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Ausgezeichnete Grundlagenforschung
"Der Phoenix Pharmazie Wissenschaftspreis ist eine langjährige Erfolgsgeschichte und hat im Laufe der letzten 15 Jahre kontinuierlich an Bedeutung gewonnen" sagte Prof. Dr. Jörg Kreuter vom Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Frankfurt, unter dessen Vorsitz eine vierköpfige Jury die Preisträger ausgewählt hatte. Teilnehmen konnten alle wissenschaftlichen Mitarbeiter an pharmazeutischen Hochschulinstituten und Forschungseinrichtungen. Mit der Preisverleihung dokumentiert der Mannheimer Pharmahändler sein Engagement für seine Kunden, indem er eine wichtige Säule des Apothekerstandes, die pharmazeutische Forschung und Lehre an der Hochschule fördert. In seiner Ansprache schlug Geschäftsführer Iberl dann auch die Brücke von der Hochschulforschung zur Offizin, indem er betonte: "Der Phoenix Pharmazie Wissenschaftspreis unterstützt die pharmazeutische Forschung und damit die Offizinapotheke, denn herausragende pharmazeutische Forschung stärkt das ohnehin hohe Ansehen des Apothekerberufs, steigert die Wertschätzung der Patienten für jede Apothekerin und jeden Apotheker und führt zu neuen Arzneimitteln." Im Anschluss stellten die Preisträger dem Auditorium ihre prämierten Arbeiten vor.
Beta-Zellen vor oxidativem Stress schützen
Im Fachbereich Pharmakologie wurde die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gisela Drews (Eberhard Karls-Universität Tübingen) für eine Arbeit geehrt, die die Rolle des oxidativen Stresses bei der Pathogenese von Diabetes untersuchte. Wie Drews in ihrem Vortrag erläuterte, kommt die durch einen Anstieg des Blutglucosespiegels ausgelöste Insulinfreisetzung durch eine vermehrte ATP-Bildung infolge einer gesteigerten Glucose-Oxidation in den β-Zellen des Pankreas zustande. Als Folge davon werden ATP-gesteuerte Kaliumkanäle geschlossen. Dies wiederum führt zu einer Abnahme der Kaliumpermeation und dadurch zu einer Abnahme des Membranpotenzials. Hierdurch werden spannungsabhängige Calciumkanäle aktiviert, wodurch Calciumionen aus dem Extrazellularraum einströmen und die Exozytose von Insulin auslösen. Bei einer chronischen Überladung der Beta-Zellen mit Glucose werden in den Mitochondrien allerdings neben ATP vermehrt auch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) gebildet, die zunächst zu einem Funktionsverlust der β-Zellen und schließlich zur Apoptose führen können. Die Arbeitsgruppe von Professor Drews nahm sich daher der Frage an, ob bzw. wie Beta-Zellen vor den Folgen des oxidativen Stresses und damit vor Diabetes geschützt werden können. Sie fanden heraus, dass ein Ausschalten der ATP-abhängigen Kaliumkanäle sowohl durch genetische Deletion (Knock-out-Mäuse) als auch durch pharmakologische Hemmstoffe im Mausmodell dazu führt, dass die Blutzuckerspiegel bei Streptozotocin-induziertem Diabetes wesentlich niedriger ausfallen und zugleich die Überlebensrate der Mäuse signifikant ansteigt. Ausgehend von diesen Erkenntnissen sollen die molekularen Mechanismen dieser Schutzwirkung aufgeklärt und so mögliche Angriffspunkte für eine pharmakologische Intervention identifiziert werden.
Mit Punktmutation zu neuen Biosynthesewegen
Der Preis für pharmazeutische Biologie ging an den Arbeitskreis von Prof. Dr. Ludger Beerhues (Technische Universität Braunschweig), der die Möglichkeiten des pflanzlichen Benzophenon-Stoffwechsels erforschte. Benzophenon-Derivate besitzen antitumorale, antibakterielle und HIV-inhibitorische Eigenschaften. Ihr Grundgerüst wird aus einer aktivierten Benzoesäure und drei Molekülen Malonyl-CoA gebildet. Diese Reaktion wird von der Benzophenon-Synthase, einer sogenannten Typ-III-Polyketid-Synthase (PKS) katalysiert. Für das Forschungsprojekt wurde die cDNA für Benzophenon-Synthase kloniert und das Enzym funktionell exprimiert. Durch eine Punktmutation gelang es den Wissenschaftlern, eine Aminosäure im aktiven Zentrum auszutauschen und die Benzophenon-Synthase in eine Phenylpyron-Synthase zu überführen.
Beerhues bezeichnete die Phenylpyron-Synthase als ein vielversprechendes biotechnologisches Werkzeug, mit dem die von aktivierter Benzoesäure ausgehenden Biosynthesewege gezielt verändert werden kön-nen, um neue Verbindungen mit bisher unbekannten pharmakologischen Möglichkeiten herzustellen.
Neue P2Y12-Antagonisten als Antithrombotika
Blutplättchen tragen auf ihrer Oberfläche zwei Purinrezeptoren (P2Y1 und P2Y12). Sie werden durch ADP aktiviert und dadurch eine Vernetzung der Thrombozyten ausgelöst. Folglich führt die Inhibition der Rezeptoren zu einer Hemmung der Thrombozyten-Aggregation, weshalb P2Y12-Rezeptor-Antagonisten als Arzneistoffe z. B. zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt werden. Die bisher therapeutisch verwendeten Thienopyridin-Derivate wie Clopidogrel sind jedoch mit verschiedenen Problemen behaftet. So ist Clopidogrel ein Prodrug, das über das Enzym CYP2C19 aktiviert werden muss, um seine Wirkung zu entfalten. Das Enzym ist genetisch bedingt bei bis zu 30% der Kaukasier, den sogenannten Poor-Metabolizern, nicht oder nur in verminderter Aktivität vorhanden. Bei diesen Patienten muss mit einer reduzierten Wirksamkeit von Clopidogrel gerechnet werden. Zudem hemmt Clopidogrel den P2Y12-Rezeptor irreversibel und nicht kompetitiv, sodass nach Absetzen des Medikamentes ca. fünf bis sieben Tage benötigt werden, um die Thrombozytenfunktion durch Plättchenneubildung wieder herzustellen. Die Wirkung von Clopidogrel ist demnach nur bedingt kontrollierbar und starken interindividuellen Schwankungen unterworfen. Deshalb setzte es sich das in der Kategorie "Pharmazeutische Chemie" ausgezeichnete Forscherteam unter Leitung von Prof. Dr. Christa E. Müller (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) zum Ziel, kompetitive P2Y12-Antagonisten mit hoher Rezeptoraffinität zu entwickeln, die den bisher verwendeten allosterischen Antagonisten deutlich überlegen sein sollen. Hierfür wurden zunächst geeignete Synthesen und Aufreinigungsverfahren etabliert, die es den Forschern ermöglichten, eine Vielzahl an neuen Verbindungen herzustellen und diese gezielt zu optimieren. Die besten Verbindungen aus dieser Reihe wurden und werden in Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen genauer untersucht und im Idealfall zu neuen Arzneistoffen weiterentwickelt.
Nanopartikel akkumulieren im Entzündungsherd
Die Auszeichnung für besondere wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Pharmazeutischen Technologie ging an den Arbeitskreis von Prof. Dr. Alf Lamprecht (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), der sich mit nanopartikulären Carrier-Systemen zur selektiven Wirkstoffakkumulation in entzündeten Bereichen der Magen-Darm-Schleimhaut beschäftigt hatte. Im Tiermodell konnte das Forscherteam nachweisen, dass die Deposition von Nanopartikeln im entzündeten Gewebe bei Mäusen mit gastrointestinalen Ulzerationen bis zu viermal höher ist als in den entsprechenden Gewebsbereichen gesunder Kontrollen. Die gezielte Wirkstoff-Deposition im entzündeten Gewebe ist insbesondere bei der Applikation von stark wirksamen Entzündungshemmern sowie bei der Behandlung resistenter Helicobacter-pylori-Infektion von Interesse, da die zielgenaue lokale Wirkstofffreigabe in diesen Fällen nicht nur den therapeutischen Nutzen maximieren, sondern zugleich die nicht unerheblichen unerwünschten Nebenwirkungen minimieren könnte.
Die ausgezeichneten Arbeiten:Pharmakologie Suppression of KATP channel activity protects murine pancreatic beta cells against oxidative stress. J Clin Invest. 2009; 119(11): 3246 – 3256, doi: 10.1172/JCI38817 Pharmazeutische Biologie A Single Amino Acid Substitution Converts Benzophenone Synthase into Phenylpyrone Synthase. J. Biol. Chem. 2009; 284: 30957 – 30964, doi: 10.1074/jbc.M109.038927 Pharmazeutische Chemie High-Affinity, Non-Nucleotide-Derived Competitive Antagonists of Platelet P2Y12 Receptors. J. Med. Chem. 2009; 52(12): 3784 -3793, DOI: 10.1021/jm9003297 Pharmazeutische Technologie Selective adhesion of nanoparticles to inflamed tissue in gastric ulcers. Pharm. Res. 2009; 26 (5): 1149 – 1154, DOI: 10.1007/s11095-009-9834-1 |
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