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Verkehrssicherheit
Fahrtauglichkeit bei Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung des gesamten Organismus und kann schwere Folgeschäden mit Komplikationen an verschiedenen Geweben und Organsystemen verursachen. Von Diabetesspätfolgen sind besonders Blutgefäße, Augen, Nerven und Nieren betroffen. Schäden an Nerven und Blutgefäßen können zum diabetischen Fuß führen und im schlimmsten Fall eine Amputation der betroffenen Gliedmaße notwendig machen. Diese Folgeerkrankungen können von sich aus die Voraussetzungen zur Bewältigung der gestellten Anforderungen beim Führen eines Kraftfahrzeuges einschränken oder aufheben. Der Fokus dieses Beitrags liegt jedoch auf dem Einfluss antidiabetischer Medikamente auf die Fahrtauglichkeit.
Fahreignung: eine Frage der Stoffwechselstabilität
Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) enthält in Punkt 5 Regelungen zum Einfluss einer Diabeteserkrankung auf die Fahreignung. Daraus geht hervor, dass Diabetiker, die zu schweren Stoffwechselentgleisungen neigen, nicht in der Lage sind, die an sie gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Lage sind. Bei ausgeglichener Stoffwechsellage können Diabetiker aber sehr wohl in der Lage sein, Kraftfahrzeuge zumindest der Gruppe 1 (entspricht im Wesentlichen dem früheren Führerschein Klasse III) sicher zu führen. Bei der Beantragung eines PKW- oder Motorradführerscheins muss keine Auskunft über den Gesundheitszustand gegeben werden. Auch beim Umtausch des alten Führerscheins in den neuen EU-Führerschein findet keine Überprüfung statt. Medizinische Gutachten können jedoch von jedem Führerscheininhaber verlangt werden, wenn die Verkehrsbehörde Kenntnis von der diabetischen Erkrankung erlangt hat.
Diabetiker, die mit Insulin oder Sufonylharnstoffen (Amaryl®, Daonil®, Dimicron®, Euglucon®, Glutril® u. a.), oder Gliniden (Novo-Norm®, Starlix®) behandelt werden, sind grundsätzlich hypoglykämiegefährdet. Glitazone wie Pioglitazon sollen als Monotherapie keine Hypoglykämie verursachen.
Gefürchtete Hypoglykämie
Eine Hypoglykämie während des Fahrens gehört zu den gefährlichsten Situationen im Verkehr – nicht nur für den Diabetespatienten, sondern auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Die Symptomatik reicht je nach Ausmaß der Unterzuckerung von Unruhe oder Heißhungerattacken über leicht verminderte Hirnleistung oder Aggressivität bis hin zu Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass kognitive und motorische Fähigkeiten wie Reaktionszeiten, Auge-Hand-Koordination oder die visuelle Informationsverarbeitung, die für das Fahren von großer Bedeutung sind, während eines hypoglykämischen Ereignisses beeinträchtigt sind.
Frühsymptome deuten lernen
Diabetiker dürfen dennoch Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 führen, wenn davon auszugehen ist, dass sie auftretende Hypoglykämien bemerken und erfolgreich behandeln können. Wichtige Frühwarnsymptome von Hypoglykämien sind Herzklopfen, Unruhe, Angst, Heißhunger und Schwitzen. Sie sofort richtig deuten zu können ist wichtig für die Einleitung von Gegenmaßnahmen. Erfolgen diese nämlich zu spät, kommt es zu verkehrsgefährdenden Symptomen wie Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen, Kontrollverlust und schließlich Bewusstlosigkeit.
Tipps für DiabetikerEinige relativ einfache Maßnahmen sind sehr hilfreich, um die Sicherheit von Diabetespatienten im Straßenverkehr zu erhöhen:
Diese Tipps stehen unter DAZ.plus/Dokumente zum Download bereit. |
Für die Diabetiker ist es also wichtig, sich umfassend mit ihrer Erkrankung zu beschäftigen und so viel wie möglich darüber zu lernen. In speziellen Schulungen informieren Fachleute darüber, wie Komplikationen zu vermeiden, erkennen und behandeln sind.
Manche Diabetes-Schulungen bieten auch ein Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining an, mit dem die Wahrnehmung für die unterschiedlichen Symptome geschärft werden kann. Die Fahreignung fehlt aber, wenn diese "Warnzeichen" sehr schnell eintreten und vom Betroffenen nicht kontrolliert werden können, sprich: wenn die Unterzuckerung sehr massiv auftritt.
Blutzuckerbestimmung vor Fahrtantritt
Problematisch ist, dass bei jahrelangem (10 bis 15 Jahre) bestehendem Diabetes Hypoglykämien ohne Frühwarnzeichen auftreten können. Es kommen gleich die "Hirnsymptome" zum Tragen. Deshalb sollte man – vor allem als insulinpflichtiger Diabetiker – vor Beginn einer Autofahrt den Blutzucker messen und auch gleich dokumentieren. Ans Steuer sollte man sich dann nur bei guten Testergebnissen setzen.
LiteraturHarsch IA, Hoesl, K: Drugs, driving and traffic safety in diabetes mellitus. In J.C.Verster, S.R. Pandi-Perumal, J.G. Ramaekers, and J.J. de Gier (Eds.): Drugs, Driving and Traffic Safety. Birkhäuser, Basel 2009. Schubert W, Schneider W, Eisenmenger W, Stephan E: Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Kommentar. Kirschbaum Verlag Bonn, 2005.
AutorinDr. Ramona Kenntner-Mabiala,
Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH)
Raiffeisenstr. 17
97209 Veitshöchheim
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