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"Die inhabergeführte Apotheke ist eine extrem gute Lösung"

FRANKFURT (diz). Nach der Ankündigung, dass der britische Gesundheitskonzern Alliance Boots die Mehrheit beim deutschen Pharmagroßhändler Anzag, Frankfurt/Main, übernehmen wird, mehren sich die Fragen, welche Ausrichtung der Pharmagroßhändler Anzag im deutschen Markt nehmen wird. Welchen Einfluss wird der neue Mehrheitseigner der Anzag auf das Unternehmen ausüben? Welche Konsequenzen sind für die Anzag zu befürchten? Wir sprachen mit Anzag-Chef Dr. Thomas Trümper.
Dr. Thomas Trümper " Man sollte nicht immer nur das Drohgespenst des Kettenbetreibers Alliance Boots beschwören."
Foto: DAZ/Schelbert

DAZ: Herr Trümper, die Mehrheitsbeteiligung an der Anzag ist in die Hände des britischen Konzerns Alliance Boots gefallen. Alliance Boots ist Betreiber von über 3000 Kettenapotheken in 13 Ländern. Deutsche Apotheker sehen die Übernahme vor diesem Hintergrund mit gemischten Gefühlen. Welchen Weg wird die Anzag unter Alliance Boots nehmen?

Trümper: Der Korrektheit halber möchte ich vorab feststellen, dass die Übernahme noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Kartellamtes steht. Erfahrungsgemäß wird das noch ein paar Wochen dauern. Zu Ihrer Frage: Ob das wirklich die Meinung der Apotheker in Deutschland ist, wage ich zu bezweifeln. In unseren Kundengesprächen hören wir zwar sehr interessierte Fragen, aber wenig Skepsis. Nach meiner Einschätzung wird die Skepsis eher von sogenannten "interessierten Kreisen" geschürt.


DAZ: Aber es gibt Apotheker, bei denen die Übernahme der Anzag durch einen Konzern, der Ketten betreibt, Unruhe auslöst …

Trümper: Man sollte nicht die Erfahrungen, die man mit bestimmten Firmen gemacht hat, automatisch auf Alliance Boots übertragen. Konzerne können sich hier sehr unterschiedlich verhalten. Ein Konzern, der Ketten betreibt, ist nicht unmittelbar gleichzusetzen mit einem anderen Konzern, der ebenfalls Ketten betreibt. Man kann Gesetz und Recht in den jeweiligen Staaten auch akzeptieren, ohne dagegen anzulaufen. Außerdem: Ein Konzern, der in vielen Ländern tätig ist, muss sich den nationalen Rahmenbedingungen anpassen.

Nehmen Sie die Anzag, die auch drei kleine Auslandsbeteiligungen hat: Wir, d. h. unsere Tochtergesellschaften, haben in diesen Ländern auch Apotheken. Wenn Sie als Pharmagroßhändler in einem Staat tätig sind, der den Fremdbesitz zulässt, dann müssen Sie auch im Apothekenbereich aktiv sein, weil dort die vertikale Integration ständig voranschreitet: Die Großhändler beteiligen sich an immer mehr Apotheken. Würde man nicht mitziehen, hätte man dort als Großhändler bald keinen Markt mehr. Dies gilt insbesondere für kleine Märkte oder Länder, in denen es noch nie ein Fremdbesitzverbot gab. Dort sind die Strukturen völlig anders als in Deutschland.

Das bedeutet ja nicht, dass man Apothekenketten überall als die beste Lösung ansieht. So sieht es die Anzag und so sieht es auch Stefano Pessina für Alliance Boots. Wir sind davon überzeugt, dass die selbstständige, inhabergeführte Apotheke eine extrem gute Lösung für einen Staat wie Deutschland ist. Unserer Meinung nach gibt es kein besseres Konzept als dieses. Wir unterstützen das und werden dies auch mit unserem neuen Anteilseigner unterstützen.


DAZ: Herr Trümper, weiß das auch Herr Pessina, dass Sie von der inhabergeführten Apotheke überzeugt sind?

Trümper: Ich bin seit 2003 im Unternehmen Anzag. Seitdem stehe ich mit Herrn Pessina in Kontakt, verstärkt, nachdem die Beteiligung im Jahre 2005 auf 30 Prozent aufgestockt wurde. Herr Pessina informiert sich gerne aus erster Quelle, wie denn der Markt in Deutschland aussieht, ohne über die Geschäftsvorfälle der Anzag im Speziellen zu sprechen. Herr Pessina kennt seit vielen Jahren die Ausrichtung der Anzag als Partner der selbstständigen Apotheke und hat dies ausdrücklich in einem Management-Gespräch, das unser Vorstand mit dem Board von Alliance Boots geführt hat, bekräftigt. Also, ganz klar: Es ist politischer Wille auch von Alliance Boots, die eingeschlagene Strategie der Anzag zu unterstützen.

Und vergessen Sie nicht: Auch Alliance Boot verdient rund dreiviertel seines Umsatzes mit selbstständigen, inhabergeführten Apotheken in Europa. Denn das Unternehmen agiert in erster Linie als Pharmagroßhandel und hat demnach kein Interesse daran, seine Kunden zu verprellen.


DAZ: Sie fürchten demnach nicht, dass Kunden nun die Anzag verlassen werden?

Trümper: Das fürchten wir in keiner Weise. Wir beobachten Bestrebungen von Wettbewerbern, unseren Kunden diese Meinung einzureden – ohne großen Erfolg, weil die meisten Apotheker der Meinung sind, die Anzag ist und bleibt ein apothekennahes Unternehmen, das selbstständig am deutschen Markt agiert. Es gibt keinen Grund, an dieser Strategie etwas zu ändern.


DAZ: Stefano Pessina hat bereits durchblicken lassen, dass er sich die Anzag genau ansehen will. Er will Synergien nutzen. Was kommt da auf die Anzag zu? Synergien nutzen könnte auch bedeuten, Arbeitsplätze abbauen zu wollen …

Trümper: Nein, in keiner Weise. Die Synergien beziehen sich eher auf mögliche positive Veränderungen, die auf die Anzag zukommen. Zum Beispiel betreibt Alliance Boots in mehreren europäischen Ländern Apothekenkooperationen, die ähnlich aufgestellt sind wie unsere Vivesco-Kooperation. Hier können durchaus Synergien stattfinden. Man sollte nicht immer nur das Drohgespenst des Kettenbetreibers Alliance Boots beschwören, sondern auch sehen und anerkennen, dass Alliance Healthcare, der Großhandel des Konzerns, auch Kooperationen betreibt, die die inhabergeführte selbstständige Apotheken erfolgreich unterstützen.


Nur positive Impulse sieht Anzag-Chef Trümper für sein Unternehmen durch die Übernahme von Alliance Boots, keinesfalls einen Richtungswechsel.
Foto: Anzag

DAZ: Sie sind demnach guten Mutes für die angestrebte Übernahme. Sehen Sie Vorteile für die Anzag durch die Übernahme?

Trümper: Nach dem derzeitigen Stand – und ich habe keinen Zweifel, dass sich daran nichts ändern wird – sehe ich große Vorteile für die Anzag. Wir beobachten jetzt gerade im Rahmen der Diskussion um das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, dass die Pharmaindustrie-Konzerne aufgrund ihrer Größe Marktmacht ausüben können. Da kann man natürlich als Handelskonzern mit 25 Milliarden Euro Umsatz mehr dagegen setzen, wenn man im gesamten Europa Apotheken beliefert als wenn man nur eine Anzag in Deutschland ist. Wir sehen, dass die international gesteuerten Konzerne immer mehr zur Meinungsbildung in Deutschland beitragen. Als Händler ist die Stellung gegenüber den Firmen, bei denen man einkauft, sehr wichtig. In diesem Szenario kann uns ein solcher Konzern im Rücken nur hilfreich sein.


DAZ: Was bedeutet die bevorstehende Übernahme durch Alliance Boots für Ihre Apothekenkooperation Vivesco? Könnte es sein, dass hier eine neue strategische Ausrichtung kommt?

Trümper: Nein, das ist nicht abzusehen, ganz im Gegenteil. Diejenigen, die bei Alliance Boots für Kooperationen verantwortlich sind, haben sich sehr genau über die Vivesco informiert und festgestellt, dass es sehr viele Ähnlichkeiten gibt mit den Kooperationen im eigenen Haus. Es kann somit nur positive Impulse geben und keinen Richtungswechsel.


DAZ: Boots hat auch viele Eigenmarken, die Herr Pessina stärken und europaweit vermarkten möchte – werden die Vivesco-Apotheken verstärkt Boots-Marken anbieten müssen?

Trümper: Von "müssen" kann keine Rede sein. Die Apotheker hierzulande sind selbstständige Unternehmer und durch das Apothekengesetz geschützt. Sie können frei entscheiden, welche Ware sie anbieten und welche nicht. Man kann nur interessante Produkte anbieten. Aber dafür ist es zu früh, da können wir heute nur spekulieren. Wir werden uns das gemeinsam ansehen und dann entscheiden, was sinnvoll ist.


DAZ: Herr Trümper, die Diskussion über den Eintritt des Konzerns Alliance Boots in den deutschen Markt wird sicher noch anhalten …

Trümper: Es wird sicher in den nächsten Wochen noch viele Argumente auszutauschen geben. Aber da sollte man auf dem Boden bleiben und die Argumente genau betrachten. Mir ist jedenfalls an einer sachlichen Diskussion gelegen.


DAZ: Herr Trümper, vielen Dank für das Gespräch.

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