht zu unterschätzender "Pferdefuß". Wie viel leichter ist es doch da, vom heimischen Rechner aus oder per Smartphone mit der Apotheke in Bild und Ton Kontakt aufzunehmen. Technisch ist das kein Problem, auch auf der anderen Seite. Hier genügt ebenfalls ein Rechner oder Smartphone. Elektronisch legitimiert durch einen Heilberufsausweis, wäre eine sichere Kontaktaufnahme zu befugten Heilberuflern zu jeder Zeit an jedem Ort möglich. Ein entsprechendes Kommunikationsprogramm oder "App" dafür ist eine programmiertechnische Kleinigkeit.
Bleibt das Problem mit dem Rezept. Zwar könnte es ebenfalls vor der Kamera präsentiert werden und so eine Bestellung auslösen. Indes liegt das Original beim Apotheker nicht vor, die Prüfung eines Kamerabildes ist nicht rechtssicher möglich (auch ein Problem des Visavia-Terminals). In der Cobox wird das Originalrezept eingeworfen – doch ist das nur ein temporärer Vorteil.
Und wenn die eCard kommt?
Spätestens mit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sieht das ganz anders aus. Dann wäre es ein Leichtes, den Patienten ein Lesegerät zur Verfügung zu stellen (z. B. seitens der Krankenkassen, so wie das heute die Banken für die EC-Karten schon tun), bzw. hierfür eine "App" zu schneidern. Damit würde nicht nur die umständliche Cobox sinnentleert, das Thema "Videoapotheke" bekäme spätestens dann eine ganz andere Dimension.
Damit würde jede Apotheke, die diesen Service anbietet (und wer kann sich langfristig einem solchen, modernen Kommunikationskanal entziehen), automatisch zur Versandapotheke – mit allen Implikationen, die das mit sich bringt.
Das beginnt bei der 24h-Erreichbarkeit und endet bei der Lieferverpflichtung. Spaßvögel inbegriffen, denen um zwei Uhr früh am Biertisch einfällt, dass ein Schmerzmittel jetzt nicht schlecht wäre, oder der Vergessliche, der seine Medikamente auf die Malediven nachgeschickt haben möchte. Humoristische Extrembeispiele, gewiss, aber sie zeigen, was mit der Technik möglich ist, und was es bedeuten würde, derart an die elektronische Kette gelegt zu werden. Nun, aus der Arbeitswelt kennen wir solche Trends bereits, nicht umsonst stellen viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Diensthandys zur Verfügung
Cobox ist rasch überholt …
Ebenfalls nicht zu vergessen ist der schon erwähnte betriebswirtschaftliche Impact: Sie müssen persönlich kommunizieren und beraten, und weiterhin trotzdem ausliefern, womöglich in hinterste Regionen, von wo aus ja diese Form der Kontaktaufnahme besonders attraktiv für den Kunden wäre.
Wird die Cobox zum Türöffner dieser Entwicklung? Warum sollte man eine "Videoapotheke" künftig nicht in diesem erweiterten, ohne Frage kundenfreundlichen Sinne definieren?
Die Cobox an sich würde rasch selbst von dieser Entwicklung überholt werden. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Initiator schlussendlich zum Verlierer wurde, alle anderen aber unter den radikal veränderten Marktbedingungen zu leiden haben..
Dr. Reinhard Herzog, Philosophenweg 81, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
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