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OVG NRW: Selbstbedienungsverbot ist verfassungsgemäß

BERLIN (ks). Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) hat in einem aktuellen Urteil das Selbstbedienungsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel (§ 17 Abs. 3 ApBetrO) als verfassungsgemäß bestätigt. Es habe nach wie vor seine Berechtigung – auch wenn in den vergangenen Jahren einige apothekenrechtliche Bestimmungen geändert wurden, insbesondere der Versandhandel mit Arzneimitteln zugelassen wurde.
(Urteil des OVG NRW vom 19. August 2010, Az.: 13 A 182/08)
Selbstbedienungsverbot Werden apothekenpflichtige Arzneimittel als Selbstbedienungsware angeboten, so kann das dem Kunden suggerieren, dass es sich um "ungefährliche" Waren handelt und kein Beratungsbedarf besteht. Der Apotheker muss aber seinen Beratungspflichten bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln nachkommen, bevor der Kunde das Arzneimittel in Besitz genommen hat.
Foto: DAZ/Sket

Geklagt hatte ein Apotheker, dem der zuständige Amtsapotheker per Ordnungsverfügung untersagt hatte, als "apothekenpflichtig" bezeichnete Arzneimittel, in der Selbstbedienung feilzubieten. Der Widerspruch des Apothekers gegen die Verfügung blieb erfolglos, ebenso die Klage vor dem Verwaltungsgericht in erster Instanz. Auch vor dem Berufungsgericht konnte sich der Apotheker nicht mit seiner Auffassung durchsetzen, dass das Feilbieten von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in der Selbstbedienung nach der Zulassung des Versandhandels von Arzneimitteln nicht mehr gerechtfertigt sei. Die Revision gegen das Urteil des OVG wurde nicht zugelassen.

Durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt

Wie das OVG ausführt, handelt es sich bei § 17 Abs. 3 ApBetrO um eine Regelung der apothekerlichen Berufsausübung. Dem Apotheker wird hierdurch eine bestimmte Abgabeform der betreffenden Arzneimittel verpflichtend auferlegt. Um mit Art. 12 Grundgesetz (Berufsfreiheit) vereinbar zu sein, muss eine solche Regelung unter anderem durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dies ist nach Auffassung der Richter der Fall: "Ihre Rechtfertigung wurde von Anfang an darin gesehen, dass es sich bei Apotheken nicht um gewerbliche, wirtschaftlich geprägte Betriebe im üblichen Sinne handele und das Wesensmerkmal einer Apotheke die unmittelbare Beziehung zum einzelnen Kunden sei", heißt es im Urteil. Nach dem Leitbild vom "Apotheker in seiner Apotheke" – dessen Prämissen dem OVG zufolge noch heute gelten – solle der Kunde sicher sein, in Apotheken von pharmazeutischem Personal bedient und beraten zu werden. Diese gesundheitspolitischen Erwägungen reichten im Interesse einer geordneten Arzneimittelversorgung zur Rechtfertigung des Selbstbedienungsverbots aus und gelten auch noch heute, so die Verwaltungsrichter.

Das OVG weist darauf hin, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Zulassung des Arzneimittel-Versandhandels insbesondere den § 17 ApBetrO geändert habe. Die Änderung betraf jedoch vor allem den ersten Absatz der Norm, während der hier maßgebende dritte Absatz – dem eine eigenständige Bedeutung zukommt – unverändert blieb. Auch derzeit sei nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums eine Änderung dieser Bestimmung nicht beabsichtigt. "Diese Umstände sind eindeutige Indizien dafür, dass der Gesetzgeber die für die Ursprungsfassung der Bestimmung maßgebenden Erwägungen weiterhin für relevant hält."

Weitere Voraussetzung für die Vereinbarkeit mit Art. 12 GG ist, dass das Selbstbedienungsverbot zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, geeignet und erforderlich ist. Auch diese sehen die Richter unproblematisch gegeben. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung sei nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel "objektiv ungeeignet" ist. Ansonsten stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Beratung muss vor der Wahl eines OTC-Präparates erfolgen

Das Selbstbedienungsverbot gewährleiste, so das OVG, dass der Apotheker seinen Beratungspflichten bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln nachkommen könne – und zwar zu einem Zeitpunkt, da der Kunde das Arzneimittel noch nicht endgültig in Besitz genommen hat und deshalb die apothekerliche Beratung noch die ihr zugedachte Funktion einer umfassenden Information und Kaufempfehlung erfüllen kann. Aus Sicht der Richter kann eine Beratung erst am Ende des Erwerbsvorgangs diese Funktion nicht mit der gleichen notwendigen Sicherheit erfüllen: Bei größerem Kundenandrang und beim Bezahlen zusammen mit weiteren Artikeln könne nicht ausgeschlossen werden, dass in der Eile die Beratung unterbleibe. Dies wäre dem hochrangigen Schutzgut der Arzneimittelsicherheit nicht zuträglich und würde der Besonderheit der Ware "Arzneimittel" nicht hinreichend Rechnung tragen.

Ein Angebot apothekenpflichtiger Arzneimittel als Selbstbedienungsware suggeriere dem Kunden zudem, dass es sich um "ungefährliche" Waren handele. Dementsprechend sei es geeignet, das Verständnis des Kunden für die auch bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln nötige Beratung zu mindern.

Grundsätzliche Unterschiede zum Versand

Die Richter räumen ein, dass die Einführung des Arzneimittel-Versandhandels dazu geführt habe, dass es in der freien Entscheidung des Patienten liegt, ob und in welchem Umfang er das Beratungsangebot des Apothekers in Anspruch nehmen will. Dies könne jedoch nicht in gleicher Weise für das Angebot apothekenpflichtiger Arzneimittel zur Selbstbedienung gelten. Der Versandhandel werde typischerweise für den Bezug von Arzneimitteln genutzt, bei denen der Kunde keinen Beratungsbedarf sieht, weil ihm das Medikament bereits bekannt oder er nicht darauf angewiesen ist, es sofort verwenden zu müssen oder zu wollen. Dies sei bei einem Arzneimittel, das vor Ort in der Apotheke erworben wird, grundsätzlich anders, auch wenn es im Einzelfall dem Kunden schon vertraut sein mag.

Auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und unter europarechtlichen Gesichtspunkten sehen die Verwaltungsrichter keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Selbstbedienungsverbot.

DAZ.online


Das Urteil finden Sie im Volltext bei DAZ.online in der Service Rubrik "daz.online Recht".

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