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- DAZ 47/2010
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Seite 3
Grauzonen
Sie tauchen immer wieder auf, die berühmten Grauzonen, in denen sich Apothekerinnen und Apotheker in ihrer täglichen Praxis bewegen müssen – und sich manchmal darin verlieren. Grauzone – schon das Wort verheißt nichts Gutes. Grau ist nur in Ausnahmefällen attraktiv und Zone hat noch von früher einen Beigeschmack. Auch als naturwissenschaftlich ausgebildeter Mensch schätzt man sie nicht, diese Grauzonen. Viel lieber arbeitet man mit eindeutigen Aussagen, Vorgaben und Bestimmungen. Entweder ist ein Wert im Plus oder Minus, entweder ist der Niederschlag schwarz oder weiß – aber diese Grauzonen …
Und doch gibt es sie, öfter als uns lieb ist. Gesetzestexte mit Gummiparagrafen und spitzfindigen juristischen Interpretationen sorgen dafür, dass uns Grauzonen auf Schritt und Tritt begegnen und wir nicht selten in selbige schlittern. Die Gemengelage aus Verschreibungspflicht und Notfall kann zu einer solchen Grauzone werden. Zum einen müssen wir peinlich auf die Einhaltung der Verschreibungspflicht achten, zum andern kann es schon mal geboten sein, im (lebensbedrohenden) Notfall ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne Rezept herauszugeben. Und dennoch, Gerichte sind in diesen Grauzonen zu höchst unterschiedlichen Beurteilungen gekommen: Urteile gegen Apotheker, weil sie ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel abgegeben haben und weil sie es nicht getan haben.
In den Grauzonen-Bereich fällt wohl auch das unsauber formulierte Rabattverbot in § 7 des Heilmittelwerbegesetzes, das zum Urteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Boni für Rezepte führte – und um dessen Auslegung noch immer gestritten wird, wie auch unser Interview in dieser DAZ zeigt: Es gibt noch offene Fragen.
Derweil haben einige Kammern bereits angekündigt, restriktiv gegen Verstöße vorzugehen. Denn: Das Gewähren von Vorteilen beim Erwerb von preisgebundenen Arzneimitteln ist ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbildung. Oder anders ausgedrückt: "Auch kleinste Preisnachlässe und gleichwertige Zugaben verstoßen gegen das arzneimittelrechtliche Gebot einheitlicher Apothekenabgabepreise", so der von uns interviewte Rechtsanwalt Professor Mand in dieser DAZ. Mand weiter: "Der Apotheker verstößt nicht nur dann gegen das Preisrecht, wenn er dem Käufer den Preis nachlässt, sondern auch dann, wenn er dem Endverbraucher im Zusammenhang mit dem Kauf preisgebundener Arzneimittel Gutscheine, Bonustaler oder andere wirtschaftliche Vorteile gewährt bzw. verspricht."
Und die Apothekerkammer Berlin dazu in ihrem Rundschreiben: "Der Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf weder im Wege des Preiswettbewerbs noch durch die Gewährung von Rabatten oder Zugaben unterschritten werden."
Und was ist mit der oft zitierten Grenze von 1 Euro pro Rezept in Form einer geringwertigen Werbegabe? Zu unterscheiden ist zwischen Wettbewerbsrecht und Berufsrecht. Die Kammer Berlin: "Was nach dem Wettbewerbsrecht erlaubt ist, kann nach dem Berufsrecht verboten sein. Beim Wettbewerbsrecht geht es um den Schutz des Verbrauchers vor unsachlicher Beeinflussung. Eine solche hat der BGH bei kleinen Aufmerksamkeiten mit einem vom Empfänger gefühlten Wert von 1 Euro pro Rezept verneint. Bei den Preisbildungsvorschriften des Arzneimittelrechts geht es um den Schutz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, die das Arzneimittelgesetz und die Arzneimittelpreisverordnung sichert. Hier gibt es keine Bagatellgrenze."
Im Rundschreiben des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg heißt es dazu: "Barrabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel sind unzulässig!" und "Taler und Gutscheine wertet der Senat nicht als ‚Barrabatte’." Und weiter: "Während auf verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen der Preisvorgaben der AMPreisV keine Rabatte gewährt werden dürfen, gelte dies aber nicht für geringwertige Werbegaben wie beispielsweise Papiertaschentücher, Traubenzucker, Duschgelproben – oder eben Taler oder Gutscheine." In der Urteilsbegründung heißt es konkret dazu: "Als geringwertige Kleinigkeiten sind daher kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen …"
So manche Apothekerin oder so mancher Apotheker wird sich nun fragen: Darf ich dem Kunden, der sein Rezept einlöst, auch weiterhin eine kleine Aufmerksamkeit oder gar einen Taler mitgeben oder nicht? Rechtssicher lässt sich diese Frage wohl nicht beantworten.
Hinzu kommt: Ungleichbehandlungen mit ausländischen Apotheken, die noch immer mit Boni und Gutscheinen werben, lassen kein befriedigendes Ergebnis aufkommen. Eine klärende Entscheidung dazu steht noch aus. Die Grauzonen dauern fort.
Peter Ditzel
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