DPhG

Systeme als Ganzes verstehen lernen

Prof. Dr. Rudi Balling vom Zentrum für Systembiomedizin an der Universität Luxemburg (LCSB) stellte in seinem Plenarvortrag die Systembiologie als eine Wissenschaftsdisziplin an der Schnittstelle von Biologie, Medizin, Chemie und Mathematik vor. Sie betrachtet die Bestandteile biologischer Systeme nicht getrennt, sondern in ihrem Zusammenwirken. Dadurch ergeben sich völlig neue Möglichkeiten zum Verständnis ihrer Funktionsweisen und letztendlich auch zur effektiveren Behandlung von Krankheiten.

Inhaltsverzeichnis: DPhG-Jahrestagung

Rudi Balling
Foto: DAZ/hb

Die biomedizinische Forschung hat sich verändert: Neue Technologien erlauben es, Genome zu sequenzieren, RNA, Protein oder Metabolitenkonzentrationen in Geweben oder im Blut mit hoher Effektivität zu bestimmen. Die dabei anfallenden Datenmengen sind immens; um sie zu bewältigen und darüber hinaus Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten biologischer Systeme verstehen zu können, braucht man mathematische Modelle und Simulationsmethoden. „Die mathematische Beschreibung biologischer Systeme ist ein Muss“, betonte Balling. Daher müssten diese Methoden auch verstärkt Eingang in die Curricula an den Universitäten finden, forderte er.

Grundlage für die personalisierte Medizin

Im Unterschied zu technischen Systemen sind biologische Systeme durch Entwicklungsprozesse gekennzeichnet; sie sind selbstorganisiert und das Ergebnis von Evolution und Selektion. Ein zentrales Element, das sich sowohl in biologischen als auch in technischen Systemen findet, sind FeedbackMechanismen, deren Erforschung nach Balling eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre darstellt. Des Weiteren weiß man noch viel zu wenig über die Mechanismen, die für die Robustheit bzw. Fragilität von Zellen verantwortlich sind. Die Systembiologie soll, so die Zukunftsvision, eine individuellere und vor allem effektivere Diagnostik und Behandlung von Krankheiten ermöglichen. „Zurzeit können wir nicht besonders gut voraussagen, welcher Patient welches Medikament für welche Erkrankung erhalten sollte“, erläuterte Balling. Auch die Effektivität einer Behandlung lässt sich derzeit nur unzureichend bestimmen. Die Systembiologie könnte hier Abhilfe schaffen und dabei auch die Entwicklung von personalisierten Therapeutika vorantreiben. Methoden, um diese Ziele zu erreichen, sind nach Balling beispielsweise: . der Einsatz mathematischer Modelle, die die Pathogenese und Progression von Krankheiten beschreiben können, . die Entwicklung spezieller Biomarker, z. B. für bestimmte Krankheitsstadien, . die Sequenzierung der Genome ganzer Familien. cb

"Es ist eine große Vision, und wir stehen noch ganz am Anfang. "


Prof. Dr. Rudi Balling

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