Aus Kammern und Verbänden

Die Pharmaziehistoriker Schelenz und Urdang

Im vergangenen Jahr hat der Magistrat der Stadt Kassel die Ruhestätte des Apothekers und Pharmaziehistorikers Hermann Schelenz auf dem Friedhof Wehlheiden zum Ehrengrab erklärt. Aus diesem Anlass veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 25. September im Kasseler Ottoneum (Naturkundemuseum) ein Symposium.
Am Ehrengrab von Hermann Schelenz auf dem Friedhof in Kassel-Wehlheiden.

Prof. Dr. Christoph Friedrich, Dr. Till Fuxius, Prof. Dr. Gregory Higby und Priv.-Doz. Dr. Frank Leimkugel (von links).

Foto: Klaus Meyer

Im vollbesetzten Vortragssaal des Ottoneums erinnerte Stadträtin Anita Mahrt an das erfolgreiche Wirken von Hermann Schelenz in Kassel, der auch im Ottoneum seine pharmaziehistorischen Studien als "Privatgelehrter" getrieben hatte. Anschließend führte DGGPPräsident Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg, in das Thema ein.

Hermann Schelenz (1848 – 1922)

Apotheker Dr. Till Fuxius, Köln, zeichnete in seinem Vortrag die Biographie von Hermann Schelenz nach: 1874 erwarb er die Altstädter Apotheke in Rendsburg, die er u. a. um eine Fabrik chemisch-pharmazeutischer Produkte, einen Versandhandel und eine Drogengroßhandlung erweiterte und zur größten Apotheke in Holstein ausbaute. Nach dem Verkauf der Apotheke (1893) folgte in Kassel eine sehr intensive und erfolgreiche pharmaziehistorische Tätigkeit, die in dem Hauptwerk "Geschichte der Pharmazie" (1904) ihren Höhepunkt fand (zuletzt 2005 aufgelegt). In anderen Büchern wetterte Schelenz gegen den Eintritt der Frau in den Apothekerberuf ("Frauen im Reiche Aesculaps", 1900) oder stellte seine Forschungsergebnisse zur Geschichte der pharmazeutisch-chemischen Destilliergeräte (1911) und zu Shakespeares pharmazeutischem Wissen (1914) vor. Ferner schrieb er 893 Zeitschriftenartikel und 871 Rezensionen sowie zahlreiche anonyme Beiträge; die Gesamtzahl der Veröffentlichungen liegt bei über 2000.

Unter den vielen Ehrungen sind besonders die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg (1920) und jetzt die Übernahme der Ruhestätte als Ehrengrab durch die Stadt Kassel hervorzuheben. Der Name dieses Mannes, der durch die Inflation (1923) sein gesamtes Vermögen verlor, lebt weiter in der Schelenz-Plakette, mit der verdiente Pharmaziehistoriker ausgezeichnet werden.

Georg Urdang (1882 – 1960)

Zwei weitere Vorträge von Priv.-Doz. Dr. Frank Leimkugel, Düsseldorf, und Prof. Dr. Gregory Higby, Madison (USA), waren Georg(e) Urdang gewidmet, dessen Todestag sich im Juni zum 50. Mal jährte. Urdang wurde in Tilsit in Ostpreußen geboren und war jüdischer Abstammung. Von 1910 bis 1919 besaß er die Adler-Apotheke in Rosenberg (Westpreußen), ehe er Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung in Berlin wurde. Diese Tätigkeit musste er Ende 1935 aufgeben, danach hatte er noch zwei Jahre lang eine "ratgebende Funktion". In der Berliner Zeit entstanden mehrere Bücher, darunter der mit Alfred Adlung (1875 – 1937) verfasste "Grundriß der Geschichte der deutschen Pharmazie" (1935).

Im Mai 1938 emigrierte Urdang unter dem Druck der politischen Verhältnisse in die USA. Dort studierte er erneut Pharmazie und legte 1939 das Staatsexamen ab. 1941 gründete er in Madison (Wisconsin) das "American Institute of the History of Pharmacy", dessen erster Direktor er wurde und bis 1956 blieb; von 1947 bis 1952 war er zudem Professor für Pharmaziegeschichte.

Für seine neue Heimat hat Urdang auf dem Gebiet der Pharmaziegeschichte viel erreicht. Die meisten seiner Bücher, darunter auch das mit Edward Kremers verfasste "History of Pharmacy" (1940, 4. Aufl. 1976, hrsg. von Glenn Sonnedecker), sind in den 1940er und 1950er Jahren in englischer Sprache erschienen. Urdang institutionalisierte die Pharmaziegeschichte in den USA und ist dort heute immer noch "präsent". So existiert ein Urdang-Raum in der Universität von Wisconsin, seit 1952 vergibt das American Institute of the History of Pharmacy die Urdang-Medaille, und eine geplante Stiftungsprofessur soll einmal seinen Namen tragen.

Die in den 1920er Jahren von Urdang aufgestellte und von ihm auch in den USA vertretene These, Pharmaziegeschichte sei die Geschichte der Apotheker und der Apotheken, konnte sich nicht durchsetzen. Inzwischen sind auch andere Bereiche wie die Arzneimittelgeschichte wichtige pharmaziehistorische Forschungsgebiete geworden.

Urdangs Verhältnis zu Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg auf Versöhnung ausgerichtet. Im Gegensatz zu anderen Emigranten besuchte er mehrmals die alte Heimat. 1949 wurde er mit der Schelenz-Plakette und der Ehrendoktorwürde der Universität Kiel ausgezeichnet.

Im Anschluss an das Symposium besuchten die Teilnehmer die Ehrengrabstätte von Hermann Schelenz auf dem Wehlheider Friedhof. Die Grabplatte trägt die Aufschrift:

"Ehrengrab der Stadt Kassel – Dr. med. h.c. Hermann Schelenz – Vater der Pharma-ziegeschichtsschreibung" <

Peter Hartwig Graepel, Gladenbach

Literatur 

Till Fuxius: Hermann Schelenz. Ein Pionier der Pharmaziegeschichte. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002.

Andrea Ludwig: Georg Urdang (1882-1960). Ein Pharmaziehistoriker als Mittler zwischen "alter" und "neuer" Welt. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009.

 

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