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- DAZ 39/2010
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Arzneimittel und Therapie
"Honigsüßer Durchfluss" als neues Therapieprinzip
Im Zuge der Konzentrierung des Primärharns wird im proximalen Tubulus ein Großteil der abfiltrierten Glucose durch den sodium dependent glucose transporter-2 (SGLT-2) rückresorbiert. Eine Blockade des Transportproteins führt zur vermehrten Ausscheidung von Glucose mit dem Harn ("honigsüßer Durchfluss") und verringert so den Blutzuckerspiegel. Dank der höheren Glucoseaffinität eines weiteren Transporterproteins SGLT-1, das nicht durch Dapagliflozin gehemmt wird, kann ebenfalls im proximalen Tubulus noch genügend Glucose rückresorbiert werden, um eine Hypoglykämie zu verhindern. Eine nicht-selektive Vorgängersubstanz zeigte aufgrund der SGLT-1 Hemmung so starke gastrointestinale Nebenwirkungen, dass die weitere klinische Entwicklung eingestellt wurde.
Prüfung gegen Placebo
Für die randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie wurden in 80 Studienzentren in Übersee 546 Teilnehmer mit schlecht eingestelltem Diabetes Typ 2 unter Metformin-Therapie rekrutiert. Einschlusskriterien waren ferner eine Metformin-Tagesdosierung von mindestens 1500 mg sowie ein HbA1c -Wert zwischen 7 und 10%. Patienten mit auffälligen Parametern der Nierenfunktion, auffälligen Symptomen einer schlechten Diabetes-Einstellung sowie kardiovaskulären Ereignissen oder weiteren klinisch relevanten Erkrankungen anderer Organsysteme waren von der Teilnahme ausgeschlossen.
546 Studienteilnehmer konnten in vier gleichstarke Gruppen randomisiert werden und erhielten doppelblind über 24 Wochen zusätzlich zur Metformin-Ausgangsmedikation Placebo oder drei unterschiedliche Dosierungen von Dapagliflozin (2,5 mg, 5 mg, oder 10 mg). Die Einnahme der Studienmedikation erfolgte morgens vor dem Frühstück. Für Patienten, bei denen in den regelmäßig stattfindenden Untersuchungen ein Anstieg des Nüchternblutglucosespiegels über einen definierten Wert festgestellt wurde, stand als "Rescue-Medikation" Pioglitazon oder Acarbose unverblindet zur Verfügung.
Einige Zahlen zu Diabetes
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Reduktion des Körpergewichtes
Als primärer Studienendpunkt wurde nach 24 Wochen die Senkung des HbA1c - Wertes bestimmt. Alle drei geprüften Dapagliflozindosierungen konnten den Langzeitblutzuckerwert dosisabhängig signifikant stärker senken als Placebo (Placebo - 0,3%, Dapagliflozin 2,5 mg - 0,67%, 5 mg - 0,7% und 10 mg - 0,84%).
Die beiden höheren Dosierungen (5 und 10 mg) konnten bei signifikant mehr Patienten den HbA1c -Wert unter 7% senken, was als sekundärer Studienendpunkt erfasst wurde. Weitere sekundäre Endpunkte waren unter anderem Veränderungen des Nüchternblutglucosespiegels und des Körpergewichtes. Beide Parameter konnten durch alle Dapagliflozin-Dosierungen signifikant verringert werden. Die Senkung des Körpergewichtes war nicht allein Folge der osmotischen Diurese, ausgelöst durch die therapiebedingte Glucosurie, da sie ebenfalls in allen Verum-Therapiearmen von einem Verlust an Hüftumfang begleitet war.
Verträglichkeit zufriedenstellend
Hypoglykämische Ereignisse waren selten, mild und über alle Gruppen gleichmäßig verteilt. Harnwegsinfekte, bei Diabetikern Komplikation der Glucosurie, waren ebenfalls in allen Therapiearmen gleichmäßig verteilt. Genitalinfektionen traten dagegen in den Dapagliflozin-Gruppen (8 bis 13%) gegenüber Placebo (5%) häufiger, bei männlichen und weiblichen Teilnehmern gleich häufig auf. Während der Studie kam es zu keinem Todesfall. Bei den 17 aufgetretenen schwerwiegenden Ereignissen ließ sich keine eindeutige Kausalität zur Dapagliflozin-Therapie erkennen.
Im Bereich der Laborparameter fanden sich keine Veränderungen der Nierenfunktion, aber geringfügig erhöhte Hämatokrit- und Harnstoffwerte, die sich durch die osmotische Diurese erklären lassen. Leichte Verbesserungen der Cholesterin- und Lipidwerte sowie des Blutdruckes rundeten das Wirkungsprofil der Substanz ab.
Mögliche Zukunft als Add-on-Therapie?
Gehören Glucosurie, in alten Zeiten durch Geschmackstest diagnostiziert, und Polyurie zu den Hauptsymptomen des Diabetes, ist dennoch die Niere bisher nicht als Zielorgan für Therapien in Erscheinung getreten. Der Ansatz, die Glucosebelastung des Organismus Beta-Zell- und Insulinunabhängig zu verringern, scheint attraktiv. Mögliche durch den Wirkmechanismus bedingte Komplikationen wie ein erhöhter Hämatokritwert oder Harnwegsinfekte scheinen keine sicherheitsrelevante Ausprägung zu haben, sollten aber bei der klinischen Entwicklung weiter kritisch untersucht werden. Der Kommentar des Lancet verweist darüber hinaus auf die sich in der Studie andeutenden positiven Effekte auf Körpergewicht und Bluthochdruck. Aufgrund der eher moderaten Wirkung auf den Langzeitblutzucker wird der zukünftige Stellenwert, wie in der vorliegenden Studie vorgesehen, als mögliche Add-on-Therapie zu Metformin eingeschätzt.
Quelle C.J. Bailey et al.: Effect of dapagliflozin in Patients with type 2 diabetes who have inadequate glycaemic control with metformin: a randomised, double – blind, placebo- controlled trial, Lancet 2010; 375: 2223 – 33 M. Hanefeld, T. Forst: Dapagliflozin, an SGLT2 inhibitor , for diabetes, Lancet 2010;375:2196 – 98
Apotheker Peter Tschiersch
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