Aus Kammern und Verbänden

Das AMNOG – eine Lehrstunde in Sachen Strategie

Am 17. November fand die vierte Sitzung der XV. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein in Neuss statt. Höhepunkt war der gemeinsame Vortrag von Kammerpräsident Lutz Engelen und ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf zur aktuellen gesundheits- und standespolitischen Lage.
"… in die Pfanne gehauen" ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf (re.) und Kammerpräsident Lutz Engelen informierten über die Folgen des AMNOG.
Foto: Alois Müller

Über die strategischen Winkelzüge des Pharmagroßhandels beim Zustandekommen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) berichtete Wolf ausführlich. Er fokussierte dabei auf zwei Aspekte: die Änderungen der Großhandelsvergütung und des Apothekenabschlags.

Apotheken und Großhandel

Schon im März 2010 konnte man im Handelsblatt die Ansicht eines Pharmagroßhandelsvertreters nachlesen, dass ein Solidarbeitrag von 400 Mio. Euro durch den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken gern erbracht würde. Dieser Beitrag muss im Nachhinein als strategischer Aufschlag verstanden werden. Der erste Entwurf zum AMNOG räumte dann auch ein volles Inkasso der 400 Mio. durch den pharmazeutischen Großhandel ein, der dann je nach Belieben des Großhandels durch die Apotheken refinanziert werden sollte.

Am 21. Oktober konnte man dazu in der Süddeutschen Zeitung lesen, dass die Apotheker ihren Anteil am Einsparvolumen selbst bezahlen müssten. An diesem Tag gingen die Vertreter des Pharmagroßhandels im Bundesministerium für Gesundheit ein und aus, um zu verhindern, dass die Apotheken ihren Anteil dem Großhandel "abpressen", wie dies bislang auch schon geschähe. Wolf kommentierte das darauf beschlossene AMNOG so: "Wir fühlen uns von der bürgerlichen Koalition voll in die Pfanne gehauen!"

Der pharmazeutische Großhandel ist nicht homogen, wie Wolf erläuterte, denn es gibt drei durch Handelskonzerne getragene, zwei genossenschaftliche und einige private regionale Großhandlungen. Jeder verfolge unterschiedliche Interessen.

Strategisch geschickt eingesetzte günstige Konditionen bestimmter Großhändler könnten, so mahnte Wolf, künftig die Apotheker noch stärker in Abhängigkeiten bringen. Auch eine weitere Konzentration im pharmazeutischen Großhandel sei möglich. Zudem werden sich Apotheker, denen das Geld bis zum Existenzminimum entzogen wird, bereitwilliger Franchisesystemen anschließen. Auch weitere Ereignisse wie ein bundesweiter Werbebrief eines Versandhändlers im Sommer, die Umwandlung eines Großhandels in eine AG, um sich für Einzelverträge zu wappnen, sowie zahlreiche Anzeigen in großen überregionalen Medien lassen ein strategisches Vorgehen interessierter Konzerne vermuten.

Neues Bild der Apotheke

Nun gebe es viel zu tun …, begann Engelen seinen Vortrag. Auf einer Klausurtagung Anfang kommenden Jahres wolle man diskutieren, warum lediglich sieben Mitgliedsorganisationen der ABDA die einstimmig beschlossene Öffentlichkeitsarbeit zum AMNOG umgesetzt haben. Vielleicht wurde durch dieses Verhalten ein Teil der Chancen verspielt. In Nordrhein fanden zahlreiche Gespräche mit Politikern – unter anderem auch mit der Gesundheitsministerin Barbara Steffens – und Presseveranstaltungen statt. Steffens forderte damals die Entwicklung eines neuen Bildes der Apotheke; ein erster Schritt in diese Richtung ist, so Engelen, das von ABDA und Kassenärztlicher Bundesvereinigung entwickelte Konzept, dem zufolge der Arzt generisch verordnet und gemeinsam mit dem Apotheker das Medikationsmanagement betreibt.

Auf der Klausurtagung müsse auch diskutiert werden, wo sich die Apothekerschaft zukünftig positionieren will. Es könne nicht um Systeme mit Zugabetalern, Wettbewerb im OTC-Segment oder um das Umgehen der Arzneimittelpreisverordnung gehen. Vielmehr müssten spezielle pharmazeutische Angebote wie die Geriatrische Pharmazie vorangetrieben werden.

Packungsnormgrößen haben Einfluss auf Umsatz

Ab 2013 wird die Arzneimittelverordnung an Versorgungszeiträume gekoppelt, was eine komplette Umstellung der Packungsgrößen (N-Größen) nach sich zieht. Unterschieden wird dann zwischen einer akuten Therapie und Dauertherapien mit oder ohne Monitoring. Solange Ärzte mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen rechnen müssen, werden sie sich tendenziell eher für eine Dauertherapie ohne Monitoring entscheiden, um möglichst kostengünstig verordnen zu können, meinte Wolf.

Auch für die Apotheken habe die Umstellung bei einer packungsgebundenen Honorierung Auswirkungen, so Wolf. Deshalb müsse überlegt werden, ob künftig das Honorar von 8,10 Euro ebenfalls an Versorgungszeiträume gekoppelt werden kann. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, Zahlen über den tatsächlichen Verdienst von Apotheken durch die Belieferung von GKV-Rezepten zu haben; denn der GKV-Anteil am Umsatz liegt zwischen 19 und 90%.

Pick-up-Stellen

Leider ist es trotz aller Bemühungen nicht gelungen, das Verbot der Pick-up-Stellen vom Koalitionsvertrag in das AMNOG zu retten. Wolf meinte, dass man in dieser "Unzuverlässigkeitswunde der Regierung weiterbohren" solle.

Über das Pick-up-Modell "Vorteil24" berichtete die Justiziarin und stellvertretende Geschäftsführerin Dr. Bettina Mecking. Das Modell funktioniert wie folgt: Eine deutsche Apotheke nimmt das Rezept vom Kunden entgegen, scannt es ein und übermittelt es elektronisch an eine niederländische Apotheke; diese beliefert die Apotheke, die dann das Arzneimittel an den Kunden abgibt (s. DAZ 42, S. 31). Die Kunden werden mit günstigeren Preisen und dem Wegfall der Zuzahlungen gelockt.

Schon das Ursprungskonzept, das bereits vor einigen Jahren in einigen Apotheken umgesetzt wurde, sei bislang höchstrichterlich nicht abgesegnet, so Mecking. Vielmehr befinde man sich in einem wettbewerbsrechtlichen Revisionsverfahren, das von der Wettbewerbszentrale geführt und von der Apothekerkammer Nordrhein mitgetragen wird. Die rechtliche Beurteilung stehe und falle mit der Entscheidung des Gemeinsamen Senates, inwiefern die Arzneimittelpreisverordnung grenzübergreifend gültig ist.

Die Umsetzung dieses Konzeptes in einer Apothekenkooperation werfe weitere Fragen nach der Rechtmäßigkeit auf. So verstoße dieses Modell möglicherweise gegen die Arzneimittelverschreibungsverordnung, da der beliefernden Apotheke nur eine Kopie des Rezeptes vorliegt. Außerdem werde ein Verstoß gegen § 7 Apothekengesetz sowie § 4 Apothekenbetriebsordnung diskutiert, da innerhalb der Apothekenräume kein fremdes Gewerbe – also auch keine Pick-up-Stelle? – betrieben werden darf. Diese Aspekte haben auch die Gesundheitsämter auf den Plan gerufen.

Wolf nannte außerdem datenschutzrechtliche Bedenken, da in den Niederlanden bereits amerikanische Organisationen tätig sind, die sich im Pharmaceutical Benefit Management engagieren.

Resolution

Trotz der Verabschiedung des AMNOG wurde in der Kammerversammlung beantragt, die auf dem Deutschen Apothekertag 2010 verabschiedete Resolution zu einem flächendeckenden Vorgehen gegen die Pick-up-Stellen (s. DAZ 41, S. 94) zu übernehmen. Nach einer sehr kontrovers geführten Diskussion wurde die Resolution in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit von 87 Ja- gegen 16 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung und einer ungültigen Stimme angenommen.

Im weiteren Verlauf der Kammerversammlung berichtete der Geschäftsführer Dr. Stefan Derix über die von der Kammerversammlung in Höhe von einer Million Euro genehmigten Umbaumaßnahmen im Kammerhaus. Alle vorbereitenden Arbeiten sind inzwischen abgeschlossen, sodass die Modernisierungen in den kommenden neun Monaten erfolgen können.


Dr. Constanze Schäfer


Resolution zum Pick-up-Verbot


Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker hat auf dem Deutschen Apothekertag 2010 festgestellt, dass die Pick-up-Stellen aus Gründen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes verboten werden müssen. Hierzu fordert die Hauptversammlung

  • den Gesetzgeber und die Bundesregierung auf, den Betrieb von Pick-up-Stellen zu verbieten;

  • die deutschen Apothekerinnen und Apotheker auf, im Rahmen ihrer eigenen Geschäfts- und Unternehmenspolitik nicht den vermeintlich wirtschaftlichen Verlockungen des reinen Handels nachzugeben, sondern ihrer pharmazeutischen Beratungspflicht und ihrem heilberuflichen Selbstverständnis nachzukommen und damit wirksam deutsche Regelungen des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes zu unterstützen;

  • alle anderen in den Vertrieb von Arzneimitteln eingebundenen oder den Apotheken nahe stehenden Unternehmen und deren Entscheidungsträger auf, sich ihrer ethischen und moralischen Verpflichtung zur Erhaltung der Sicherheit der Arzneimittelversorgung in Deutschland bewusst zu werden und den Vertriebsweg des Pick ups nicht zu unterstützen.

Die Standesorganisationen der Apotheker werden aufgefordert, Fehlverhalten und den negativen Folgen dieser Entwicklung mit allen möglichen Mitteln entgegenzutreten.

Die Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein unterstützt diese Resolution mit Nachdruck und spricht sich insbesondere dafür aus, Fehlverhalten mit allen möglichen Mitteln entgegenzutreten. Die Mitglieder der Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein erklären deutlich, den Vertrieb der Pick ups nicht zu unterstützen.

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