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Schlimmer als jemals gedacht
Nur noch ein Wunder könnte die Apotheken vor den desaströsen Auswirkungen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) schützen. Am 8. November hat bereits der Gesundheitsausschuss des Bundestages dem AMNOG und seinen Änderungsanträgen mehrheitlich zugestimmt. Am Mittwochnachmittag dieser Woche (nach Redaktionsschluss dieser DAZ) stand für die mitberatenden Ausschüsse das AMNOG auf der Tagesordnung und zur Billigung an und am Donnerstag soll der Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag abschließend behandelt werden. Der zweite Durchgang des nicht zustimmungspflichtigen Gesetzes im Bundesrat ist für den 17. Dezember 2010 geplant.
Stimmt der Bundesrat zu, kann das Gesetz am 1. Januar 2011 in Kraft treten.
Eine letzte, wenn auch kleine Chance besteht noch, auf das Gesetz einzuwirken: Da das Gesetz ein sogenanntes Einspruchsgesetz ist, kann der Bundesrat, sollte er mit dem Gesetz im zweiten Durchgang am 17. Dezember nicht einverstanden sein, den Vermittlungsausschuss anrufen. Ist er mit dem Kompromiss oder dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht einverstanden, kann der Bundesrat noch Einspruch einlegen. Gegebenenfalls könnte dann der Bundestag diesen Einspruch in einer vierten Lesung mit absoluter Mehrheit überstimmen. Nur wenn der Bundestag diesen Einspruch nicht überstimmen könnte, wäre das Gesetz gescheitert. Aber dazu dürfte es wohl nicht kommen. Wie gesagt, es wäre ein Wunder. Irgendwie sind keine Signale aus den Regierungskreisen zu vernehmen, die Apotheken doch noch in letzter Minute von einer Beteiligung an den Einsparungen auszunehmen oder die Einsparungen abzumildern. Alle Appelle und Raubbau-Aktionen unserer Berufsvertretung stießen bei den Politikern demnach auf taube Ohren. Da fragt man sich, warum dies so ist. Während die Ärzte mit einer prächtigen Lobbyarbeit glänzen, sich über Honorarzuwächse in Folge freuen dürfen, schauen die Apotheker – in Folge – in die Röhre. Waren die Aktionen der Apotheker gegen das AMNOG zu brav, zu unbedeutend? Haben die Argumente nicht überzeugt? Hätte eine Großdemo dem Anliegen der Apotheker mehr Nachdruck verliehen? Oder ist dies bereits die erste Maßnahme einer langfristigen angelegten Strategie der Politik, in den nächsten Jahren zu einer Reduktion der Apothekenzahlen zu kommen?
Blickt man auf die ersten Diskussionen zum AMNOG zurück, war es – ausgelöst und beeinflusst von den Krankenkassen – Konsens in der Politik, die Rabatte, die der Großhandel den Apotheken gewährt, für die GKV abzuschöpfen. 400 Millionen sollten es sein, die man sich beim Großhandel über eine neue Marge holen wollte und die der Großhandel sich, so kündigte er es an, wiederum von den Apotheken holen wollte. Da der Aufschrei der Apotheken darüber groß war, verfiel die Politik auf die optische Korrektur, den Großhandel nur mit 200 Millionen zu belasten und die Apotheken direkt über eine Erhöhung des Kassenabschlags auf 2,05 Euro mit 200 Millionen zu belasten. Letztendlich wird sich für Apotheken nichts ändern, denn auch "seine" 200 Millionen wird der Großhandel an die Apotheken weitergeben. Es wird also für die Apotheken bei einer Belastung von 400 Mio. Euro bleiben, was rund 20.000 Euro weniger Rohertrag und damit Einkommensverlust im Jahr bedeutet. Da der Überlebenswille einer Apotheke groß ist, könnte dies konkret heißen: Apotheken werden versuchen, sich über Leistungseinschränkungen und Personalabbau vor einer Schließung zu retten. Für einige Apotheken dürfte eine Schließung, so die Prognose von Kammern und Verbänden, unausweichlich sein.
Nein, von einer schwarz-gelben Regierung hätte man ein Gesetz mit solch desaströsen Folgen für die Apotheke nicht erwartet. Nicht einmal zu einem Verbot der Pick-up-Stellen konnten sich die Politiker durchringen, obwohl es laut Koalitionsvertrag vorgesehen war.
Warum erkennt die Politik nicht die Leistungen der Apotheken an, die zu einem vergleichsweise niedrigen Betrag erbracht werden? Die Krankenkassen geben für die Mehrwertsteuer, die sie auf die Arzneimittel bezahlen, mehr aus als für die Leistungen aller Apotheken. Da wächst Unverständnis, Enttäuschung, auch Wut bei den Apothekerinnen und Apothekern. Die Abstrafung der Apotheker ist nicht nachvollziehbar.
Peter Ditzel
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