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Offener Brief und Resolution

HAMBURG (adexa). ADEXA – Die Apothekengewerkschaft wendet sich angesichts der geplanten Sparmaßnahmen bei den Apotheken im AMNOG in einem offenen Brief an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestags. Weiterhin fordert sie in einer Resolution, die Leistung der Apothekenmitarbeiter anzuerkennen. Brief und Resolution drucken wir hier im Wortlaut ab:

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

am Montag, den 8. November, werden die Weichen zum AMNOG für die nächsten zwei Jahre endgültig gestellt. ADEXA – Die Apothekengewerkschaft appelliert an Sie, das Reformpaket grundlegend zu überdenken. Wir sehen die Notwendigkeit von Einsparmaßnahmen, lehnen aber den Raubbau an sinnvollen Strukturen im Gesundheitswesen ab.

ADEXA fordert die Erhaltung eines flächendeckenden Apothekennetzes und einer sinnvollen Arzneimittelberatung.

Mit der Festlegung des Apothekenrabatts auf 2,05 Euro ab 2011 belasten Sie vor allem kleine und mittlere Apotheken über alle Maßen. Einsparungen in Höhe von 200 Millionen Euro lassen sich nicht durch Kostendämpfungen im laufenden Betrieb auffangen. Bei der ohnehin schon dünnen Personaldecke, die den vorhergehenden Spargesetzen geschuldet ist, können die Apotheken diesen drastischen Einschnitt nicht verkraften, ohne dass die Beratung der Patienten erheblich leidet. Die Folge ist klar: Patienten müssen dann in kürzester Zeit abgefertigt werden, um mit wenigen Angestellten einen definierten Umsatz zu erwirtschaften. Die geforderte sinnvolle Beratung ist so nicht mehr zu gewährleisten. ADEXA rechnet mittelfristig mit mehr Fällen von Arzneimittelinteraktionen sowie von Therapieversagen durch mangelnde Compliance. Neben dem persönlichen Leid für die Betroffenen bedeutet dies für das Gesundheitssystem hohe Folgekosten, die Sie billigend in Kauf nehmen.

Auch besteht durch das AMNOG die Option, dass Arzneimittelhersteller im Rahmen der Integrierten Versorgung selbst als Vertragspartner auftreten. Das untergräbt bestehende Wege der Arzneimittelversorgung und schwächt die Stellung der Apotheken im Gesundheitsbereich.

Gerade die wohnortnahen Apotheken sind aber für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend erforderlich. Sie riskieren, dass ländliche und strukturschwache Regionen in puncto Arzneimittelversorgung ausbluten – wie am Beispiel fehlender Ärztinnen und Ärzte bereits jetzt ersichtlich.

ADEXA fordert die Einhaltung der Wahlversprechen.

Vor der Bundestagswahl bekannten sich führende Gesundheitspolitiker aller Parteien klar zum Fortbestand der öffentlichen, inhabergeführten Apotheke. Für die CDU/CSU seien freiberuflich tätige Ärzte und Apotheker auch in Zukunft "Garanten für eine qualitativ hochwertige, patientennahe Versorgung", hieß es im Wahlprogramm. Bestehende Strukturen gelte es zu bewahren und – speziell in ländlichen Regionen – neu aufzubauen. Inhabergeführte Apotheken bewertet die Union dabei als "unverzichtbare Stützen für die Arzneimittelsicherheit".

Jens Spahn konkretisierte in 2009 diese Versprechen: "Die Apotheker sind für die qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung – insbesondere auch in der Fläche – unverzichtbar. Wir brauchen das Fachwissen der Apotheker. Das sollten wir auch noch mehr als bisher in die Arzneimittelversorgung einbinden. Die Apotheker haben viele Jahre studiert und in ihrem Bereich großes Wissen. Das sollten wir viel stärker nutzen, etwa wenn es um die Medikationsbegleitung von multimorbiden, schwerkranken und älteren Menschen geht. Zudem könnten Apotheker gerade auf dem Lande noch ein Stück weit mehr Anlaufstelle für Gesundheitsversorgung werden – auch wenn ein Apotheker niemals einen Arzt ersetzen kann."

Auch die FDP sah im Wahlkampf wohnortnahe, inhabergeführte Apotheken als "unverzichtbaren Baustein, um eine gute, flächendeckende Gesundheitsversorgung in der Bevölkerung sicherzustellen". Die freien Gesundheitsberufe garantierten "eine patientenorientierte, bedarfsgerechte und wohnortnahe Gesundheitsversorgung auf qualitativ hohem Niveau". ADEXA erwartet von Ihnen die Einhaltung dieser Versprechen, die Ihnen – sowohl von Patienten als auch von Apothekenangestell ten – etliche Stimmen beschert haben.

ADEXA sagt nein zur gläsernen Apotheke.

Der neue Apothekenabschlag soll auf zwei Jahre festgeschrieben und dann an wirtschaftliche Gegebenheiten angepasst und zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband neu ausgehandelt werden. Dabei plant die Koalition, eine repräsentative Auswahl von Apotheken unter die Lupe zu nehmen und Umsatzzahlen einzusehen. Die geforderte gläserne Apotheke widerspricht dem Prinzip der freien Berufe grundlegend. Apotheken können nicht wie beliebige Unternehmen des Einzelhandels gesehen werden. Sie erfüllen einen besonderen, teilweise immateriellen Auftrag in der Gesellschaft, der sich nicht auf Heller und Pfennig gegenrechnen lässt.

Apotheken können nicht die ganze Last schultern.

Alle Akteure müssen ihren Beitrag zur Reform des Gesundheitssystems leisten, nicht nur die öffentlichen Apotheken. Verwaltungskosten der Krankenkassen etwa stehen beim AMNOG nicht zur Disposition. Und allein durch die Krankenkassen entstehen Ausgaben in Höhe von neun Milliarden Euro bei 137.000 Beschäftigten. Hingegen sind für die Apotheken lediglich viereinhalb Milliarden Euro aufzubringen, und das bei rund 147.000 Arbeitsplätzen.

Auch die forschenden Arzneimittelhersteller haben ihren Beitrag zu leisten. Hier setzen die meisten EU-Länder preisliche Obergrenzen fest, die allen Unkenrufen zum Trotz zu keinem Ende der Pharmaforschung geführt haben. Eine zweite große Sparchance – aus Sicht des Gesundheitssystems, aber nicht unbedingt des Fiskus – liegt in der Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel. Momentan macht dieser Betrag alleine 16 Prozent von 28 Milliarden Euro an Gesamtausgaben aus. Medikamenten kommt eine entscheidende Bedeutung zu, die sich steuerpolitisch mit der von Grundnahrungsmitteln vergleichen lässt. Auch die geplante Lockerung der Rahmenbedingungen beim Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in die private kostet die Versicherten schätzungsweise 200 Millionen Euro.

ADEXA fordert alle Verantwortlichen aus dem Gesundheitsbereich auf, ihre Einsparmaßnahmen im Apothekenbereich zurückzunehmen.


ADEXA – Die Apothekengewerkschaft

Barbara Neusetzer & Tanja Kratt, Vorstand, Erste und Zweite Vorsitzende

Elfriede Hoffmann, Landesvorstand Baden-Württemberg

Nadine Freialdenhoven, Landesvorstand Bayern

Ingrid Heberle, Landesvorstand Berlin

Gisela Haubitz; Landesvorstand Brandenburg

Ulla Odendahl, Landesvorstand Bremen

Susanne Kocheim, Landesvorstand Hamburg

Necdet Kalipcioglu, Landesvorstand Hessen

Heidelore Oldenburg, Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern

Jutta Brielich, Landesvorstand Niedersachsen

Stefanie Walkowiak, Landesvorstand Nordrhein

Ute Landmann, Landesvorstand Rheinland-Pfalz

Michaela Jäger, Landesvorstand Saarland

Annerose Berndt, Landesvorstand Sachsen

Beate Ganter, Landesvorstand Sachsen-Anhalt

Kathrin Niekrenz, Landesvorstand Schleswig-Holstein

Martina Franke, Landesvorstand Thüringen

Gudrun Crustewitz, Landesvorstand Westfalen-Lippe


Resolution: 126.000 Apothekenangestellte fordern: Unsere Leistung ist mehr wert – nicht weniger!


Die Regierung hat den Bürgerinnen und Bürgern Steuererleichterungen versprochen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, dass sie am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben sollen.

Für die 126.000 angestellten ApothekerInnen, PharmazieingenieurInnen, PTA, PKA und anderen MitarbeiterInnen in den öffentlichen Apotheken wird es nach dem Willen der Regierung stattdessen gleich doppelte Einkommensverluste geben: durch die erhöhten Versichertenbeiträge zum einen und zum zweiten durch die Einsparvorgaben, die den Apotheken durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) auferlegt werden.

Wären 126.000 Autobauer von Stellenverlust, Stellenkürzungen und Einkommenseinbußen bedroht, würde die Regierung Rettungsschirme aufspannen. Für die überwiegend weiblichen Apothekenangestellten gibt es nicht einmal Schirmchen! Stattdessen erhalten sie lediglich die Geringschätzung und Abwertung ihrer Arbeitsleistung und die daraus folgenden Einkommensverluste.

Wir appellieren an die Politiker, sich nicht von Vorurteilen und Ressentiments leiten zu lassen, sondern die Zahlen unvoreingenommen zu prüfen: Wir Apothekenangestellten bekommen keine Managergehälter. Die Apotheken verursachen nur 2,5 Prozent der Kosten der GKV, sollen aber überproportional zu den Einsparsummen beitragen, während andere Gesundheitsakteure mehr bekommen. Wer an den Einnahmen der Apotheken kürzt, kürzt bei den Personalkosten – und verschlechtert nicht zuletzt auch die Versorgung und Beratung der Patienten!

Gegen diese Schlechterstellung und überzogene Belastung protestiert ADEXA im Namen aller 126.000 Apothekenangestellten aufs Schärfste!


ADEXA – Die Apothekengewerkschaft

Barbara Neusetzer & Tanja Kratt, Vorstand, Erste und Zweite Vorsitzende

Elfriede Hoffmann, Landesvorstand Baden-Württemberg

Nadine Freialdenhoven, Landesvorstand Bayern

Ingrid Heberle, Landesvorstand Berlin

Gisela Haubitz; Landesvorstand Brandenburg

Ulla Odendahl, Landesvorstand Bremen

Susanne Kocheim, Landesvorstand Hamburg

Necdet Kalipcioglu, Landesvorstand Hessen

Heidelore Oldenburg, Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern

Jutta Brielich, Landesvorstand Niedersachsen

Stefanie Walkowiak, Landesvorstand Nordrhein

Ute Landmann, Landesvorstand Rheinland-Pfalz

Michaela Jäger, Landesvorstand Saarland

Annerose Berndt, Landesvorstand Sachsen

Beate Ganter, Landesvorstand Sachsen-Anhalt

Kathrin Niekrenz, Landesvorstand Schleswig-Holstein

Martina Franke, Landesvorstand Thüringen

Gudrun Crustewitz, Landesvorstand Westfalen-Lippe

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