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Pro Generika: Gefahr für die Patientensicherheit
Im Auftrag von Pro Generika haben Professor Wilhelm Kirch, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und Professor Hartmut Morck, Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg, die beiden Problemkreise unter die Lupe genommen. Kirch setzt sich in seinem Gutachten mit der geplanten Änderung des § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V auseinander: Künftig soll es für den Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel Voraussetzung sein, dass beide Präparate "für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen" sind. Ausgeräumt werden soll damit der Streit um die Frage, ob das abgebene Präparat nach der bestehenden wenig bestimmten Vorgabe sämtliche Indikationsbereiche des verordneten abdecken muss – so die Auffassung der Pharma-Verbände – oder aber ein gemeinsames Anwendungsgebiet ausreicht – so die Meinung der Kassen und des Bundesgesundheitsministeriums. In der Begründung des AMNOG-Entwurfs spricht man von einer Präzisierung der bestehenden Regelung, bei Pro Generika von einer Aufweichung. Das Problem ist bekannt: Die Regelung kann dazu führen, dass Patienten Arzneimittel erhalten, deren Indikation nicht im Beipackzettel aufgeführt ist. Als ein Beispiel nannte Kirch den Alphablocker Terazosin: Der Rabatt-Vertragspartner der AOK hat für sein Präparat die Zulassung für das Anwendungsgebiet Prostatahyperplasie – doch der Wirkstoff ist ebenso zur Behandlung der arteriellen Hypertonie zugelassen. Die Patientin, der ein Arzneimittel mit diesem Wirkstoff wegen ihres Bluthochdrucks verschrieben wurde, mag sich daher über die Angaben im Beipackzettel wundern, das Präparat möglicherweise in der falschen Dosierung oder gar nicht erst anwenden. Das sei schon schlimm genug; beschädigt würde hierdurch aber auch das Arzt-Patienten-Verhältnis, so Kirch. Er betonte, dass dies kein Einzelbeispiel sei. Unter den 143 Wirkstoffen, die derzeit bei der AOK unter Rabattvertrag stehen, finden sich nach einer Datenanalyse der Medizinischen Medien Informations GmbH 101, bei denen es Präparate mit abweichendem Hauptindikationsspektrum im Markt gibt. Kirch empfiehlt daher ganz im Sinne seiner Auftraggeber den Gesetzentwurf so zu ändern, dass auch künftig nur Arzneimittel ausgetauscht werden dürfen, wenn das abzugebende Medikament alle Indikationen des verordneten abdeckt.
Packungsgrößenverordnung verwässert System
Professor Morck nahm sich der geplanten Neurordnung der Packungsgrößen-Systematik an. Hier will die Regierungskoalition von den bisherigen konkreten Messzahlen auf eine Kennzeichnung nach Reichdauerorientierung umschwenken. Von dieser Umstellung ist der Pharmazeut Morck alles andere als überzeugt: "Die neue Verordnung würde nicht nur das bisherige bewährte System verwässern, sie böte auch weder für den Patienten noch für den Arzt einen wie auch immer erkennbaren Nutzen." Patienten würden vielmehr erheblich verunsichert und eine Fülle von zusätzlichen Beratungsgesprächen durch Ärzte und Apotheker erforderlich. "Das ist ein Tohuwabohu, das da auf Patienten und Apotheker zukommt", so Morck. Wenn in der Begründung des Gesetzentwurfs behauptet werde, die neue Verordnung sei einfacher und transparenter als die bisherige, so sei dies absurd. Dazu führt der frühere Chefredakteur der "Pharmazeutischen Zeitung" eine Reihe von Beispielen in seinem Gutachten an. Medizinisch und therapeutisch sinnvoll sowie praktisch umsetzbar wäre eine Reichweitenorientierung nur für Arzneimittel mit einem Wirkstoff für eine Indikation, eine Patientengruppe und eine Dosierung. Morck empfiehlt daher, die entsprechende Regelung aus dem AMNOG herauszunehmen und sie zunächst mit Fachleuten im "pharmakologisch-medizinischen Rahmen zu diskutieren".
Bestätigung aus der Länderkammer
Aus Sicht von Pro Generika stecken hinter beiden Vorhaben der Regierungskoalition keine medizinisch-pharmakologischen Hintergründe – es gehe vielmehr nur darum, die Rabattverträge leichtgängiger machen. Daher begrüßt der Verband die am 24. September vom Bundesrat ausgesprochene Empfehlung zur Änderung des einschlägigen § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch die Länderkammer plädiert dafür, dass ein Arzneimittel nur noch dann gegen das ursprünglich verordnete ausgetauscht werden darf, wenn das in der Apotheke abgegebene Präparat für alle Indikationen zugelassen ist, für die auch das vom Arzt verschriebene eingesetzt werden darf. Der Gesetzgeber ist allerdings nicht an das Votum der Länder gebunden, da das AMNOG nicht zustimmungspflichtig ist.
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