Arzneimittel und Therapie

Mindestens 3% der Verkehrsunfälle durch Medikamente

In Frankreich wurde untersucht, wie häufig verschreibungspflichtige Medikamente für Verkehrsunfälle verantwortlich sind und unter welchen Medikamenten das Risiko besonders steigt. Das Ergebnis: mindestens 3% aller Verkehrsunfälle lassen sich auf die Anwendung verschreibungspflichtiger Medikamente zurückführen und zwar auf solche, von denen bekannt ist, dass sie die Fahrtauglichkeit besonders einschränken.

In Frankreich werden Medikamente im Hinblick auf die Einschränkung der Fahrtauglichkeit in vier Stufen eingeteilt (siehe Abb. Risikoklassifizierung):

  • Level 0 = keine Gefährdung

  • Level 1 = Vorsicht! Vor dem Führen eines Fahrzeugs aufmerksam den Beipackzettel lesen

  • Level 2 = Besondere Vorsicht! Vor dem Führen eines Fahrzeugs sollte der Rat eines Arztes oder Apothekers eingeholt werden

  • Level 3 = Gefahr! Wegen des hohes Risikos ist das Führen eines Fahrzeugs nicht zu verantworten. Patienten, die solche Medikamente einnehmen, sollten zunächst ihren Arzt konsultieren, bevor sie sich wieder hinter das Steuer setzen.

Risikoklassifizierung Die unter anderem in Frankreich verwendete Klassifizierung von Medikamenten hinsichtlich ihres Risikos, die Verkehrstauglichkeit einzuschränken, kann Patienten eine gute Orientierung bieten.

Für ihre Untersuchung konnten die französischen Forscher auf ein nationales Unfallregister (the national health care database), Polizeiberichte und die nationale Datenbank der Polizei für Unfälle mit Gesundheitsfolgen zurückgreifen. Alle Fahrer, die an Unfällen zwischen 2005 und 2008 beteiligt waren und behandelt werden mussten, wurden anhand ihrer Krankenversicherungsnummer identifiziert. Über diese Zuordnung ließ sich ermitteln, welcher Fahrer welche Medikamente eingenommen hatte. Anhand der Polizeiberichte konnte zudem eine Beziehung zwischen Medikamenteneinnahme und Unfallverursacher hergestellt werden. Insgesamt wurden die Daten von über 70.000 Unfallbeteiligten ausgewertet.

Etwa jeder Vierte unter Medikamenteneinfluss

27% der Fahrer standen an dem Unfalltag unter dem Einfluss von mindestens einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Level-0-Medikamente waren dabei von 21,6% der Fahrer eingenommen worden, Level-1-Medikamente von 10,2%, Level-2-Medikamente von 11,4% und Level-3-Medikamente von 2,7%.

Diejenigen, die für den Unfall verantwortlich waren, hatten häufiger Level-2- (30%, OR 1,31) und Level-3-Medikamente (25%; OR 1,25) angewendet als die unschuldig Beteiligten. Insgesamt konnten 3,3% aller Verkehrsunfälle auf Level-2-und Level-3-Medikamente zurückgeführt werden. Dagegen steigerte die Anwendung von Medikamenten aus der Level-1-Gruppe das Unfallrisiko nicht. Zu den Medikamenten der Level-2-Gruppe, die das Risiko für einen Verkehrsunfall signifikant erhöhten, zählten Antidiabetika, Antiepileptika, Antipsychotika, Anxiolytika, Antidepressiva, Psychostimulanzien, Antidementiva und weitere Arzneistoffe mit Wirkung auf das Nervensystem wie Antivertiginosa oder Arzneistoffe, die bei Alkohol- und Opioidabhängigkeit eingesetzt werden. Bei den Level-3-Medikamenten standen Hypnotika und Anxiolytika im Vordergrund. Dabei fiel der größte Anteil auf Benzodiazepin-Derivate und Benzodiazepin-ähnliche Arzneistoffe wie Zopiclon und Zolpidem (Tab. 1 und Tab. 2).

Nach Ansicht der Autoren belegt ihre Untersuchung, wie die Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten das Risiko für Verkehrsunfälle erhöhen kann. Die Gefährdung werde exakt durch die französische Risikoklassifizierung wiedergegeben. Die Auswirkungen von Level-2-Medikamenten auf die Fahrtauglichkeit lässt sich auf pharmakodynamische Effekte und individuelle Empfindlichkeiten zurückführen, bei Level-3-Medikamenten stehen pharmakodynamische Effekte im Vordergrund. Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, dass Ärzte und Apotheker über die Gefahren dieser Arzneistoffe für die Verkehrssicherheit aufklären. Eine europaweite Kennzeichnung der Medikamentenpackungen mit entsprechenden Piktogrammen analog der in Frankreich üblichen Unterteilung könnte helfen, das Problembewusstsein der Patienten im Hinblick auf den Gebrauch von Medikamenten und die Fahrtauglichkeit zu schärfen.

Quelle Orriols L et al: Presription Medicines and the Risk of Road Traffic Crashes: A French Registry-Based Study. PLoS Med 2010; 7 (11): e10000366

 

du

a einschließlich Opioide (n = 1,585), andere Analgetika und Antipyretika (n = 22) sowie Präparate 
gegen Migräne (n = 281). 
b einschließlich Antipsychotika (n = 558) und Anxiolytika (n = 2,250) 
c einschließlich Antidepressiva (n = 2,509), Psychostimulanzien (n = 56), Antidementiva (n = 33). 
f einschließlich Arzneistoffe gegen Alkohol- (n = 51) und Opioidabhängigkeit (n = 295), Antivertiginosa 
(n = 7) und andere Medikamente mit Wirkung auf das Nervensystem (n = 16).

Zum Weiterlesen


Schwerpunkt Verkehrssicherheit

Fahrtauglichkeit

  • unter Schmerztherapie
  • bei Diabetes mellitus
  • bei Allergien
  • bei Epilepsie und zerebralen Anfällen
  • bei Morbus Parkinson
  • im Alter und bei Demenz

DAZ 2010; Nr. 44 S. 48 – 64

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